Videokolumne: Osterspecial

Die Videokolumne am Ende des Osterfestes mit interessanten Filmhighlights vom verlängerten Wochenende! // von Hannes Richter

Rabbids

Wenn man den Vorschauen der privaten Fernsehsender glaubt, ist Ostern wohl eher eine Art Fernsehfest. Von Action bis Romantic Comedy – in fetzigen Vorschauclips werden schon Wochen vorher die „Filmhighlights“ beworben und am Ende dürfen auch Jesus und Moses nicht fehlen. In den öffentlich-rechtlichen Mediatheken laufen naturgemäß weniger TV-Knaller, aber auch hier finden sich zu Ostern einige Perlen.


LEGENDE: Pina

Selten hat ein deutscher Film – schon gar kein Dokumentarfilm – international einen solchen Hype ausgelöst. Das liegt zum einen daran, dass es sich mitnichten um einen klassischen Dokumentarfilm handelt. Die dokumentarischen Passagen in Wim Wenders Pina sind eher poetische Elogen, mit denen die Ensemblemitglieder verträumt an ihre Zeit mit der berühmtesten Choreografin der Welt erinnern. Der Rest des Films sind zauberhaft gefilmte Ausschnitte aus ausgewählten Pina-Bausch-Stücken. Zum anderen lebt der Film von Pina Bauschs Aura und der künstlerischen Handschrift Wim Wenders‘, mit der er es fertig bringt, diese auf die Leinwand zu retten. Apropos Leinwand: Pina ist nichts für den Desktopcomputer- oder gar Laptopbildschirm. Ursprünglich handelte es sich sogar um einen 3D-Film, mit dem Wim Wenders auf der Berlinale 2011 zu den ersten gehörte, die diese Technik jenseits des Blockbusters ausprobierten.
Pina wurde international ausgezeichnet und sogar in der Sparte Dokumentarfilm für den Oscar nominiert. Sein internationales Prestige lässt sich auch daran ablesen, dass es in New York in den letzten Jahren wohl keine Woche gab, in der Pina nicht in irgendeinem Kino lief. Dazu muss man wissen, dass New York die Programmkinohauptstadt der USA ist. Die meisten Indie-Filme, für die sich in deutschen Mittelstädten fast immer irgendwo ein kleines unabhängiges Kino findet, laufen sogar nur im Big Apple oder vielleicht noch in Los Angeles. Zusätzlich ist New York neben Wuppertal (!) ein Mekka der internationalen Tanzszene. Pina ist hier also quasi zu Hause. Wobei es ein Verdienst dieses Films ist, die Kunst der während der Dreharbeiten verstorbenen Legende für jeden begreif- und erfahrbar zu machen. Also, sollte ein großer Fernseher in der Nähe sein, kann es kaum einen schöneren Ausklang für das Osterwochenende zu Hause geben. Ansonsten – ganz entgegengesetzt zum Anliegen dieser Kolumne – warten Sie lieber auf den Sommer im Freiluftkino oder den nächsten Tripp nach New York. Oder Wuppertal, wo in der Jubiläumsspielzeit der Compagnie den ganzen Mai über Stücke von Pina Bausch auf der Bühne zu sehen sein werden und am 25. Mai auch der Film in 3D im Kino gezeigt wird.


IRGENDWIE AKTUELL: Isch kandidiere!

Es ist wieder Wahl. In vier Wochen wird das Europäische Parlament neu gewählt. So richtig interessieren scheint das aber kaum jemanden. Wobei, feine Ironie der Mediendemokratie, die Berichte darüber, dass es kaum jemanden zu interessieren scheint weit größeren Platz in Zeitungen und Fernsehnachrichten einnehmen als die zur Wahl stehenden Personen oder die anstehenden Richtungsentscheidungen.
Als Hape Kerkelings Haudrauf-Satire Isch kandidiere!, in der sich sein Alter-Ego Horst Schlämmer auf den beschwerlichen Weg zum Bundeskanzler macht, kurz vor der Bundestagswahl 2009 in die Kinos kam, wurde der Film von der Kritik verrissen. Und die Kritiker hatten Recht: der grummelnde Lokalreporter aus Grevenbroich ist in abendfüllender Länge kaum zu ertragen, der Film ist eine dramaturgische Katastrophe. Allerdings lockte er damals 1,3 Millionen Zuschauer in die Kinos. Kerkeling muss also wiedermal einen Nerv getroffen haben (wobei die mediale Hype im Vorfeld der Bundestagswahl auch einer gut geölten PR-Maschine glich). Auch ich konnte damals nichts mit der Verballhornung des Politikbetriebs anfangen. Fünf Jahre später sieht das ein bisschen anders aus, in einer Zeit, in der eine Europawahl den meisten Menschen noch viel mehr als Farce erscheint als die Bundestagswahl, bei der sowieso Angela Merkel gewinnt. Das muss so nicht stimmen, trifft aber die Stimmung in der Bevölkerung. Und für die hat Hape Kerkeling nunmal ein ausgezeichneten Sinn. Dafür lohnt es sich, nochmal reinzuschauen. Gerade in den nächsten Wochen wird es in der Videokolumne so einiges zur Europawahl geben.


SEHENSWERTER JUGENDFILM: Implosion

Implosion ist eine Geschichte über eine Urlaubsliebe, die ein bisschen an Christian Petzolds Meisterwerk Die Innere Sicherheit erinnert. Auch hier werden die Brüche zwischen Normalität und Tagesschau durch die Augen eines leicht abwesend wirkenden jugendlichen Protagonisten erzählt. Und was stünde mehr für Normalität im Teenageralter als eine harmlose Urlaubsliebe? Wobei der Rückzug in eine eigene Welt als pubertär-trotzige Reaktion auf desinteressierte Erwachsene den Nährboden für die Sehnsucht nach Zuneigung und ein wenig Abenteuer bildet. Der inzwischen zum Klassiker avancierten RAF-Film spielt vor dem Hintergrund der brutalen Jagd auf Ex-Terroristen und der lebenslangen Flucht der Eltern, in Implosion geht es um das Flüchtlingselend, Zwangsprostitution und die an die Ränder der EU verschobene Migrationsproblemtik. Wobei der Rand der EU hier gleichzeitig ein spanischen Urlaubsparadies ist, in dem der 17-jährige Thomas auf das Flüchtlingsmädchen Djamile trifft. Eine spannende und tiefgreifende Auseinandersetzung beginnt für den jungen Mann, mit sich selbst und der Welt, aus der er kommt.


COMIC-KLASSIKER: Auf den Spuren des Marsupilami

Das Marsupilami hat sich von einer Nebenrolle aus den in Frankreich und Belgien kultig verehrten Spirou- und Fantasio-Comics zu einer eigenständigen Marke mit hohem Wiedererkennungswert entwickelt. In der Fernsehwelt würde man das wohl ein erfolgreiches Spin-Off nennen. Das unbekannte Wesen besticht vor allem durch seinen endlos langen Ringelschwanz, ist sehr scheu, hält aber trotzdem den ganzen Urwald auf Trab. Europäische Realverfilmungen von erfolgreichen Comics sind immer mit Vorsicht zu genießen. Die Asterix-Reihe mit Gérard Depardieu ist ein lustiger Kinderspaß, hat aber so gar nichts vom anarchischen Charme des Originals und Bibi Blocksberg verliert im Film das letzte bisschen Esprit des schon sehr biederen Originals. Diese Marsupilami-Verfilmung, in Frankreich ein veritabler Kinoerfolg, ist gerade wegen des gelungenen Slapsticks und einer Menge schräg-subversiver Chaos-Momente weitaus schöner anzusehen und amüsanter als so mancher bemühter deutscher Kinderfilm.


Bwaaaaah: Rabbids Invasion

Das Marsipulami versucht sich zumindest ein wenig an der menschlichen Sprache, einige Worte schnappt es von den Entdeckern im Urwald auf. Die Rabbids dagegen sind dafür einfach zu doof. Oder zu… was auch immer. Bei Rabbids Invasion handelt es sich zwar nicht um einen Film, aber der Tipp taugt ganz vorzüglich zum Osterabschluss. Immerhin handelt es sich um kleine Hasen, die in dieser eigentlich als Kinderunterhaltung missverstandenen Clipserie ihr Unwesen treiben. Und die süßen Häschen haben es in sich: mit nervtötenden Geräuschen und tumber Einfältigkeit erforschen sie die moderne Großstadtwelt und ihre Spielzeuge, oft werden sie dabei von einer genervten Verhaltensforscherin beobachtet. Die Abenteuer der einfach strukturierten Bande (Das trifft auch auf die Zeichnung zu: was braucht es schon mehr als zwei Ohren, Glubschaugen und einen riesigen Mund mit ebensolchen Zähnen, um ein Hasenmoster zu kreieren) spielen im Park, im Einkaufszentrum oder auch nur in einem kargen Tierversuchslabor. Der Clou ist das komplette Fehlen jeglicher äußerlicher Merkmale, auch am Charakter kann man die Rabbids nicht unterscheiden. Sie kommen einem immer alle gleich vor, womit die Wirkung des je nach Sichtweise klugen Dada-Humors oder teletubby-eskes Nervfernsehens noch gesteigert wird. Das Ganze passt dann auch besser in eine Kiffer-WG beim Abklingen als ins Kinderzimmer. Trotzdem hat der Cartoon-Sender Nickelodeon die Rabbids zum Aushängeschild des Senders gemacht und zu Ostern fast einen ganzen Tag am Stück eine Folge nach der anderen gesendet. Bei dem Sender läuft die Serie auch täglich um 19:40 Uhr, einige Clips gibt es auch auf der Webseite. Und wem das nicht reicht, der findet auf Youtube genug Nachschub. Ein Sprachproblem dürfte es nicht geben.


Teaser & Image by Screenshot, http://www.nick.de/videos/51911-omelet-party


wanderte schon früh zwischen den Welten, on- und offline. Der studierte Kulturarbeiter arbeitete in der Redaktion eines schwulen Nachrichtenmagazins im Kabelfernsehen, produzierte Netzvideos und stellte eine Weile Produktionen im Cabaret-Theater Bar jeder Vernunft auf die Beine, bevor er als waschechter Berliner nach Wiesbaden zog, um dort am Staatstheater Erfahrungen im Kulturmarketing zu sammeln. Er baute später die Social-Media-Kanäle der Bayreuther Festspiele mit auf und schoss dabei das erste Instagram-Bild und verfasste den ersten Tweet des damals in der Online-Welt noch fremden Festivals. Seitdem arbeitete er als Online-Referent des Deutschen Bühnenvereins und in anderen Projekten an der Verbindung von Kultur und Netz. 


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