Soziale Netzwerke: “Auf ewig binden”

Gibt es Alternativen zu Facebook, Google+ & Co.? Und wenn ja, welche? Auf der „Digital Backyards“-Konferenz gab es ein paar Antworten.

Unter dem Titel “Alternative Social Networking” fand auf der internationalen Konferenz „Digital Backyards“ am Freitag-Vormittag ein Workshop statt, der sehr unterschiedliche Möglichkeiten präsentierte, Gegenentwürfe für Facebook & Co. zu entwickeln.

“Ein Netz, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Blaue zu treiben und ewig zu binden”

Dieses Motto, angelehnt an die Gravur in dem Ring aus John R. R. Tolkiens Roman “Der Herr der Ringe”, drückt die Sorge von Datenschutz-Aktivisten weltweit aus, wenn es um Facebook geht. Das Unternehmen aus dem kalifornischen Menlo Park sammelt von all seinen mehr als eine Milliarde Mitgliedern persönliche Daten und verdient mit diesen Daten Geld. Einigen Nutzern geht das zu weit, sie suchen Alternativen zu Facebook und den anderen großen Social Networks.

Am Freitagvormittag fand auf der internationalen Konferenz “Digital Backyards” der Workshop “Alternative Social Networking” statt, in dem die Aktivisten Carlo von Loesch (Secushare), Daniel Reusche (Unlike Us) und Leena Simon (Social Swarm) ihre Projekte vorstellten und mit anderen Experten über Möglichkeiten und Wege sprachen, Alternativen zu Facebook, Twitter, Google+ & Co. zu entwickeln. Dabei zeigte sich, dass verschiedene Projekte an sehr unterschiedlichen Ansätzen arbeiteten, vor allem aufgrund der unterschiedlichen Bewertung der aktuellen Situation und der Möglichkeiten, erfolgreich Alternativen zu schaffen.

Carlo von Loesch arbeitet für Secushare, ein Berliner Projekt, das an nutzerfreundlichen Alternativen zu bekannten Kommunikationskanälen wie Skype, Facebook und diversen Maildiensten arbeitet. Secushare legt den Fokus auf die Unabhängigkeit von der Infrastruktur Dritter und der Hoheit über die eigenen Daten. Statt komplexer dezentralisierter Nachrichtensysteme bietet Secushare eine soziale Komponente und eine intuitive Verschlüsselung an. Ziel ist es, durch simple Anwendungsmöglichkeiten bei Nutzern ein stärkeres Bewusstsein für Datenschutz und Sicherheit im Internet zu schaffen. Das Projekt ist vor allem deshalb auf Kommunikationsdienste angelegt, da von Loesch den Aufbau eine eigenen Infrastruktur für eine gescheiterte Idee hält, die einmal erfolgreich war, sich aber nicht richtig durchsetzen konnte. Immer weniger Gruppen, Vereine und Unternehmen setzen auf eigene Server und bedienen sich vielmehr kommerzieller Angebote von Unternehmen wie Google oder Amazon.

Der ehemalige Autor von politik-digital.de glaubt nicht an Veränderungen von Facebook, sondern setzt vielmehr auf die Schaffung attraktiver und nützlicher Alternativen. Sein Ziel ist es, mit Secushare eine Filesharing-Software zu entwickeln, die ähnlich wie ein Peer-to-Peer-Netzwerk und Cloud-Lösungen kommerzieller Unternehmen funktioniert und den Nutzern eine sichere Kommunikation ermöglicht. Der Datenverkehr der Kommunikation wird dabei wie Torrents über verschiedene Rechner geleitet, die sich durch die Software kennen und vertrauen und damit eine eigene, sichere Cloud darstellen. Zwar gibt es in der Testphase noch das eine oder andere Problem, aber von Loesch zeigte sich optimistisch, dass das Projekt mit etwas Zeit und finanzieller Unterstützung erfolgreich fortgeführt werden könnte. Er geht außerdem davon aus, dass sich das Grundprinzip durchsetzen könnte, da diese Art des Datenverkehrs noch frei von fest zementierten Standards ist und der Faktor Sicherheit nicht nur an Bedeutung, sondern auch an Coolness zulegen wird.

Ebenfalls bei Secushare ist der Aktivist Daniel Reusche engagiert, er arbeitet aber auch für die Veranstaltungsreihe Unlike Us, in deren Rahmen Künstler, Soziologen und Programmierer gemeinsam an Alternativen zu den bekannten sozialen Netzwerken forschen. Sinn der Unlike Us-Konferenzen ist es, Theorie und Praxis mit kreativen Reaktionen zu verbinden und soziale Netzwerke neu zu denken. Dabei stoßen die Aktivisten laut Reusche auf verschiedene Probleme, die unterschiedliche Lösungen benötigen. Zum einen müssen stabile und sichere Kommunikationsmöglichkeiten für Menschen in Ländern wie Syrien bestehen können, auf der anderen Seite sei der Aufbau dezentraler Infrastrukturen eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung, damit das Projekt unabhängiger von einzelnen wenigen Unternehmen arbeiten kann. Zur Zeit ist Reusche vor allem mit der Zusammenführung verschiedener Initiativen beschäftigt, um kreative und innovative Projekte zu bündeln. Dabei vor allem auf Open-Source-Lösungen und unterschiedliche gesellschaftliche Forschungen und Sichtweisen aufzubauen, klingt nach einem viel versprechenden Ansatz.

Die Bielefelder Bürgerrechts-Initiative FoeBud setzt wiederum auf die Verknüpfung bereits existierender Alternativen. Mit Diaspora, Friendica, buddycloud, Lorea, identi.ca und bald auch Secushare gebe es genügend soziale Netzwerke, die dezentral organisiert sind und mehr Wert auf Datenschutz und die Privatsphäre ihrer Nutzer legen, als dies zum Beispiel Facebook oder Google tun. Leena Simon von FoeBud stellte das von der Free Software Foundation Europe unterstützte Projekte Social Swarm vor, dass eine Plattform der verschiedenen dezentralen und datenschutzfreundlichen Netzwerke sein will. Durch die gemeinsame Erarbeitung offener Standards sollen die Netzwerke ähnlich dem E-Mail-Prinzip miteinander kommunizieren. So wie Googlemail-Nutzer problemlos Freunde bei web.de anschreiben können, soll dies dann auch zwischen identi.ca und Diaspora funktionieren. Der FoeBud möchte auf diesem Weg den Nutzern die Möglichkeit geben, wieder die Kontrolle über die eigenen Daten im Internet zu erhalten. Simon sieht Social Swarm als einen funktionierenden Ansatz, denn es werde nicht einfach nur der Code eines anderen sozialen Netzwerkes kopiert, sondern Facebooks Erfolgsgeheimnis, die Vernetzung unserer sozialen Umwelt, kopiert. Diese Methode der plattformübergreifenden Kommunikation verspricht sich, von einem Blumenstrauß an Lösungen immer den bestmöglichen und für Nutzer angenehmsten Weg zu finden, so dass die Akzeptanz für die Nutzung sicherer Alternativen steigt.

Auf dem Workshop wurde eine Vielzahl interessanter Projekte vorgestellt und den Veranstaltern von der Berliner Gazette gelang es, kluge und kreative Denker an einen Tisch zu bringen, die gemeinsam über Alternativen zu den existierenden sozialen Netzwerken diskutierten. Es besteht zwar Uneinigkeit über den Weg, allerdings teilen alle dasselbe Ziel, und in der kreativen Vielfalt liegt vielleicht auch der innovativste Ansatz für eine neue Form der Netzwerke in einer digitalisierten Gesellschaft.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf Politik-Digital.de und steht unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported Lizenz.


 


ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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3 comments

  1. Facebook bedient den Wunsch vieler nach öffentlichem Austausch. Das ist kein Problem und eigentlich sollte das auf Werbung basierende Geschäftsmodell auch kein Problem sein. Ein Problem entsteht, wenn Facebook zu einem Austausch verwendet wird, für den Facebook gar nie vorgesehen war: die vertrauliche Kommunikation bzw. das Hinterlegen von privaten Daten.

    Auf dem Marktplatz führt man ja auch keine vertraulichen Gespräche.

    In den nächsten Jahren wird es nicht darum gehen, Facebook abzulösen. Sondern darum, glaubwürdige und gute Anwendungen für den vertraulichen Austausch zu entwickeln.

  2. Pingback: My Homepage

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