Warum wir Podcasts lieben – und uns das Medium trotzdem kaputt machen

Warum sind Podcasts eigentlich so beliebt? Das liegt vor allem an einer zentralen Eigenschaft: Podcasts sind die perfekte Kombination aus Verfügbarkeit, freiem Zugang, Offenheit, passgenauer inhaltlicher Fokussierung und der daraus folgenden Fähigkeit, innerhalb kurzer Zeit eine akustische Wohlfühl-Umgebung zu schaffen. Historisch gesehen waren Podcasts – und das sind sie bis heute – ein dezentrales und demokratisches Kommunikationsmedium: Ohne Kontrollinstanz steht es jeder und jedem offen, mit einem Aufnahmegerät ausgestattet einen Podcast aufzunehmen und zu distribuieren. Diese Hürde ist sehr niedrig und sinkt immer weiter ab: Smartphones, die uns inzwischen beinahe an der Hand festgewachsen sind, reichen meist schon aus, um mit solider Tonqualität Aufnahmen zu machen. Auch beim Inhalt gibt es keinerlei Vorgaben, denn es ist ganz egal, ob die Inhalte dem Mainstream entsprechen oder sich um die spitzesten Nischen-Themen drehen. 

„Es gibt nichts, das es nicht gibt” ist hier die Devise. Und genau das ist auch eine der Super-Kräfte der Podcasts: Auch wenn es sehr erfolgreiche Formate gibt, die die Masse ansprechen, so sind Podcasts in der Breite mehr Fachzeitschriften als Radiosender. Es geht um die Relevanz der Inhalte für die Hörer:innen. Die Reichweite ist erstmal nachrangig und statt einer Gießkanne von oben, die möglichst viele Menschen erreichen soll, sind Podcasts eher eine Bewegung von unten, die genau die richtigen Personen erreicht. 

Quo vadis?

Inzwischen hat sich der Podcast-Markt weiterentwickelt, neue Player haben ihn betreten: Neben Nischen-Formaten gibt es auch zahlreiche Formate von echten Profis, die mit ihren Sendungen mehrere Hunderttausend Hörer:innen erreichen – pro Episode. „Gemischtes Hack”, „Fest & Flauschig” oder der Tagesschau-Podcast waren im vergangenen Jahr die meistgehörten Podcasts in Deutschland. Diese Podcasts werden in professionellen Tonstudios produziert, es gibt meist eine Redaktion, die im Hintergrund arbeitet und die Hosts sind häufig sogar geschulte Sprecher:innen.

Finde ich das nun gut? Klar! Denn ich bin Audio-Nerd mit Haut und Haar und freue mich enorm, dass gute Audio-Produktionen wertgeschätzt werden und Beachtung bekommen. Doch der Siegeszug hat auch zur Folge, dass sich die Distribution allmählich zentralisiert. Allen voran ist da der Streamingdienst Spotify zu nennen, der der absolute Platzhirsch ist. Von rund einer halben Million weltweit verfügbaren Podcasts im Jahr 2019 hat sich das Angebot im vergangenen Jahr auf über 1,9 Millionen fast vervierfacht, mehr als 40.000 Formate davon sind auf deutsch. Auch Apple Podcasts, die auf allen Endgeräten vorinstallierte Podcast-App von Apple, verliert weltweit mehr und mehr Boden gegenüber Spotify, unter anderem aufgrund von exklusiven Verträgen für „Spotify Original Podcasts”.

Der Erfolg von Spotify ist beachtlich! Dennoch sehe ich eine Gefahr in der (zumindest gefühlten) Monopolisierung des Marktes. Denn mit dem Aufkommen der großen und erfolgreichen Plattformen verschwindet langsam aber sicher der demokratische Ansatz, der sich durch die niedrigen Zugangshürden auszeichnet. Wie in allen Branchen ist es auch im Podcast-Business so, dass die Aufmerksamkeit für die großen Player den jeweils kleineren das Leben schwer macht. Blicken wir auf die Monetarisierung, dann ist klar, wer aus dem wachsenden Markt Profit ziehen kann, weil er bestimmt, nach welchen Regeln gespielt wird. So hat Spotify zum Beispiel die Kontrolle darüber, welche Inhalte wann und wie lange auf der Plattform landen und wie sie monetarisiert werden können. Dezentral und demokratisch ist das nicht mehr. 

Back to the roots

Mit dem Erfolg der großen Plattformen machen wir uns allmählich das Medium Podcast selbst kaputt, die ganz ursprüngliche Idee der Podcasts als demokratisches und dezentrales Kommunikationsmedium geht verloren. Um die Kreativität, die sich ganz besonders in den Nischen abspielt, mache ich mir keine Sorgen. Vielmehr geht es mir um lokale und überregionale Verlage, also von der Lokalzeitung bis hin zur FAZ, die ihre Zielgruppen auch mit Audio-Inhalten wie Podcasts erreichen wollen. Durch die Abhängigkeit von den großen Player verlieren sie die Freiheit, ihr Monetarisierungspotenzial und die Entwicklung neuer Medienformen wird schon im Keim erstickt. Deshalb hoffe ich, dass die Podcast-Branche ein Vorreiter gegenüber anderen Industrien wird und rechtzeitig Gegenpole zu den GAFAs schafft, die dem Einfluss der großen internationalen Player funktionierende eigene Modelle entgegenstellen. Ziel muss vor allem sein, die Monetarisierung zu kontrollieren. Denn egal wie die technischen Details sind und welche Ad-Tech-Lösung eingesetzt wird, die Distribution und die Vermarktung müssen in einer Hand liegen. Wenn wir es schaffen, Leitplanken zu installieren, die den Kerngedanken des Podcastings erhalten, dann gewinnen alle.


Bild von Manni Leuchter

Alex Jacobi ist fasziniert von Daten, Kreativität und Mensch-Maschine-Prozessen. Als Chief Exponential Officer seiner vier Unternehmen beschäftigt er sich mit „all things audio": Mit Wundervoices vertont er (FMCG-) Werbespots und Unternehmenskommunikation in 50 Sprachen, With love and data ist eine digitale Kommunikationsagentur für Audioinhalte, die Kreativität aus Daten generiert und mit Sonarbird ermöglicht er Verlagen und Radiosendern das Podcasting. podwatch.io gehört zu Deutschlands meistgeklickten Podcast-Rankings und ergänzt fortan das Portfolio im Bereich Analytics.


Artikel per E-Mail verschicken