Bitte lächeln! Die wichtigsten Trends in der Mobilfotografie 2016

Im Rahmen der Photokina in Köln hatte ich die Gelegenheit, an einer Diskussion zum Thema Technologietrends in der Mobilfotografie teilzunehmen. Mit dabei waren auch der Veranstalter Hans Hartmann von Suite 48 Analytics und Haje Jan Kamps, Gründer von Triggertrap und freier Mitarbeiter bei TechCrunch. Die wichtigsten Trends und Entwicklungen, die zur Sprache kamen, will ich hier noch einmal vorstellen.

Raw-Daten auf Smartphone-Kameras

Die Aufnahme von Raw-Daten mit Smartphone-Kameras ist kein ganz neues Feature mehr. Bessere Windows- und Android-Smartphones bieten die Funktion schon länger. Mit der Vorstellung von Apples iPhone 7 Modellen und der mit iOS 10 einhergehenden Raw-Option ist das Thema allerdings erstmals einem breiteren Publikum nähergebracht worden.

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Konvertierung einer Raw-Datei aus dem Huawei P9 in Adobe Camera Raw

Die Vorteile von Digitalfotos im Raw-Format sind unabhängig von der Kamera immer dieselben. Anstatt den Algorithmen der JPG-Engine im Bildprozessor der Kamera die Konvertierung der aufgenommen Rohdaten ins JPG-Format zu überlassen, kann der Fotograf bei manueller Konvertierung in einer Raw-Software, wie z.B. Adobe Camera Raw, Lightroom oder Capture One, viele Bildparameter auch noch nach der Aufnahme ohne Qualitätsverlust anpassen. Rauschunterdrückung, Weißabgleich, Schärfe, Kontrast und, mit Einschränkungen sogar die Belichtung, können korrigiert werden. Raw-Daten können vor allem in schwierigen Lichtsituationen ein Lebensretter sein, helfen aber auch dabei, natürlichere Bildergebnisse zu erzielen, wenn die Standardeinstellungen der Kamera zu sehr überzeichnen, oder mehrere unterschiedliche Versionen eines Bildes zu erstellen, z.B. zum Drucken und zur Darstellung auf dem Monitor. Es besteht kein Zweifel, dass die Konvertierung von Raw-Daten die Bildqualität eines Digitalfotos verbessern oder zumindest besser an die eigenen Bedürfnisse anpassen kann. Die Frage ist nun, ob das Ganze auf einem Smartphone überhaupt Sinn macht. Hier sind sich die Experten noch uneinig. Einerseits könnte man argumentieren, dass diejenigen Fotografen, die bereit sind, Zeit in die Bearbeitung von Raw-Daten zu stecken, im Normalfall auch ihre Spiegelreflex- oder Systemkamera nutzen. Andererseits weiß man nie, wo und wann man einem tollen Motiv begegnet. Wenn dann nur das Smartphone in der Tasche ist, bietet die Raw-Funktion viel Flexibilität, die den Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem richtig guten Bild ausmachen kann.

Dual-Kameras

Dual-Kameras sind ebenfalls keine Neuheit mehr, aber in diesem Jahr haben sich zwei unterschiedliche Versionen dieses Kameratyps herauskristallisiert, die beide das Potenzial haben, echten Mehrwert zu bieten. Die Kamera im Huawei P9 oder dem Honor 5 nimmt eine Szene gleichzeitig auf einem Farb- und einem Monochromsensor auf. Letzterer kann dank fehlendem Farbfilter feinere Details, besseren Kontrast und eine erhöhte Bilddynamik erzielen. Werden die monochromen Bilddaten mit der Farbinformation des RGB-Sensors kombiniert, kann eine bessere Bildqualität erzielt werden als mit einer konventionellen Kamera.

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Die Dual-Kamera im iPhone 7 Plus

Das LG G5 und das iPhone 7 Plus nutzen eine Dual-Kamera zum optischen Zoomen. Das LG hat neben dem Standardweitwinkelobjektiv ein Superweitwinkel, auf dem iPhone gibt es stattdessen ein leichtes Tele. Das Fehlen eines optischen Zooms ist eine der Haupteinschränkungen von Smartphone-Kameras und kann durch Digitalzoom, der in der Regel zu minderwertigen Ergebnissen führt, kaum wettgemacht werden. Von daher stellen die Lösungen von LG und Apple einen echten Schritt nach vorne dar, der das kreative Spektrum der Mobilfotografie weiter erweitern sollte. Das Konzept der Dual-Kameras steckt noch in den Kinderschuhen und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis wir die ersten Kombinationen der beiden oben genannten Konzepte mit mehr als zwei Kameramodulen sehen werden. Dann wird das Thema Smartphone-Fotografie so richtig spannend werden. Die Light Kamera, die bisher nur als Prototyp existiert, gibt uns mit ihren 16 Sensoren und Objektiven darauf schon einmal einen Vorgeschmack.

Modulare Lösungen

Für viele Smartphonenutzer ist ein elegantes und vor allem dünnes Gehäuse ein wichtiges Kaufkriterium. Leider stehen diese Eigenschaften im direkten Gegensatz zur Kameraqualität. Größere Bildsensoren bieten besseres Rauschverhalten und Bilddynamik. Größere Objektive lassen mehr Licht zum Sensor oder bieten einen Zoom, und auch ein leistungsstarker Xenon-Blitz braucht Platz. Dieses Dilemma kann durch einen modularen Ansatz gelöst werden: Im Alltag trägt man das elegante und schlanke Smartphone in der Tasche. Sind bessere Bildqualität und Kamera-Features gefragt, z.B. beim Besuch eines Events oder auf Reisen, kann ein externes Modul ans Telefon angeflanscht werden.

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Das Hasselblad TrueZoom Modul am Lenovo Moto Z Force Smartphone

Bisherige Ansätze, wie zum Beispiel Sonys QX-Modelle oder die Kodak Pixpro Module, die mit vielen Smartphonemodellen kompatibel sind und per WLAN verbunden werden, hatten leider mit einigen Kinderkrankheiten zu kämpfen, die eine größere Verbreitung verhindert haben. Die Verbindung zum Telefon war oft nicht sicher vor Unterbrechungen und konnte zu Verzögerungen in der Bedienung und Bildübertragung zum Smartphone führen. Lenovo ist der Hersteller, der dieses Jahr dem Thema Kameramodul fürs Smartphone neues Leben eingehaucht hat. Das Hasselblad TrueZoom Kameramodul bietet einen 10-fach Zoom und Xenon-Blitz. Es wird magnetisch ans Smartphone „angeheftet“ und verwandelt dieses im Handumdrehen, ohne Neustart, in eine smarte Reisekamera. Der Hauptnachteil des TrueZoom ist, dass es momentan nur mit den drei Modellen der Lenovo Moto Z Serie kompatibel ist, was einer weiten Verbreitung des Geräts nicht zuträglich sein dürfte. Trotzdem zeigt es, was momentan technisch machbar ist. Richtig spannend könnte es dann werden, wenn sich Samsung oder Apple dem Thema Kameramodul widmen und es einer breiteren Masse schmackhaft machen.

Algorithmen statt Hardware

In normalen Smartphonegehäusen gibt es nicht genug Platz, um große Bildsensoren, Zoomobjektive oder leistungsstarke Blitze unterzubringen. Die Geräte haben jedoch einen entscheidenden Vorteil gegenüber konventionellen Kameras: Rechenpower.

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Die Google Kamera App nutzt sogenanntes Image Stacking zur Verbesserung der Bildqualität

Dank leistungsstarker Prozessoren können moderne Smartphonekameras in Sekundenbruchteilen mehrere Bilder, und damit mehr Bildinformation, aufnehmen und digital verschmelzen. In der Fachsprache nennt sich dieser Prozess Image Stacking. Die resultierenden JPG-Dateien zeigen mehr feine Details, weniger Bildrauschen und eine größere Bilddynamik als Standardaufnahmen. Bei sehr dunklen Motiven ist es zudem möglich eine hellere Belichtung zu erzielen. Apples iPhones nutzen zum Beispiel solche High Dynamik Range und Nacht-Modi, ebenso wie der HDR+ Modus in der Google Kamera App. Auch hier steht die Industrie erst am Anfang der Entwicklung. Bessere Hardware und clevere Programmierkunst werden in den nächsten Jahren weiter zu noch besserer Bildqualität auf dem Smartphone beitragen.

Fazit

Während im Bereich der konventionellen Kameras der Innovationsschwung in den letzten Jahren merklich nachgelassen hat, stehen viele der neuartigen Konzepte des Mobile Imaging noch am Anfang ihrer Entwicklung. Es bleibt abzuwarten welche Technologien sich schlussendlich durchsetzen können, aber eins ist jetzt schon klar: Die Smartphonekameras der Zukunft werden ihre aktuellen Gegenstücke bei Weitem übertreffen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Applepiloten unter CC BY-ND 4.0.


Images by Lars Rehm


ist freiberuflicher Journalist und schreibt für US-, britische und deutsche Medien über Fotografie, Kameras und Technologie im Allgemeinen. Seit 2007 hat er für Dpreview.com unzählige Digitalkameras, Objektive und Zubehör getestet aber nimmt heutzutage einen großen Teil seiner Bilder auch mit dem Smartphone auf. Er ist fasziniert von der hohen Innovationsrate im Mobilsektor und den kreativen Möglichkeiten, die durch Konnektivität und mobile Rechenpower geboten werden. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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