Gratis-WLAN: All Eyes On New York?

In New York arbeitet man derzeit an einem Feldversuch Gratis-WLAN salonfähig zu machen und flächendeckend zu installieren. Die Idee: Hot Spots über Telefonzellen schalten. Ein guter Gedanke, der zum Nachmachen anregt. Doch ist das Modell auch in Deutschland anwendbar?

Gratis-WLAN ist ein Bedürfnis, welches man in Deutschland noch nicht gestillt hat. Während in anderen Ländern bereits einige Modelle erfolgreich in Arbeit sind, grübelt man hierzulande noch über die technische Umsetzung und die Finanzierung dieser Angelegenheit. Die größten Ambitionen hegen einige Initiativen wie Freifunk, aber auch der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit, der im Januar dieses Jahres für seine Stadt Berlin im Rahmen seiner neuen Regierungsrichtlinien zum zweiten Mal in den Kampf für Gratis-WLAN zog.

Telefonzellen als Hot Spots

Während man in Berlin noch debattiert und Möglichkeiten prüft, gibt es in New York derzeit erste Ansätze wie man freies WLAN installieren könnte. So hat das Department of Information Technology and Telecommunications, kurzum DoITT, ein Projekt aufgesetzt , welches bis zum Herbst 2012 an die 100 Telefonzellen zu Hot Spots umwandeln soll.

Zehn dieser Stellen stehen bereits unter dem Namen „Free WiFi“ oder „NYC Free Public WiFi“ für New Yorker sowie Touristen zur Verfügung und versorgen jeweils ein Gebiet, das bis zu 60 Meter Umkreis umfasst. Sollte der Feldversuch erfolgreich werden, könnte sich das Projekt innerhalb des nächsten Jahres auf insgesamt 12.000 Telefonzellen in allen fünf innerstädtischen Bezirken, also in den Stadteilen Manhattan, Brooklyn, Queens, Bronx und Staten Island, ausweiten.

Besonders erfreulich ist zudem der Umstand, dass die Betreiber, obwohl sie mit zwei Werbefirmen am Netzwerk arbeiten, derzeit bei der Umsetzung auf ein werbefreies WLAN setzen und keine persönlichen Daten erheben wollen. Somit wird das Projekt hauptsächlich von der Stadt getragen und über Steuereinnahmen refinanziert. Eine lobenswerte Vorgehensweise wenn man bedenkt, dass man den Daten- und Verbraucherschutz hier ein gewichtiges Augenmerk verleiht.

Deutsche Politiker setzen auf private Betreiber

So wie die New Yorker Regierenden denken jedoch nicht viele deutsche Politiker und so scheitern Vorhaben solcher Art oftmals schon an der Uneinigkeit der Verantwortlichen. Da die Städte sich von einem freien WLAN auf Basis von Steuereinnahmen distanzieren, prüft man hierzulande fast ausschließlich die Finanzierung durch Unternehmen, was allerdings in den meisten Fällen in Verbindung mit kommerziellen Interessen der selbigen einhergeht.

Das Berliner Abgeordnetenhaus unter Wowereit beispielsweise hat die Vorstellung, dass private Betreiber die Netzsender auf eigene Kosten aufstellen und die Betriebskosten durch Werbeeinnahmen finanzieren könnten. Getreu dem Londoner Modell, indem beispielsweise o2 für die Olympischen Spiele das wohl größte kostenlose WLAN Europas errichten möchte, sehen die Politiker darin die Mutter aller Lösungen. Eine Möglichkeit, die zwar die Landeskassen entlastet, jedoch von Datenschützern und Aktivisten nicht sonderlich unterstützt wird, da für die angestrebten Werbeformen die Abfrage persönlicher Daten der Nutzer nötig wären.

Das „Aus“ der Störerhaftung als idealer Lösungsansatz

Eine andere Möglichkeit, die zumindest Aktivisten und einem nicht kleinen Teil von Unternehmern als idealer Lösungsansatz vorschwebt, wäre die Errichtung eines WLAN-Netzwerkes durch Gastronomen und andere Gewerbetreibende, die in deren Einrichtungen Gratis-WLAN für ihre Gäste bereitstellen könnten. Dadurch würde man der Finanzierungfrage und der technischen Umsetzung ein Schnippchen schlagen und hätte ein Netzwerk, welches weder zu Lasten der Staatskassen, noch durch werbeorientierte Konzerne installiert werden würde.

Um dieser Möglichkeit jedoch genügend Raum zu geben, müsste man einer gesetzlichen Grundlage den Gar ausmachen, an der deutsche Politiker mit aller Kraft festhalten und die Aktivisten stark kritisieren – der sogenannten Störerhaftung. Das Gesetz, das auf Grundlage eines 2010 erlassenen Urteils vom Bundesgerichtshof die Inhaber der Netzwerke in die Pflicht nimmt bei etwaigen illegalen Downloads. Lädt beispielsweise ein Besucher eines Cafes über deren WLAN-Port eine Datei runter, die geschützt ist, so wird nicht der Nutzer dafür haftbar gemacht, sondern der Cafebetreiber. Abmahnungen in schwindelerregender Höhe haben so für manch einen Hot-Spot-Anbieter die Insolvenz ins Haus gebracht.

Anders ist es hingegen bei Access-Providern, also Internetdienstanbietern wie Kabel Deutschland oder Freenet, die die Leitungen der Telekom nutzen. Hier greift die Störerhaftung nicht, was Experten zunehmend als unsinnig empfinden:

„Die Unterscheidung zwischen einer Privatperson, die ihr WLAN anderen zur Verfügung stellt und einem Access-Provider, der das tut und dafür einen Freifahrtschein von der Bundesnetzagentur hat, ist willkürlich“, meint zum Beispiel Jürgen Neumann, Pressesprecher der Initiative Freifunk. Würde man hier nicht mit zweierlei Maß messen, für ein- und denselben Sachverhalt, wäre man einem freien und kostenlosen WLAN, zumindest in Ballungsgebieten, ein bedeutendes Stück näher gekommen.

New Yorker Modell in deutschen Städten?

Hinlänglich der voran gestellten Frage, ob das WLAN-Modell, welches derzeit in New York als Feldversuch durchgeführt wird, auch in deutschen Städten Zukunft hätte, kann man derzeit getrost mit einem klaren „Nein“ entgegnen. Durch fehlende Haushaltseinnahmen und der Mutlosigkeit deutscher Politiker freies und kostenloses WLAN anhand von Steuergeldern zu errichten, scheint die Möglichkeit weit weg.

Ebenso würde die technische Umsetzung hierzulande Probleme bereiten. Denn anders als im „Big Apple“ hat man sich hier von der Aufrechterhaltung herkömmlicher Telefonzellen verabschiedet. Seit 2007 hat die Telekom massiv am Abbau der Häuschen gearbeitet und so wurde die Anzahl seitdem halbiert. Nur noch 66.000 Standorte wurden im Januar 2012 in Deutschland gezählt. Als Grund gibt der Pressesprecher Jürgen Will übrigens an, dass sie unrentabel seien, aufgrund der Zunahme von Smartphones und enormen Kosten durch Vandalismus.

Ob und wie deutsche Städte es nun schlussendlich schaffen, ein für viele längst überfälliges, freies Netzwerk zu errichten, hängt allerdings weniger vom technischen, als viel mehr vom finanziellen Aspekt ab. Umso beschämender, dass man mit der Störerhaftung einer Ideallösung den Boden unter den Füßen entzieht.

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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3 comments

  1. Ich denke, man sollte mit dem New Yorker Beispiel bei den Berlinern keine falschen Hoffnungen machen. Bloomberg ist ein exzellenter Bürgermeister, der schon bei 311 gezeugt hat, was man machen kann, während man in Deutschland noch stritt, ob man 115 (einheitliche Behördennummer wie 112 für Feuerwehr und 110 für Polizei) machen soll und dann die Verbreitung mit hohen Gebühren bremste (die jetzt Weg sind, aber nicht annäherungsweise eine Nutzung wie 311 angestrebt wird).

    Schon vor 10 Jahren kam man in Berlin beim Senat auf die absurde Idee, WLANs in Hotels zu fördern mit einem werbefinanzierten Modell. Niemand käme auf die bescheuerte Idee, Wasser oder Strom in einem Hotel zu werbefinanzieren. Bei Wasser und Strom halten wir es normal, dass sie in den Hotelflatfees drin sind, aber bei WLAN erblöden wir uns, die Internetnutzung durch Pillepalle zu erschweren.

    In Berlin wird seit Jahren nur geredet und nicht gehandelt. In Hamburg hat man kostenlose Tests gemacht. In Berlin lässt sich Wowereit von SenStadt mit Unsinn auf der Nase herumreiten (Ampelgedöns, technischer Blödsinn, der in New York von der Verwaltung nicht erfolgreich zur Verhinderung eingesetzt wird).

    Und wo ist die Bundesratsinitiative? Auf der letzten Sitzung ist sie wieder nicht dabei gewesen. Wir haben gesehen, wie simpel man das Telemediengesetz ändern kann, um die Störerhaftung für WLANs auszuschließen ist. Nicht mal das hat Wowereit geschafft.

    Es ist so wie es ist: breite Kreise der Verwaltung schaffen es immer wieder, den deutschnationalen Weg der Internetverhinderung durchzusetzen mit Störerhaftung, Qualsignaturen, eIDs in Personalausweisen, DE-Mail usw. Mit Wehmut sieht man nach Amerika, die diesen ganzen Quatsch, mit dem sich die deutsche Verwaltung das Internet von der Backe hält und sich freut wenn ein E-Postbrief billiger ist als ein Papierbrief, aber zynisch darüber hinwegsieht, dass New Yorker kostenlos rechtskräftig mit ihrer Verwaltung kommunizieren dürfen.

    Der Freifunkverein hat jetzt das einzig richtige getan: auf das unverbindliche Ankündigungsgequatsche einfach nicht mehr hören, schließen, dass die Versager es nicht mehr gebacken bekommen und einfach einen VPN-Tunnel nach Schweden legen in die Freiheit: Taten statt schöngeistigen Freiheitsgeschwätzes eines Ehebrechers. Gewartet ist genug. New York zeigt, dass die Berliner es nicht schaffen.

    Am Rande: Bürgermeister Bloomberg verbreitet auf seinem eigenen Account und auf dem 311-Account auf twitter , dass man nun auch auch im Central Park und anderen Parks freies, kostenloses WLAN hat.

  2. Den Gedanken an sich finde ich auch grandios. Das es aber (in Deutschland) tatsächlich mal dazu kommt, glaube ich auch nicht.

    Datenschutzbedenken, Gesundheitsbedenken (Stichwort Strahlung), und die Lobby der Provider (wer braucht dann noch Tarife fürs mobile Internet)….würden die Umsetzung auch ganz schnell im Keim ersticken.

  3. Es könnte so schön sein…
    Es gibt viele Orte auf dieser Welt, wo es offene WLANS gibt und die Menschen glücklich und zufrieden sind und für die es selbstverständlich ist. Meiner Meinung nach zeigt das auch ein gewissen Fortschritt an.
    ABER es ist wirklich schwierig das umzusetzen. Ich wüsste auch ehrlich gesagt nicht ob es irgendwann überhaupt dazu kommen wird.
    Wir sind guter Hoffnung und warten es einfach mal ab.

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