Auf Netflix ist kürzlich Cyberpunk: Edgerunners – ein von Studio Trigger im Auftrag von CD Projekt produzierter Anime zum Spiel Cyberpunk 2077 – erschienen. Doch war das nicht dieses Spiel, das so unverschämt unfertig auf den Markt kam und mit dem das Studio bei vielen Fans in Ungnade gefallen ist?
Wir konnten natürlich nicht widerstehen und haben uns von den 10 Folgen gegeben. Ein wilder Ritt, der – so viel kann ich verraten – sowohl für aktuelle als auch künftige Spieler interessant sein kann. Spielkenntnisse benötigt ihr nicht, da Edgerunners auf eine ganz frische Charakterriege setzt und zeitlich außerdem noch vor der Spielhandlung angesiedelt ist. Seid ihr trotzdem auch am Spiel interessiert, haben wir auch einen Test von Cyberpunk 2077 für euch.
Darum geht es in Cyberpunk Edgerunners
Protagonist ist der 17-jährige David Martinez, der zu Beginn der Handlung auf eine Eliteschule der Arasaka Company geht. Dort ist er allerdings ein Außenseiter, da er entgegen seiner Mitschüler aus ärmeren Verhältnissen kommt. Seine alleinerziehende Mutter stirbt, als sie während der Autofahrt in eine Bandenschießerei geraten.
David hat nicht viel Zeit den Verlust zu verarbeiten, denn kaum ist seine Mutter verstorben, muss er selbst für alle Kosten im hyperkapitalistischen Night City aufkommen. In Besitz einer sehr mächtigen zugleich aber auch sehr gefährlichen Cyberware gekommen, entschließt sich David, sich diese einsetzen zu lassen, um als Edgerunner, bzw. Cyberpunk durchzustarten. Durch Zufall gerät er nur kurz darauf an die Netrunnerin Lucy, die einer Truppe von Cyberpunks angehört.
Viel mehr möchte ich auch nicht verraten, aber die Truppe um den Boss Maine wächst einen in der kurzen Laufzeit trotzdem unglaublich ans Herz. Im Gegensatz zu vielen Animes zählt hier die Summe der Einzelteile. Funktionieren kann die Gruppe nur, wenn sie perfekt zusammenarbeitet. Trotzdem trägt jeder auch irgendwie sein eigenes Päckchen mit sich, was die Charaktere auch für sich sehr interessant macht.
Eine brutale Stadt, die ihre Seelen frisst
Schon gleich zu Beginn versteht die Serie es, die Gnadenlosigkeit Night Citys deutlich zu machen. Alles kostet Eddies (Eurodollar) und wer davon wenig hat darf nicht auf Hilfe hoffen. Wer keine Versicherung abgeschlossen hat, wird von den Notärzten des sogenannten Trauma Teams einfach liegen gelassen und auch bei der Miete darf man keine Hilfe vom Staat erwarten. Die strahlenden Neon-Fassaden der Stadt überstrahlen nur das Elend, dass an ihrem Grund ums Überleben kämpft, wenn es sich nicht bereits ganz aufgegeben hat.
Entsprechend ist auch der Umgangston in den unteren Gesellschaftsschichten. Hier wird mächtig geflucht und dabei tief in die Kiste vulgärer Ausdrücke gegriffen. Die deutsche Lokalisierung punktet dabei mit sehr freier Übersetzung, ähnlich wie Bill und Teds verrückte Reise durch die Zeit. Gelegentlich wirkt es trotzdem ein bisschen aufgesetzt. Vielleicht liegt es auch an der teils nicht ganz unbekannten Sprecherriege, dessen Stimmen man dann doch mit weniger dreckigen Rollen in Verbindung bringt.
Doch nicht nur die Stadt frisst ihre Seelen. Ebenso die Technik. Ist sie auf der einen Seite notwendig, um sich gerade als Cyberpunk von der Masse abzuheben und die Überlebenschance zu erhöhen, frisst sie zugleich einen Teil der Menschlichkeit. Optimiert man sich zu stark, läuft man Gefahr, der Cyberpsychose zu verfallen und ungewollt die Kontrolle zu verlieren. Das Dilemma: Je besser ein Cyberpunk, desto bessere Aufträge bekommt er und umso bessere Cybertech benötigt er. Diese Zwickmühle zieht sich auch durch die Serie wie ein roter Faden.
Perfekte Symbiose zwischen Spiel und Anime
Cyberpunk: Edgerunners lohnt sich nicht nur für Spieler. Da die Geschichte losgelöst vom Spiel ist, kann man es problemlos ohne Vorkenntnisse anschauen. Eine Hürde sind dabei am ehsten Begriffe wie „Choom“, „Chrome“, „BD“ oder „Eddies“, mit dessen Erklärungen sich der Anime nicht aufhalten mag. Das war aber auch im Spiel nicht viel anders und einiges erschließt sich aber nach und nach aus dem Kontext, wenn man mit dem Anime seine ersten Schritte in Night City macht.
Doch auch wenn der Anime gut für sich allein steht, trumpft er vor allem durch seine Wechselwirkung mit Cyberpunk 2077 auf. Night City ist exakt so dargestellt wie im Spiel. Ob das Afterlife. Bekannte Plätze und Straßen oder sogar V’s späteres Apartment – alles sieht exakt so aus wie man es aus dem Spiel kennt – nur eben in Anime-Optik. Auch Klingelton, Map und Waffensounds sind direkt übernommen und sorgen ständig für „Das kenne ich doch!“-Momente.
Als jemand der zuerst das Spiel gespielt hat, kann ich mir den umgekehrten Effekt trotzdem lebhaft vorstellen. Das Erlebnis, praktisch jeden Ort des Animes 1:1 im Spiel bereisen zu können, muss eine geniale Erfahrung sein, wenn einen Edgerunners zum Spiel bringt.
Sogar wenn man über 100 Stunden im Spiel verbracht hat und nach dem Anime zurückkehrt, spürt man, dass sich einiges anders anfühlt. Cyberpunk: Edgerunners gibt einen zusätzliche emotionale Ankerpunkte. Es kann ein Ort sein, ein Nebencharakter oder ein Lied in Radio, dass ihr plötzlich mit einem Moment der Serie verbindet und indirekt die Spielerfahrung noch ein bisschen nach oben pusht. Ich sag nur: Adam Smasher ;)
Ist Cyberpunk: Edgerunners das bessere Cyberpunk 2077?
Sieht man den Katastrophenstart von Cyberpunk 2077 und den Erfolg der Netflix-Serie Edgerunners, könnte man zum Schluss kommen, dass Cyberpunk 2077 mehr wie Cyberpunk: Edgerunners hätte sein müssen. Dabei handelt es sich aber um zwei gänzlich verschiedene Medien. Edgerunners sind 10 Episoden eines actiongeladenen Animes, der mächtig aufs Gaspedal tritt. Cyberpunk 2077 ist dagegen ein Videospiel mit ganz anderem Pacing, dass von einer offenen Welt und großartigen Nebenquests lebt. UND: Cyberpunk 2077 ist bei weitem kein schlechtes Spiel – CD Projekt hatte die Erwartungen an das Spiel in unerreichbare Höhen getrieben und das Spiel viel zu früh veröffentlicht.
Für die IP „Cyberpunk“ ist Edgerunners die perfekte Ergänzung. Auf der einen Seite fühlen sich die Spieler sofort Zuhause und wollen erneut im Neon-Dschungel von Night City abtauchen, auf der anderen Seite dürfte der Erfolg aber auch für einige neue Verkäufe sorgen. Nach dem 1.6 Update stiegen die Steam-Spielerzahlen am Folgenden Wochenende bereits um über 100% auf etwas über 28.000 Spieler in der Spitze. Der Anime-Release am 13. September ließ die Zahl in den Folgetagen auf über 85.000 Spieler, eine Woche später sogar auf über 130.000 Spieler in der Spitze steigen. Dabei ist GOG eigentlich die native Plattform für das Spiel.
Auch sonst könnte CD Projekt einige wichtige Weichen gestellt haben. Vorerst konzentrieren sie sich auf einen einzigen DLC und große Updates sollen nicht mehr für die alten Konsolen erscheinen. Das ermöglicht ihnen womöglich weniger von der Hardware limitiert zu werden. Ich könnte mir außerdem vorstellen, dass man eventuell bereits auf einen Nachfolger hinarbeitet, der mit der Unreal Engine 5 eine bessere Basis zum Ausbau besitzt als das aktuelle Spiel in der hauseigenen RedEngine. Das man den Lebenszyklus für Cyberpunk 2077 bewusst kürzt um die Marke auf lange Sicht zu stärken ist hier aber reine Spekulation. Mit dem zweiten Frühling dürfte die Zukunft von Cyberpunk 2077 und der IP an sich vorerst gesichert sein.
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Image by CD Projekt / Netflix
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