Hat Apple die KI-Revolution verschlafen?

Künstliche Intelligenz ist längst allgegenwärtig. Während viele neue KI-Tools aus dem Boden geschossen sind, integrieren auch etablierte Größen immer mehr KI-Features in ihren Programmen. Doch ausgerechnet Apples Sprachassistenz Siri scheint nun erst ab 2027 ein größeres Update zu erhalten. Hat Apple die KI-Revolution verschlafen oder steckt dahinter ein wohlüberlegter Plan?

Lasst uns einen Blick auf Apples allgemeine KI-Strategie werfen, bevor wir vorschnelle Schlüsse ziehen. Schließlich ist das Technologieunternehmen eher dafür bekannt, Trends zu setzen, aber zugleich auch ein sicheres Erlebnis zu bieten.

Die Hardware: Apple-Geräte mit KI-Chips ausgestattet

Auf Hardware-Seite hat Apple die KI-Revolution nicht verschlafen. Für die Mobilgeräte entwickelt Apple seit 2010 mit dem Apple A4 eigene Chips, seit 2020 mit der M-Serie auch für die Mac-Computer. Mit dem Apple A11 Bionic kam 2017 erstmals der Namenszusatz „Bionic“, der die Einführung von künstlichen Neuronalen Netzen für KI-Funktionen markierte.

Apple setzt also schon länger auf Künstliche Intelligenz, wenn auch zunächst für simplere Features wie die Gesichtserkennung Face-ID. Obwohl der Zusatz Bionic seit dem A17 nicht mehr genutzt wird, sind die KI-Rechenkerne längst nicht mehr aus der A- und M-Reihe wegzudenken. Auch die Smartwatch-Chips nutzen seit dem Apple S9 die Neural Engine für KI-Features.

Die Hardware war also – wie übrigens auch bei vielen anderen Smartphone-Herstellern – bereits für KI-Features ausgelegt und genutzt, bevor die KI-Tools mit ChatGPT den großen Sprung nach vorne gemacht haben.

Apple Intelligence setzt auf Sicherheit & Zuverlässigkeit

Apple geht den KI-Hype allerdings insgesamt entspannter an als viele Konkurrenten. Trotzdem investiert das Unternehmen aber viel Zeit, aber auch Geld in die neue Technologie. Kürzlich kündigte Apple Investitionen von mehr als 500 Milliarden US-Dollar für die nächsten vier Jahre an – allein für die US-Standorte. Das Geld fließt nicht nur, aber zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil auch in die KI-Entwicklung und -Infrastruktur. Dazu gehört auch eine neue Fabrik, die Server bereitstellen soll, die vor allem von Apple Intelligence genutzt werden.

Bei Apple Intelligence handelt es sich um eine KI-Umgebung von Apple, die teils auf den Geräten, teils aber auch über besagte Serverinfrastruktur läuft. Seit iOS 18 ist es ein Bestandteil des Betriebssystems, der aber noch weiterentwickelt wird. Apple Intelligence ist keine einzelne App, sondern wirkt in vielen bestehenden Tools mit. Dazu gehören Schreibwerkzeuge ebenso wie die Fotos-App und sogar ChatGPT wird über Apple Intelligence integriert.

Apple hat die KI-Revolution nicht verschlafen, sondern fährt vor allem eine andere Strategie. Entgegen der sich rasant entwickelnden Konkurrenz setzt Apple nämlich vor allem auf Sicherheit und Zuverlässigkeit. So besteht die Infrastruktur komplett auf eigenen Cloud-Modellen mit eigenen Apple-Servern mit eigener Apple Hardware. Das erlaubt Apple ihre End-to-End-Verschlüsselung optimal umzusetzen, da die komplette Infrastruktur darauf ausgelegt ist.

Auch die KI-Funktionen sind etwas eingeschränkter als bei Konkurrenzprodukten um ein ähnliches Maß an Datenschutz und Zuverlässigkeit zu garantieren. Die Bildgenerierung über Image Playground vermeidet beispielsweise Deepfakes, indem sie keine fotorealistischen Bilder generiert. Dafür gibt es aber zusätzlich Genmoji, ein Tool, um sich praktische Emojis zu generieren.

Dadurch dass Apple Intelligence nicht nur über die Server läuft, ist KI Intelligence nur für neuere Geräte mit aktuellen Chips und Betriebssystem ab iOS 18.1 oder macOS Sequoia 15.1 verfügbar. Auch das sorgt dafür, dass die Antwendungen nur innerhalb des Apple-Ökosystems nutzbar sind.

Apple Siri vs Amazon Alexa – Verzockt sich Apple?

Bei Apples Sprachassistentin Siri läuft Apple aber tatsächlich Gefahr, die KI-Revolution zu verschlafen. Im Newsletter PowerOn schrieb Apple-Experte Mark Gurman von Bloomberg, dass Apple-Mitarbeiter aus der KI-Abteilung ein großes KI-Update für Siri frühestens 2027 mit iOS 20 erwarten. Eine konversationsfähige Siri muss also noch eine Weile auf sich warten lassen. Auch hier könnte reinspielen, dass Apple erst eine größere Server-Infrastruktur aufbauen muss, um eine großflächige KI-Nutzung von Siri ohne Fremd-Server gewährleisten zu können.

Besonders fatal ist allerdings, dass Amazon erst vor kurzem Alexa Plus mit generativer KI für März 2025 angekündigt hat. Auch wenn Alexa Plus erst einmal gut 20 Dollar im Monat kostet, soll die KI-Sprachassistenz für Prime-Kunden zunächst kostenlos nutzbar sein. Bedenkt man die rasante Entwicklung der letzten Jahre, sind 2 Jahre ein enormer Abstand, in der die Konkurrenz diesen Marktsektor bereits erobert.

Allerdings ist es kein Feature, auf das Apple zwangsläufig angewiesen ist. Auch sorgt das für sich sehr isolierte Ökosystem der Apple-Produkte, dass man innerhalb diesem auch in 2 Jahren noch gut ausbreiten kann.  

Start-Ups kaufen um Lücken zu schließen?

Bereits im Oktober schrieb Mark Gurman in einer Ausgabe seines Newsletters, dass Apple der KI-Konkurrenz gut 2 Jahre hinterher hinkt. Allerdings wies er auch darauf hin, dass Apple eine Geschichte hat hinterherzuhinken und trotzdem erfolgreich zu sein. In der Tat war Apples iPhone nicht das erste Smartphone, sondern das, was Smartphones erstmals wirklich sexy machte.

Als eine Möglichkeit aufzuholen benennt Gurman auch die Übernahme von Unternehmen, um deren fortgeschrittene KI-Lösungen zu übernehmen. Auch wenn keine unübliche Geschäftspraktik, dürfte das für Apple auch nicht so viel weiterhelfen. Das Unternehmen setzt bewusst auf Privacy-First und eine dafür auf eine Infrastruktur, die komplett in eigener Hand ist. Selbst wenn sich Apple KI-Vorreiter an Land zieht, müssten deren Lösungen auch erst so in das Ökosystem integriert werden, dass sie den hohen Privacy-Ansprüchen gerecht wird.

Bewährungsprobe für das Ökosystem – Geht Apples KI-Strategie auf?

Für Apple stehen Schicksalsjahre bevor. Während die Konkurrenz das Gaspedal durchtritt, setzt das Unternehmen aus Cupertino auf bewährte Stärken. Die Besonnenheit könnte sich diesmal allerdings rächen.

Apple legt sich damit nämlich auch selbst an die kurze Leine. Offenbar ist das Unternehmen schon jetzt gegenüber der Konkurrenz stark im Hintertreffen. Zusätzlich kann Apple durch die eigenen Auflagen aber auch nicht so viele Trainingsdaten sammeln. Die Lücke wird also eher größer als kleiner und so hätte Apple die KI-Revolution wohl wirklich verschlafen.

Aber muss Apple unbedingt mithalten? Für alle denen die KI-Entwicklung nicht schnell genug gehen kann gibt es genug Unternehmen, die alles gnadenlos auf Künstliche Intelligenz umstellen. Mit dem starken Privacy-Fokus bleibt Apple auch weiter für KI-Kritiker und vorsichtige Nutzern interessant. Beides Zielgruppen, die man im Hype nicht außer Acht lassen sollte. Sich stattdessen auf die bereits vorhandenen Stärken ihrer Produkte zu setzen könnte so auch ein Wettbewerbsvorteil werden.

Apple macht sich so außerdem auch für den europäischen Markt sehr interessant. Die EU hat mit dem AI Act die bislang strengsten Regeln für Künstliche Intelligenz beschlossen. Diese sollten für Apples Ansatz deutlich weniger problematisch sein. Probleme macht das geschlossene System eher für die Auflagen des ebenfalls EU-weiten Digital Markets Recht.

Das geschlossene System ist aber auch ein Joker, wenn Apple die eigenen KI-Lösungen verzögert rausbringt. Auch wenn die Konkurrenz große Teile des Marktes für sich beansprucht: Im eigenen Ökosystem kann Apple neue Features immer prominent platzieren. Ob das reicht wird wohl auch stark davon abhängen, ob die Markentreue der Kunden auch den KI-Hype aushält.


Image by Medhat Dawoud via Unsplash 

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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