Der Schatten des Über-Ypsilon

Alexander Görlach über die Wahl in Hessen
In Hessen wird gewählt. Sollte am 18. Januar eine stabile Regierungskonstellation erkennbar sein, endet ein Politik-Schauspiel, das ein Jahr lang die Republik in Atem gehalten hat. Wenn alles so kommt, wie es im Moment aussieht, dann wird der totgesagte Roland Koch, der seit dem 27. Januar 2008 als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt ist, wieder zu einem ordentlichen Landesvater und gemeinsam mit der FDP die Regierung bilden. Die SPD wird den Abstieg zu einem historischen Tief beenden. Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel hofft, nicht wirklich unter die 25-Prozent-Marke zu fallen. Dann nämlich wäre sein Schicksal als neuer Kopf der hessischen Sozialdemokraten besiegelt.

Als Retterin in der Not könnte sich dann Andrea Ypsilanti wieder auf der Bühne zeigen. Nach dem K.O. von TSG gibt sie den Roland und führt die SPD weiter. Vielleicht versteckt sich ja diese Absicht hinter ihrer konstanten und hartnäckigen Weigerung, ihre Posten als Landespartei- und Fraktionschefin zu räumen. Diese Hartnäckigkeit, dieser unbedingte Wille zur Macht, war es, der die Rüsselsheimerin zum Wortbruch getrieben hat.

Thorsten Schäfer-Gümbel ist aus dem Schatten des Über-Ypsilons herausgetreten und hat Ross und Reiter genannt: Es war Wortbruch. Bravo. Das war nötig, anderenfalls hätte er sich gleich einsargen können. Das diese Einsicht via youtube und mittels einer verbesserungsfähigen Videoeinspielung unter das hessische Volk gebracht wurde, ist der Tribut, den man auch zwischen Gießen und Kirchbrombach dem Internetzeitalter zollt.

In die Versuchung, es nochmals mit den Linken zu einer tolerierten rot-grünen Regierung zu bringen und Roland Koch abzulösen, werden die Sozialdemokraten wohl gar nicht mehr geführt: Es ist fraglich, ob die Linke in den Wiesbadener Landtag einziehen wird.

Die Lichtgestalt des Hessen-Desasters ist Dagmar Metzger, die unerschütterliche Parlamentarierin, die den Wortbruch nicht mitmachen wollte und dafür Schmähungen erleiden musste. Ihren drei Kombattanten wurde wahlweise die Beinfäule und die Pest an den Hals gewünscht, seit Neuestem sollen sie von der Energiewirtschaft geschmiert worden sein. Es wird sicher viele geben, die bedauern, dass Roland Koch wohl im Amt bleiben wird. Die Posse von Wiesbaden hat aber, allem Verdruss über rechtslastige Wahlkampftaktiken zum Trotz, ein Gutes: Sie hat gezeigt, dass Politik auf keinen Fall langweilig sein muss und dass es in diesem Betrieb auch charakterstarke Menschen gibt.

Alexander Görlach leitet das Online-Ressort des Magazins Cicero (www.cicero.de) und schreibt seit diesem Monat Kolumnen zum Super-Wahljahr 2009 für die Blogpiloten.

ist Chefredakteur und Herausgeber des Online-Debattenmagazins The European (www.theeuropean.de). Für die Netzpiloten schreibt Alexander Kolumnen und kritische Beiträge zur Medienlandschaft und natürlich zu aktuellen politischen Ereignissen.


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