Die Polizei und KiPo, das Gute und das Böse

Seit Jahr und Tag laufen die Gutmenschen Edlen durchs Land und propagieren Verbotsschilder und Netzsperren. Die Kriminalität im Internet. Es ist von rechtsfreien Räumen die Rede und manchmal schwingt sich jemand auf, die in eine der reichsten deutschen Familien eingeheiratet hat, im Qualitätssender RTL die Täter zu stellen. Dieses Thema kennt nur die Guten und die Bösen. Endlich mal etwas, was der mentalen Belastungsgrenze des deutschen Stammtisches angemessen ist.

Aber wie sieht es aus, wenn man in medias res geht. Denn seltsamerweise ist weder die Sauberkeit, noch die Höflichkeit und auch nicht der Reichtum dieses Landes am Stammtisch entstanden. Im BKA tummeln sich 6 Vollzeitäquivalente zum Thema Löschen von Kinderpornoseiten. Das macht bei 5000 Beschäftigten gerade mal ein gutes Promille aus. Offenbar ist den Sonntagsrednern und ihren Gattinen nicht klar, dass der Abbau des Sozialstaats nicht nur Integrationsunfähige produziert sondern auch eine riesige Brache an unbeobachteten Feldern der Kriminalität. Und es nützt nichts, den perspektivlosen Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß ihre einzigen Chance auf Anerkennung (innerhalb der peergroup) als Dämonie unterzuschieben. Und es nützt auch nichts, wenn das Fräulein vom ehemals unbekannten und wenig beruflich profiliertem Fürsten so eben mal ein paar Pädophile vom Chat ins wahre Leben lockt.

Es wäre gut, wenn den Politikern klar würde, dass Infrastruktur nicht aus den Gläubigern der öffentlichen Banken, ein paar Bahnhöfen und Flughäfen besteht sondern aus einem funktionierenden Gemeinwesen. Dazu gehört auch, dass sich genug Menschen mit dem Leid dieser Kinder auseinandersetzen können. Das umfasst Ermittler, eine schlagkräftige Truppe an IT-Spezialisten, die die Spuren verfolgen und für das Löschen der Serverfestplatten sorgen. Denn „Löschen vor Sperren“ klappt nur, wenn auch jemand anwesend ist und auf genug personelle und technische Ressourcen zurückgreifen kann. All das erinnert intensiv an die Tatsache, dass wir milliardenschwere Abfangjäger haben, die zu gefährlich zum Fliegen mit scharfen Bomben sind, weil sie nicht so richtig zuverlässig sind. Und am Boden in Afghanistan kaufen die Soldaten sich ihr Equipment von ihrem Sold, damit sie wenigstens ein bißchen den Eindruck haben, über eine durchschnittliche Ausstattung zu verfügen. Noch besser wäre es allerdings, die Afghanen würden echte Hilfe erhalten. Denn auch dort geht „Löschen vor Sperren“. Bevor man dort die „Bösen“ jagt, sollte man die Armut und den Drogenhandel löschen. Beides ginge nur mit Infrastruktur, die die Afghanen letztlich selbst aufbauen müssen. Vor 10 Jahren gab es gute Anfänge und viel Ruhe im Norden Afghanistans. Dann kamen ähnliche Gutmenschen wie das Fräulein vom Ministeramt und zeigten mit den Fingern auf die Bösen. Seit der Zeit geht es den Entwicklungsprojekten und Schulen vor Ort schlechter und die „Bösen“ haben einen enormen Zulauf…
Denn gerade die „Bösen“ bezeichnen sich selbst als die Guten und kämpfen für eine gerechte Sache – übrigens genau wie die Soldaten. Aber wer kämpft eigentlich für die Opfer – hüben wie drüben?

  ist seit 1999 als Freier Autor und Freier Journalist tätig für nationale und internationale Zeitungen und Magazine, Online-Publikationen sowie Radio- und TV-Sender. (Redaktionsleiter Netzpiloten.de von 2009 bis 2012)


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2 comments

  1. Danke für diesen sehr schönen Artikel, obwohl mich das Wort „Gutmensch“ (auch schon die letzten Jahre) etwas stört. Es ist klar, welche fragwürdige Einstellung damit gemeint ist, aber das Wort selbst ist im Grunde nur zynisch und läuft dem Gedanken hinter dem oben beschworenen Gemeinwesen eigentlich entgegen.
    Trotzdem: Die Meinung unterschreibe ich.

  2. Ich glaube ja, dass nicht nur das Wort sondern viel eher das Verhalten der so markierten Menschen zynisch ist. Denn es geht beim Helfen weder darum eigene Gewissenbisse zum Schweigen zu bringen noch darum, einfach plakativ Flagge zu zeigen. Aber diese Diskussion ist schon so alt wieder Satz „Tue Gutes und geh‘ weiter…“

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