Die Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft bezeichneten wir 2023 als ein mächtiges Beben in der Gaming-Landschaft. Mit der angekündigten Electronic Arts-Übernahme erschüttert uns erneut ein Beben. Der Deal stellt mit 55 Milliarden US-Dollar zwar keinen neuen Rekord auf, lässt aber politisch aufhorchen. An der Übernahme sind der saudi-arabische Stattsfonds PIF, Silver Lake und Affinity Partners beteiligt.
Saudi-Arabien investiert bereits seit vielen Jahren Milliardenbeträge, um sich die bedeutendsten Sport-Ereignisse und Gaming-Events ins Land zu holen. Affinity Partners ist dagegen die Firma des US-amerikanischen Investors Jared Kushner. Dieser ist zudem auch der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump. Als Leveraged Buyout verlässt Electronic Arts damit außerdem die Börse.
Schauen wir uns die genannten Kritikpunkte also mal genauer an. Außerdem gibt es auch eine kleine Rest-Chance, dass der Deal noch gekippt wird. Aber ist die Übernahme tatsächlich noch ein großes Ding in der aktuellen Gaming-Branche?
Saudi Arabien: Zwischen Sportswashing und kulturellem Wandel
Schon im Rahmen der Vergabe der ersten Olympischen Esports-Spiele an Saudi-Arabien haben wir das intensive Sportswashing des Landes aufgegriffen. Der Begriff steht für das Reinwaschen des Rufes durch sportliche Veranstaltungen. Dadurch sieht man in der Wahrnehmung von außen über andere Umstände eines Landes hinweg.
Mittlerweile hat Saudi-Arabien die ehemals größte Golf-Organisation PGA geschluckt und Wrestlemania findet 2027 erstmals außerhalb der USA statt. Der mit Abstand bestbezahlteste Fußballspieler Christiano Ronaldo spielt auch in Saudi-Arabien. Das ebenfalls aus dem Staatsfonds PIF bezahlte Gehalt dürfte dabei weniger eine Investition in die sportliche Zukunft des Vereins sein, als in die Reichweite auf Social Media. Allein auf Instagram sind das 665 Millionen Follower. Mit Neymar und und Karim Benzema spielen auch die dritt- und vierthöchst bezahlten Fußballer in der saudischen Liga.
Im Esports mischt Saudi-Arabien zudem nicht nur durch die ersten Olympischen Esport-Spiele mit. 2022 kaufte man sich für eine Milliarde US-Dollar die Electronic Sports League. Das entstehende Vergnügungsviertel Qiddiya soll mit gleich 4 extra dafür gebaute Hallen zum Esports-Hub der Welt werden.
Da passt die Electronic Arts-Übernahme sehr gut ins Gesamtbild, schließlich gehört dem Publisher unter anderem das erfolgreiche Battle Royale-Shooter Apex Legends. Auch abseits des Esports ist aber großes Potential, etwa über die Sportspiele oder bekannte Marken wie Die Sims. Kürzlich veröffentlichte Ubisoft auch ein riesiges kostenloses Update für Assassins Creed Mirage mit komplett neuer Umgebung. Dass das neue Gebiet al-‚Ula im heutigen Saudi-Arabien liegt, fällt dabei wohl nicht zufällig mit einer Finanzspritze zusammen – erneut aus dem saudi-arabischen Staatsfonds.
Chance für kulturellen Wandel
Auf der Gegenseite argumentiert man damit, wie schnell sich das Land der Welt öffnet. Das lässt sich auch schwer bestreiten. Das will den Tourismus aus dem Westen und fährt dafür groß auf. Neben den besagten Events und dem E-Sport entstehen in Qiddiya auch riesige Vergnügungsparks. Das Six Flags Qiddiya City baut mehrere Rekord-Achterbahnen und ein großer Dragonball-Themenpark wird von einer 70 Meter hohen Statue des Drachen Shenlong dominiert.
Der Tourismus und die massive mediale Aufmerksamkeit führen unweigerlich zu einer schnelleren Adaption moderner Werte, als wenn das Land kulturell isoliert bliebe. Außerdem steckt dahinter auch eine Dringlichkeit, weil das Land sich für die Zeit nach dem Erdöl rüstet. Immerhin: Von 2024 auf 2025 verbesserte sich das Land im Pressefreiheits-Ranking der Reporter ohne Grenzen um 4 Plätze auf Rang 162 von 180 Ländern. Das ist aber noch immer weit von dem modernen Bild entfernt, dass man nach außen zeigt.
Dafür dass ein gesellschaftlicher Wandel oft mehrere Generationen benötigt, bewegt sich unter Kronprinz Mohammed bin Salman vieles. Dass Frauen seit 2018 Auto fahren und auch anderen Aktivitäten nachgehen dürfen ist ein großer Fortschritt, aber dennoch widersprüchlich zur Unterdrückung in vielen anderen Bereichen. Zudem soll der Kronzprinz den Mord am Regierungskritischen Journalisten Jamal Kashoggi 2018 selbst angeordnet haben. Es ist das prominenteste Beispiel der Dinge, die durch „Brot und Spiele“ verdeckt werden sollen.
Auch China investiert massiv ins Gaming
Mit der massiven Investition in moderne Märkte ist Saudi-Arabien jedoch nicht allein. Auch China hat sich längst im internationalen Gaming-Markt etabliert. Vor allem der Internetriese Tencent mischt mittlerweile stark mit. Das Unternehmen kaufte 2015 Riot Games auf, nachdem es 2008 bereits 22,34% Anteile erwarb. Riot Games ist vor allem für das MOBA League of Legends bekannt – also auch eine Investition in den E-Sport. Auch Funcom (Conan Exiles) und Grinding Gear Games (Path of Exile) gehören mittlerweile dem chinesischen Internet-Riesen. Mit 48 Prozent hält Tencent zudem auch signifikante Anteile an Epic Games (Fortnite).
Trotzdem ist die Entwicklung in China organischer. Das Land hat zwar eine Zeit lang viel Technologie kopiert, aber trotzdem einen ganz eigenen Markt aufgebaut mit vielen erfolgreichen Apps, die wir in Europa kaum kennen. Über 30% der weltweiten Mobile Games-Umsätze generiert der chinesische Markt. Tencent QQ ist zudem der verbreitetste Instant-Messenging-Dienst in Asien. Im Technologie-Markt ist man schon längst Innovationstreiber statt Copycat. Bei dxomark belegen chinesische Smartphones etwa die (stand Oktober 2025) die ersten beiden Plätze der besten Kameras.
Auch in China gibt es immer wieder Kritik, dass Informationen von Unternehmen an Regierungsorgane weitergegeben werden. Hinter den Unternehmen steckt trotzdem auch eigene Interessen. Sie wollen den Markt dominieren, ihn von China und Asien in den Rest der Welt erweitern. Ein Staatlicher Fonds, dessen Vorsitzender der Kronprinz ist, hat dagegen wohl eher andere Interessen.
Jared Kushner – Trumps Schwiegersohn beteiligt
Nicht weniger dubios am Deal ist auch die Beteiligung des amerikanischen Finanzinvestors Jared Kushner. Kushner, der Schwiegersohn des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, ist längst mehr als nur ein politischer Vertrauter aus der Ära Trump – er ist inzwischen ein global agierender Investor mit einem engen Draht nach Saudi-Arabien.
Seine 2021 gegründete Investmentfirma Affinity Partners spielt eine zentrale Rolle im geplanten 55-Milliarden-Dollar-Deal zur Electronic Arts-Übernahme. Das brisante daran: Affinity wird ebenfalls zu einem großen Teil durch Gelder des saudischen Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) finanziert.
Kushners Nähe zu diesem Geld ist nicht neu. Der PIF investierte 2 Milliarden US-Dollar in Affinity Partners – nur wenige Monate nachdem Kushner das Weiße Haus verlassen hatte. In seiner Amtszeit der ersten Trump-Regierung war Kushner maßgeblich an US-Nahostpolitik beteiligt. Ein Bericht des Finanzausschusses des US-Senats vom September 2024 merkt an, dass es innerhalb des PIF Vorbehalte gegen die Investition gab. Interne Berater hielten Kushners Fonds für unerfahren und warnten vor möglichen Reputationsrisiken. Dennoch genehmigte Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich die Transaktion. Für viele Beobachter markierte dieser Vorgang den Beginn einer besonders engen finanziellen und politischen Verflechtung zwischen Kushner und Riad.
Seither steht Affinity Partners immer wieder im Zentrum von Interessenkonflikt-Debatten. Der selbe Bericht stellte fest, dass Kushners Fonds bisher kaum nennenswerte Renditen erzielt, aber bereits über 150 Millionen Dollar an Gebühren eingenommen habe – darunter mehr als die Hälfte aus Saudi-Arabien. Senator Ron Wyden sprach von einem „beispiellosen Interessenkonflikt“, da ein ehemaliger Regierungsberater nun durch Gelder einer ausländischen Regierung profitiere, mit der er zuvor als politischer Entscheidungsträger verhandelt hatte.
Silver Lake: Der stille Machtfaktor hinter der Electronic Arts-Übernahme
Während Jared Kushner politische Aufmerksamkeit auf sich zieht, agiert der kalifornische Private-Equity-Riese Silver Lake als strategischer Motor der EA-Übernahme. Mit über 100 Milliarden US-Dollar verwaltetem Kapital zählt Silver Lake zu den einflussreichsten Investoren der globalen Tech- und Unterhaltungsindustrie – mit Beteiligungen an Endeavor (UFC, WWE), Dell Technologies, der City Football Group (Manchester City) und dem Madison Square Garden Sports-Konzern.
Auch Silver Lakes hat dabei enge Verbindung zum saudischen Staatsfonds PIF, der ebenfalls Teil des Konsortiums ist. Schon bei der City Football Group und bei Endeavor arbeiteten beide zusammen – eine Allianz, die westliches Finanz-Know-how mit autoritärem Staatskapital verbindet. In dieser Kombination liegt die eigentliche Machtverschiebung des EA-Deals: Private Equity liefert Struktur und Legitimation, der PIF das nahezu unbegrenzte Kapital.
Offiziell soll der Buyout Electronic Arts „unternehmerische Freiheit“ geben. De facto ermöglicht er eine noch stärkere Monetarisierung digitaler IPs und verlagert Kontrolle von Entwicklern und Öffentlichkeit hin zu Fondsmanagern.
Drohen autoritäre Einmischungen der USA in die Unternehmenspolitik?
Bei der Electronic Arts-Übernahme darf man allerdings nicht nur allein auf die Situation in Saudi-Arabien schauen. Während sich der Wüstenstaat zumindest in einigen Bereichen sichtbar öffnet, entwickeln sich die USA in entgegengesetzte Regeln. Trump regiert, wie er Geschäfte eintütet und hatte bereits zu seiner Amtseinführung fast alle Größen der Tech und Internet-Industrie in der ersten Reihe sitzen.
Die US-Politik übt dabei zunehmend Druck auf Unternehmen aus. Auch wenn man über die Umsetzung von Diversity in Medien streiten kann, ist Trumps Kriegszug gegen Diversity, equity, and inclusion (DEI) mehr als besorgniserregend. Viele Unternehmen haben ihre DEI-Initiativen beendet oder zumindest für den US-Markt angepasst um politischen Risiken zu entgehen. Das ist für eine Nation, die sich in ihrer Hymne prominent als „Land of the Free“ bezeichnet, ist der aktuelle Wandel beschämend. Die Beteiligung Jared Kushners aber auch Silver Lakes könnte Electronic Arts auch regierungshöriger in der Unternehmenspolitik machen.
Kann die Electronic Arts-Übernahme noch platzen?
Offiziell ist der 55-Milliarden-Dollar-Deal zwischen Electronic Arts, dem saudischen Staatsfonds PIF, Jared Kushners Affinity Partners und Silver Lake „vereinbart, aber noch nicht vollzogen“. Das bedeutet: Das Closing steht unter dem Vorbehalt einer Reihe von Prüfungen – und genau dort könnte der Megadeal ins Wanken geraten.
In den USA ist vor allem das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) am Zug. Dieses Gremium prüft, ob ausländische Beteiligungen nationale Sicherheitsinteressen gefährden. Normalerweise konzentriert sich CFIUS auf Sektoren wie Energie, Infrastruktur oder Halbleiter – doch im Fall Electronic Arts geht es um etwas, das Washington zunehmend ernst nimmt: kulturelle und datenbasierte Soft-Power. Die US-Federal Trade Commission (FTC) könnte den Deal außerdem als marktbeherrschend oder strukturell undurchsichtig einstufen. Sie könnte so Auflagen oder sogar ein Veto empfehlen.
Die Nähe zwischen PIF-Chef Mohammed bin Salman und Jared Kushner hat zudem politische Sprengkraft: Demokratische Abgeordnete im Kongress verlangen, dass der CFIUS-Prüfprozess öffentlich gemacht wird, um mögliche Interessenkonflikte zu beleuchten. Allerdings würde es nicht wundern, wenn Präsident Trump entscheidend ein greift, um die Electronic Arts-Übernahme durchzubringen.
Somit liegen die Chancen wohl höher bei internationalen Regulierungen. Auch in der EU, Großbritannien und Australien dürfte der Zusammenschluss geprüft werden, da EA in diesen Märkten eine dominante Position hält. Besonders Brüssel könnte Bedenken anmelden, wenn durch den Rückzug von der Börse Transparenz- und Arbeitsstandards unterlaufen werden.
Ein vollständiges Scheitern gilt derzeit als unwahrscheinlich. Es wäre allerdings ein politisches Beben – nicht nur für den Gaming-Sektor, sondern für die gesamte US-Kulturwirtschaft. Die entscheidende Frage lautet dennoch weniger, „ob“ EA privatisiert wird, sondern “zu welchen Bedingungen?“.
Image by King_of_Hearts (CC BY-SA 3.0)
Artikel per E-Mail verschicken
