Trumps Krieg gegen DEI

Donald Trumps zweite Amtszeit ist bereits im ersten Jahr deutlich radikaler als seine erste. Der US-Präsident will seine eigene Agenda durchsetzen und pflügt dabei wild mit der politischen Axt durch die Weltpolitik. Mittlerweile wollte er bereits mehrere Länder, darunter auch Nachbar Kanada, annektieren, veranschlagt absurde Zölle, die selbst vor Pinguinen nicht halt machen, benannte den Golf von Mexico um und entwürdigte Staatschefs medienwirksam vor laufender Kamera im weißen Haus. Selten hat sich ein Land in kurzer Zeit derart in seiner Außenwahrnehmung geschadet. Der Tourismus in die USA ist massiv eingebrochen und auch US-Autos verkaufen sich in Europa zunehmend schlechter – Allen voran Tesla.

Doch während Trump sich selbst als den einzig wahren Friedensbringer zelebriert, führt der US-Präsident einige Kriege – darunter auch gegen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) . Dies galt in den letzten Jahren in vielen Unternehmen als selbstverständliche Bestandteile moderner Unternehmenskultur. Vor allem in den USA wurden nach der Black-Lives-Matter-Bewegung 2020 zahlreiche Programme zur Förderung benachteiligter Gruppen ins Leben gerufen, Trainings zur unbewussten Voreingenommenheit durchgeführt und DEI-Abteilungen aufgebaut. Donald Trump geht mit scharfer Rhetorik gegen die DEI-Kultur vor und US-Unternehmen folgen seinen Dekreten.

Was auf den ersten Blick wie ein rein amerikanisches Phänomen erscheinen mag, hat längst internationale Auswirkungen: Multinationale Konzerne mit Sitz in den USA oder starker Präsenz auf dem dortigen Markt passen ihre DEI-Strategien an – oder ziehen sich stillschweigend zurück. Auch europäische Unternehmen, darunter deutsche DAX-Konzerne, geraten dadurch unter Druck.

Was bedeutet DEI eigentlich?

Hinter dem Kürzel DEI verbergen sich drei Begriffe, die in vielen Unternehmen längst zum Standardvokabular gehören: Diversity (Vielfalt), Equity (Gerechtigkeit) und Inclusion (Einbeziehung). Doch was auf den ersten Blick nach gutgemeinter Unternehmensethik klingt, ist in Wahrheit ein tiefgreifender Wandel in der Arbeitswelt – und zunehmend ein politischer Zankapfel.

Diversity steht für die Anerkennung und Förderung von Vielfalt in Bezug auf Geschlecht, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion, Alter, Behinderung und weitere Merkmale. Unternehmen sollen nicht nur „diverser“ werden, sondern aktiv dafür sorgen, dass bisher benachteiligte Gruppen Zugang zu Chancen und Führungspositionen erhalten.

Equity – im Deutschen oft mit „Chancengerechtigkeit“ übersetzt – geht über formale Gleichbehandlung hinaus. Es bedeutet, strukturelle Ungleichheiten zu erkennen und durch gezielte Maßnahmen auszugleichen. Während „Equality“ allen das Gleiche bietet, zielt „Equity“ darauf, dass alle mit vergleichbaren Voraussetzungen ins Rennen gehen.

Inclusion meint die bewusste Gestaltung eines inklusiven Umfelds, in dem sich alle Mitarbeitenden gehört, wertgeschätzt und eingebunden fühlen – unabhängig von ihren individuellen Hintergründen. Es geht dabei nicht nur um Repräsentation, sondern um tatsächliche Teilhabe und kulturellen Wandel.

USA als große Treibkraft der öffentlichkeitswirksamen Diversity

DEI wurde in den USA vor allem nach der Ermordung von George Floyd 2020 und der daraus folgenden Black-Lives-Matter-Bewegung zu einem zentralen Thema für Unternehmen. Konzerne richteten Chief Diversity Officer-Positionen ein, verabschiedeten interne Leitlinien gegen Diskriminierung und betonten öffentlich ihr Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit.

Doch DEI kann mehr als nur PR. Studien zeigen, dass vielfältige Teams kreativer, produktiver und innovationsfreudiger sind. Für viele Unternehmen wurde DEI so auch ein betriebswirtschaftlicher Faktor – etwa bei der Gewinnung junger Talente, bei ESG-Ratings oder der Positionierung auf internationalen Märkten.

Trotzdem (oder gerade deshalb) ist DEI heute politisch umkämpft. Während progressive Stimmen DEI als längst überfälligen Schritt hin zu mehr Fairness sehen, wittern konservative Kräfte darin eine ideologische Agenda. Die Umsetzungen taten das ihrige. US-typisch wurde die Agenda oft mit dem Dampfhammer durchgesetzt, dass in vielen Medienproduktionen etwa der Eindruck entstand, dass die Diversity viel wichtiger war als die Qualität der Serien und Filmen. Am Ende waren es dann aber die Darsteller*innen, die den ungefilterten Hass aus dem Netz abbekamen. Auch das heizte die Debatten auf anderer Seite wieder an.

Genau an diesem Punkt setzt der Angriff von Donald Trump und Teilen der US-Rechten an.

Trumps politischer Angriff auf DEI

Donald Trump hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er mit progressiven gesellschaftspolitischen Strömungen wenig anfangen kann. Doch was in seiner ersten Amtszeit zunächst als kulturkämpferische Rhetorik begann, nahm spätestens im Herbst 2020 konkrete Formen an: Mit der Executive Order 13950 unterband Trump jegliche Bundesförderung für Organisationen und Unternehmen, die in Schulungen sogenannte „spalterische Inhalte“ vermittelten – insbesondere solche, die auf strukturellen Rassismus, weiße Privilegien oder intersektionale Diskriminierung hinwiesen.

Ziel dieser Order war es, DEI-Trainings in Bundesbehörden, bei Auftragnehmern und in subventionierten Organisationen zu unterbinden. Die Begründung: Solche Programme seien „anti-amerikanisch“, spalten die Gesellschaft und würden Weiße und Männer diskriminieren. In der Praxis sorgte der Erlass für ein Klima der Verunsicherung. Unternehmen, die mit der Bundesregierung kooperierten, mussten ihre Inhalte überarbeiten, Schulungen absagen oder interne Programme einfrieren – aus Angst vor rechtlichen oder finanziellen Konsequenzen.

Zwar wurde die Order Anfang 2021 von Joe Biden unmittelbar nach seinem Amtsantritt wieder aufgehoben, doch Trumps Haltung hat nachhaltige Wirkung entfaltet. Sein kulturpolitischer Kreuzzug gegen alles, was als „woke“ gilt, ist heute zum zentralen Bestandteil konservativer Strategie geworden. Republikanische Gouverneure wie Ron DeSantis in Florida haben ähnliche Maßnahmen auf bundesstaatlicher Ebene eingeführt – etwa Gesetze, die es Bildungseinrichtungen untersagen, über „Critical Race Theory“ oder „White Privilege“ zu sprechen.

Diese Offensive beschränkt sich nicht mehr nur auf Bildung und Verwaltung. Auch in der Wirtschaft gerät DEI zunehmend unter Beschuss. Rechte Aktivistengruppen verklagen Unternehmen wegen angeblicher Diskriminierung weißer Bewerber*innen, Konservative lancieren Boykottaufrufe gegen Firmen, die sich offen zu Vielfalt oder Pride bekennen. Besonders stark ins Kreuzfeuer gerieten dabei die Kampagnen von Bud Light und Target. Parallel dazu verbreiten rechte Medien die Erzählung, DEI führe zur Einstellung unqualifizierter Kandidatinnen, schade der Leistungskultur und untergrabe die „wahre Meritokratie“.

Trump nutzte diese Narrative strategisch: Im Wahlkampf 2024 inszeniert er sich erneut als Kämpfer gegen „linke Indoktrination“, „Gender-Ideologie“ und „Rassismus gegen Weiße“. DEI wird dabei bewusst mit Begriffen wie „Critical Race Theory“, „Genderwahn“ oder „kulturelle Marxisten“ vermischt – ein diffuser Feind, der konservative Wähler emotional mobilisiert.

Trumps 2. Amtszeit startet den Feldzug

Mit seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar 2025 hat Donald Trump einen umfassenden Feldzug gegen Programme zur Förderung von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) gestartet. Bereits am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit unterzeichnete er mehrere Executive Orders, die darauf abzielten, sämtliche DEI-Initiativen innerhalb der Bundesregierung zu beenden. Dazu gehörte die Executive Order 14151, die die Abschaffung aller DEI-bezogenen Programme und Positionen in Bundesbehörden anordnete.

Ein weiterer Schritt war die Executive Order 14173, die das seit 1965 bestehende Executive Order 11246 aufhob. Dieses hatte Bundesauftragnehmer verpflichtet, Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder nationaler Herkunft zu vermeiden und affirmative Maßnahmen zur Förderung benachteiligter Gruppen zu ergreifen. Durch die Aufhebung wurden diese Anforderungen beseitigt, was zu einer erheblichen Veränderung in den Einstellungs- und Beförderungspraktiken von Unternehmen führte, die mit der Bundesregierung zusammenarbeiten.

Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind weitreichend: Zahlreiche DEI-Beauftragte und -Abteilungen in Bundesbehörden wurden aufgelöst, und Mitarbeiter, die an DEI-Initiativen beteiligt waren, wurden entlassen oder in andere Positionen versetzt. Unternehmen, die Bundesverträge erhalten oder mit der Regierung zusammenarbeiten, sehen sich so zunehmend unter Druck, ihre DEI-Programme zu überdenken oder einzustellen, um weiterhin geschäftlich tätig sein zu können. Der Supreme Court der USA hat kürzlich zudem einstimmig entschieden, dass sogenannte „Reverse Discrimination“-Klagen, bei denen Mitglieder von Mehrheitsgruppen Diskriminierung geltend machen, erleichtert werden sollen. Dies könnte zu einer Zunahme von Klagen gegen DEI-Initiativen führen.

Auch Europäische Unternehmen mit Niederlassungen in den USA oder Geschäftsbeziehungen zur US-Regierung überdenken ihre DEI-Strategien, um rechtlichen und finanziellen Risiken zu entgehen. Dies führt zu einer globalen Debatte über die Rolle von Diversität und Inklusion in der Unternehmensführung.

Die Reaktionen großer US-Unternehmen

Die politischen Maßnahmen der Trump-Administration gegen Programme zur Förderung von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) haben weitreichende Auswirkungen auf die Unternehmenslandschaft in den USA. Viele Unternehmen sehen sich gezwungen, ihre DEI-Initiativen zu überdenken oder anzupassen, um rechtlichen und politischen Risiken zu entgehen.

Zahlreiche große US-Unternehmen haben ihre DEI-Programme zurückgefahren oder neu ausgerichtet. Beispielsweise hat PepsiCo seine DEI-Ziele für die Belegschaft beendet und die Rolle des Chief DEI Officer in eine breitere Position für Mitarbeiterengagement und Führungsentwicklung überführt. Diese Änderungen stehen im Einklang mit dem Druck der Trump-Administration, DEI-Initiativen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor zu beenden.

Auch Google hat seine Diversity-Einstellungsziele abgeschafft und überprüft einige seiner DEI-Initiativen. Selbiges gilt auch für Facebook-Mutterkonzern Meta und den Onlineshop-Gigant Amazon – Unternehmen deren bekannte CEOs auch bei Trumps Amtseinführung unheilvoll vereint in der ersten Reihe standen.

Die Rücknahme von DEI-Initiativen hat aber auch zu Kritik von verschiedenen Seiten geführt. Ben Cohen, Mitbegründer von Ben & Jerry’s, warf der amerikanischen Unternehmenswelt beispielsweise vor, sich dem politischen Druck zu beugen und DEI-Initiativen aus Opportunismus zurückzunehmen. Er bezeichnete dies als „Appeasement“, das die Gegner von DEI bestärke. Auch Apple und Microsoft halten an ihren DEI-Programmen fest und betonen deren Bedeutung für Geschäftserfolg, Mitarbeiterzufriedenheit und soziale Verantwortung.

Einige Unternehmen versuchen, ihre DEI-Bemühungen zumindest unter neuen Begriffen fortzusetzen. So hat der große Finanzdienstleister USAA den Begriff „DEI“ durch „belonging“ („Zugehörigkeit“) ersetzt, um weiterhin ein diverses Umfeld zu fördern, ohne in Konflikt mit den neuen politischen Richtlinien zu geraten.

Die Rücknahme von DEI-Initiativen hat bereits Auswirkungen auf das öffentliche Image von Unternehmen. Target beispielsweise sah sich nach der Reduzierung seiner DEI-Politik mit einem Rückgang der Kundenloyalität konfrontiert. Die Entscheidung führte zu einem Rückgang der Aktienkurse und einem überarbeiteten Verkaufsprognose.

Auswirkungen auf internationale Konzerne

Die aggressive Anti-DEI-Politik der Trump-Administration hat aber nicht nur in den USA, sondern auch international erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen. Multinationale Konzerne mit Geschäftsbeziehungen in den USA sehen sich zunehmend gezwungen, ihre Diversity-, Equity- und Inclusion-Strategien anzupassen oder gar zurückzufahren, um rechtlichen und politischen Risiken zu entgehen. Die US-Regierung hat europäischen Unternehmen, die mit der US-Regierung Geschäfte machen, mitgeteilt, dass sie sich an die neuen Anti-DEI-Richtlinien halten müssen, selbst wenn sie außerhalb der USA ansässig sind.

Einige europäische Unternehmen mit starker Präsenz in den USA haben bereits begonnen, ihre DEI-Initiativen zu überdenken. So hat der deutsche Softwarekonzern SAP seine globalen Ziele zur Förderung von Frauen in Führungspositionen angepasst, um den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen in den USA gerecht zu werden. Ein Sprecher von SAP erklärte, dass diese Änderungen notwendig seien, um „rechtlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen und ein sicheres sowie integratives Arbeitsumfeld zu gewährleisten“.

Auch andere europäische Unternehmen wie Santander und Institutional Shareholder Services (ISS) entscheiden sich dagegen für einen zweigleisigen Ansatz. Während in Europa weiterhin Diversity-Ziele verfolgt werden, wurden diese in den US-amerikanischen Geschäftsbereichen zurückgenommen, um Konflikte mit der US-Regierung zu vermeiden.

Doch nicht alle europäischen Akteure beugen sich dem Druck aus den USA. Die Stadt Stockholm beispielsweise lehnte eine Aufforderung der US-Botschaft ab, DEI-Programme in Übereinstimmung mit der US-Politik einzustellen. Der stellvertretende Bürgermeister von Stockholm bezeichnete die Anfrage als „bizarr“ und betonte, dass die Stadt ihre Gleichstellungs- und Inklusionspolitik beibehalten werde.

Eine Zukunft für Gleichstellung – trotz Rückschlägen?

Trumps Macht über die US-amerikanischen Tech-Riesen ist allerdings nicht in Stein gehauen. Versammelte Trump zu seiner Vereidigung noch die größten Business-Persönlichkeiten in der ersten Reihe, kam es kürzlich zum eigentlich schon lange erwarteten Bruch zwischen Trump und seinem besten Wahlkampf-Buddy Elon Musk. Dieser drohte sogar direkt mit der Gründung einer eigenen Partei. Dadurch entsteht eine neue Instabilität, die Unternehmen nutzen können, um sich von Trump loszureißen.

Viele der in den letzten Jahren aus dem Boden gestampften DEI-Initiativen waren allerdings auch mehr Symbolpolitik: Pressetermine, bunte Kampagnen, interne Zielquoten ohne strukturelle Konsequenz. Die Trump-Politik demaskiert diese Unternehmen jetzt: Ist Vielfalt nur ein Imageinstrument – oder ein ernstes Anliegen?

Die Gleichstellungsbewegung steht an einem Scheideweg. Die Phase der wohlklingenden Versprechen ist vorbei – und das ist womöglich eine gute Nachricht. Denn wer jetzt an DEI-Kampagnen festhält, tut es nicht aus Pflichtgefühl oder PR-Kalkül, sondern aus Überzeugung. Sie verbinden Inklusion mit konkreten Zielen: bessere Teamleistungen, innovationsfördernde Perspektivenvielfalt, nachhaltige Rekrutierung von Talenten in einem globalisierten Arbeitsmarkt. Diese Unternehmen werden ihre Programme nicht aufgeben – sondern anpassen, professionalisieren, gegen ideologische Angriffe absichern.

Besonders in Europa – und in Deutschland – zeigt sich zudem, dass Gleichstellung noch immer breite gesellschaftliche Unterstützung findet. Auch wenn der politische Druck aus den USA spürbar ist, halten viele Unternehmen und Institutionen an ihren Programmen fest. Auch die EU ist noch nicht vor den US-amerikanischen Forderungen eingeknickt und halten weiter an ihrer Kommission für Vielfalt und Inklusion fest. Städte wie Stockholm und Berlin positionieren sich zudem explizit gegen US-Einflüsse auf ihre Gleichstellungspolitik. Zusammen mit regulierenden Gesetzen zu digitalen Märkten und Künstlicher Intelligenz positioniert sich die EU ohnehin zunehmend eigenständiger von den USA und mit starken Bekenntnissen zu demokratischen Werten. Die geschädigten transatlantischen Beziehungen sind eine Herausforderung für Europa, sind zugleich aber auch eine große Chance zur Emanzipation.


Image via ChatGPT (KI-generiert)

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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