In unseren Lesetipps geht es heute um Lobbyismus im Bundestag, Hamburg bloggt, eine nicht engagierte Gesellschaft, TTIP und Zoë Keating kritisiert YouTube. Ergänzungen erwünscht.
BUNDESTAG Süddeutsche.de: So schützt der Bundestag Lobbyisten: Vor fast einem Jahr wurde mir der Zugang zu einer Ausschusssitzung des Bundestags verwehrt, da sich angeblich zu viele Blogger vor Ort befinden. Das eigentliche Problem hinter dieser Lüge der Bundestagsverwaltung war das ausufernde Ausmaß an Hausausweisen für Lobbyisten. Thorsten Denkler zeigt auf Süddeutsche.de auf, dass mehr als die Hälfte der 2.000 Hausausweise über die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen verteilt werden, davon 90 Prozent durch CDU/CSU und SPD. Wer das aber ist, der da u.a. Öffentlichkeit schaffenden Bloggern die Chance auf Berichterstattung nimmt, wollte die Bundestagsverwaltung oder die Fraktionen nicht sagen.
HAMBURG OSK Blog: Hamburg, deine Blogger: Für das OSK Blog hat sich Carsten Christian – nach Köln und Stuttgart – mit der Hamburger Blogosphäre beschäftigt und einen thematischen Schwerpunkt auf Mode und Lifestyle ausgemacht. Vier der in der Elbmetropole beheimateten Blogs werden genauer vorgestellt und weitere Blogs aus/über/für Hamburg ordentlich aufgelistet – von A wie avatter.de, über N wie Netzpiloten.de bis Z wie zeitgeist247.de.
GESELLSCHAFT Süddeutsche.de: Lehren aus Pegida – Rückzug ins Private stoppen: Unser Online-Magazin Netzpiloten.de gibt es auch aufgrund einer gefühlten Verantwortung als Medium für die Gesellschaft. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den gesellschaftlichen Wandel durch die Digitalisierung, aber wir allein oder auch eine Institution wie ein Bundestagsausschuss, reichen dafür nicht aus. Es braucht Menschen, die sich einbringen und engagieren. Anhand der islamophoben Rechtenbewegung PEGIDA zeigt Hannah Beitzer lesenswert auf, dass der Rückzug ins Private, die Schaffung einer Parallgesellschaft ohne ziviles Engagement, zu einem politischen Integrationsdefizit führt. Politische Diskurse, auch bei der Digitalisierung aber vor allem beim gesellschaftlichen Miteinander, dürfen nicht von Politik und Medien allein geführt werden.
FREIHANDEL Telepolis: „Vorläufige Anwendung“ mit völkerrechtlichen Verpflichtungen: Die Europäische Kommission, aber genauso die Bundesregierung, wollen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA – kurz TTIP genannt – mit beinahe allen Mitteln durchbekommen. Auf Heise.de berichtet Peter Mühlbauer über die Idee der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, die Parlamente der Mitgliedsländer bei TTIP und CETA (Freihandelsabkommen der EU mit Kanada) zu umgehen, in dem Teile der umstrittenen Freihandelsabkommen zu völkerrechtlichen Tatsachen gemacht werden. Ein Scheitern wie beim ACTA-Abkommen soll so verhindert werden.
YOUTUBE Zoë Keatings Blog: What should I do about Youtube?: Auf ihrem Tumblr schreibt die ihre Musik ohne Label selbst vertreibende Musikerin Zoë Keating über ihr Dilemma als unabhängige Musikerin. Die im letzten Jahr viel diskutierten Verträge zwischen YouTube und den damals erst aggressiv unfair agierenden Labels, die sich dann doch einigten, gelten eben nicht für einzelne Musiker. Die müssen jetzt in die neuen Nutzungsbedingungen einwilligen, damit die Musik beim Streaming-Service Youtube Music Key zu finden ist oder Google schließt die Channels der Musiker. Keating ist ratlos, was sie jetzt machen soll: Den All-or-nothing-Deal (wie es Gizmodo ausdrückt) annehmen oder weitermachen, aber auf das Geld verzichten (laut dem Guardian werden die Channels nicht gelöscht, sondern nur von den Einnahmen ausgeschlossen).
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Der Ohnmacht über das Ausmaß staatlicher Überwachung und das Nichtstun der Bundesregierung folgt… Wut? Ignoranz? Oder wirklich Engagement? Eine Definition für Politik lautet, dass der Begriff „die aktive Teilnahme an der Gestaltung und Regelung menschlicher Gemeinwesen“ bezeichnet. Doch was bedeutet das? Einige von uns waren im Herbst und am vergangenen Sonntag wählen, geändert hat sich aber nichts und wenn, dann nicht gerade zum Guten. Machen wir als Bürger noch genug Politik oder lassen wir das inzwischen andere machen? Machen wir überhaupt etwas?
Edward Snowden sitzt immer noch im bald endenden Asyl in Moskau, an der Überwachung soll inzwischen nicht der Staat sondern Unternehmen wie Google Schuld sein, gegen die der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gerne rabiat vorgehen möchte, obwohl es staatliche Geheimdienste sind, die die Wirtschaft ausspionieren und gewählten Volksvertretern werden via Bundesregierung rechtliche Konsequenten angedroht, sollten sie die millionenfache Verletzung der Bürgerrechte ohne Einschränkung untersuchen und aufklären wollen. Schaut man sich die Entwicklungen der letzten 12 Monate an, bekommt man es nach der anfänglichen Ohnmacht über das von Edward Snowden aufgedeckte Ausmaß der Überwachung unserer Leben langsam mit dem Gefühl der… was eigentlich? Was fühlen wir gerade? Ist es Wut auf das System? Ist es ein stärkerer Verdruss über die Politik oder Langeweile über die täglichen Berichte?
Was hat sich seit Snowden eigentlich geändert? Bei einigen die Signaturen unter ihren E-Mails. Ich möge doch jetzt bitte meine Kommunikation verschlüsseln. Mit zwei beruflichen Kontakten chatte ich jetzt mit Threema. Es sei denn sie schreiben mir eine Mail von ihrem Gmail-Konto an meine Gmail-Mailadresse. Und sonst? Bei den letzten beiden Wahlen haben sich Parteien durchgesetzt, die zum einen nichts gegen die Überwachung der Bevölkerung durch Geheimdienste haben bzw. wirklich unternehmen seitdem sie die politische Macht im Lande errungen haben und die die Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden noch ausbauen wollen, in die Privatsphäre von Bürgern hinein zu schauen. Ist es soviel besser, dass die Überwachung freundliche Gesichter bekommen hat, die keine ernsten Mienen haben, keine US-Uniformen tragen und uns im September noch einen Luftballon oder eine Bratwurst am Wahlkampfstand geschenkt haben?
Wenn in Dokumentationen die Studentenproteste der 60er Jahre damit begründet wurden, dass es eine Unzufriedenheit über die herrschenden Gesellschaftszustände gab, frage ich mich, warum wir kaum demonstrieren oder überhaupt eine Form von Widerstand leisten. Auf der diesjährigen re:publica forderte Sascha Lobo die scheinbar am Internet interessierte Masse auf, sich politisch zu engagieren (oder zumindest Geld zu geben). Persönlich sehe ich keinen netzpolitischen Verein, der zur Zeit auch nur einen Euro wert ist. Entweder sind sie so parteinah, dass eine Spende jeder für sich ausmachen muss oder sie sind dermaßen elitär und hierarchisch organisiert, das ich sie nicht unterstützen kann, da sie trotz guter Ziele und Kampagnenarbeit meinen persönlichen Idealen nicht entsprechen.
Sollte jemand an dieser Stelle die Lust verspüren, die eierlegende Wollmilchsau der Netzpolitik-Vereine zu gründen, kann er oder sie aufhören weiterzulesen und mir schreiben, wo ich spenden kann. Alle anderen müssen jetzt noch ein paar Gedanken zu politischem Engagement in Parteien lesen.
Obwohl wir in einer parlamentarischen Demokratie leben, in der Parteien eine vom Grundgesetz hervorgehobene Rolle spielen, scheint es so, als ob sich politisch in einer Partei zu engagieren, die gesellschaftliche Ausgrenzung zur Folge hat. Partei zu ergreifen ist etwas Verkommenes. Dabei ist es wichtig zu engagieren, egal in welcher demokratischen Partei. Es gibt natürlich Gründe, warum ich mich für eine bestimmte Partei entschieden habe und nicht für eine andere, aber dass trifft ja auf jedes Mitglied einer Partei zu. Aber allen ist gemeinsam, dass sich Mitmenschen hier für Themen einsetzen, die ihnen wichtig sind. Es ist nicht leicht in einer Partei Mitglied zu sein. So basisdemokratischer eine Partei ist, um so schwerer wird es sogar. In den Parteien werden aber auf unterschiedlichste Art und Weise gesellschaftliche Forderungen in Programme und Agenden formuliert, die bei einem Wahlerfolg in Regierungsprogramme übernommen werden. Das ist jetzt stark vereinfacht ausgedrückt, aber im Grunde trifft es, warum parteipolitisches Engagement viel mit Verantwortung zu tun hat und deshalb wichtig ist. Und zum Glück gibt es nicht wenige Menschen, die dazu noch bereit sind.
Politik in einer Partei geht nicht über Tweets oder Online-Petitionen. Sie erfordert Engagement in Form von Zeit und auch Nerven. Dabei gewinnt und verliert man Abstimmungen, man schließt Kompromisse, macht sich Freunde und Feinde, aber in welcher organisierten Anhäufung von Menschen ist das nicht der Fall? Sich zu engagieren ist wichtig. Auch als jemand aus einer sehr politischen Familien, der Politikwissenschaften studiert hat, wurde mir erst nach Stéphane Hessels Buch „Empört euch!“ richtig klar, wie wichtig es ist, sich selber einzubringen und aktiv an der Gestaltung und Regelung unseres menschlichen Gemeinwesens teilzunehmen. Das muss nicht immer mit Netzpolitik zu tun haben oder in Parteien stattfinden. Für verkehrsberuhigte, autobefreite und radfreundliche Straßen kann man sich genauso engagieren wie gegen Nazis, verfehlte Wohnmarktpolitik oder irgendwie alles, für das Gunnar Schupelius eintritt. Jeder nach seiner Façon. Wichtig ist nur, dass jeder einzelne dazu bereit ist, unsere Gesellschaft mitzugestalten, denn mit jedem Menschen, der das nicht mehr ist, wächst die Macht einiger wenige, die aus anderen Gründen dazu bereit sind.
In unseren Lesetipps geht es heute um Kritik an Datenschutz-Beauftragte Andrea Voßhoff, das neue Vox.com von Ezra Klein, Engagement im Internet, Startups im Journalismus und der Medienwandel des Fernsehen. Ergänzungen erwünscht.
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LinkedIn integriert in seinen vor allem von Berufstätigen genutzten sozialen Netzwerk einen Marktplatz für freiwilliges Engagement. // von Tobias Schwarz
LinkedIn kündigte heute in einem Blogpost den sogenannten ?The Volunteer Marketplace?an (TechCrunch berichtete), auf dem LinkedIn-Mitglieder sich über Tätigkeiten bei gemeinnützigen Organisationen und Vereinen erkundigen können, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Da so gut wie alle Mitglieder von LinkedIn ihr Profil als eine Art Online-Lebenslauf pflegen, möchte LinkedIn scheinbar nutzen, dass ehrenamtliches Engagement hoch angesehen ist und Mitglieder sich somit leichter dazu entschließen, umsonst eine gemeinnützige Aufgabe zu übernehmen, wenn sie damit attraktiver für potenzielle Arbeitgeber werden. Kommt es zu einem erfolgreichen Abschluss auf dem Marktplatz und ein Mitglied beginnt eine ehrenamtliche Tätigkeit, kann die Organisation diese bewerten. Die Bewertung erscheint dann im LinkedIn-Profil des Helfers. LinkedIn-Mitglieder können ab sofort auch in ihrem Profil angeben, wenn sie dazu bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren.