Tech-Innovation aus Deutschland? Gibt es noch!

Deutschland fehlt der Mut zur Innovation? Es mag stimmen, dass wir so manchen Trend mit Vorsicht und Zaudern verschlafen haben. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Tech-Innovationen aus Deutschland gibt.

Dieser Artikel nimmt die spannendsten und einflussreichsten Technologien unter die Lupe, die aktuell in Deutschland entwickelt oder vorangetrieben werden. Ziel ist es, ein Verständnis für die Innovationsfelder zu schaffen, in denen Deutschland besonders stark ist, und ihre Bedeutung für die Zukunft – sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene – aufzuzeigen.

Deutschlands Innovationslandschaft

Deutschland galt traditionell als eine Hochburg für technologischen Fortschritt und Innovation – Das „Land der Dichter und Denker“. Mit einer starken industriellen Basis, einem erstklassigen Bildungssystem und einer engen Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft hat das Land optimale Voraussetzungen geschaffen, um technologischen Wandel aktiv mitzugestalten. So entwickelte Carl Benz etwa das Benzin-Automobil. Fun Fact: Benzin wurde nicht nach Benz benannt und erste Auto-Versuche gab es bereits zuvor mit Dampf- und sogar Elektromotoren.

Geprägt wurde die Innovationskultur durch eine Vielzahl von renommierten Forschungseinrichtungen, die eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung neuer Technologien spielten und es auch noch bis heute tun. Dazu gehört etwa die Fraunhofer-Gesellschaft, die mit gut 32.000 Mitarbeitern die größte Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in Europa ist. Das gemeinnützige Unternehmen finanziert sich sowohl über Bund und Länder, aber auch aus öffentlich finanzierten oder aus der Industrie kommenden Aufträgen. Das Unternehmen ist noch immer eine starke Innovationskraft. 2023 wurden 506 Erfindungen über die Fraunhofer-Gesellschaft gemeldet, von denen 406 auch zu Patentanmeldungen führten.

Ähnlich namhaft ist auch die Max-Planck Gesellschaft, die sich vorwiegend der natur-, sozial- und geisteswissenschaftlichen Grundlagenforschung verschrieben hat. Die Gesellschaft hat (Stand 2024) ganze 31 Nobelpreisträger hervorgebracht – weltweit die drittmeisten. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist ein großer Innovationsmotor. Neben Raum- und Luftfahrt widmet sich das DLR auch dem Verkehrs- und Energiesektor mit dem Fokus auf nachhaltigeren Lösungen.

Auch große Unternehmen waren und sind ein treibender Innovationsfaktor in Deutschland. Am Transrapid entwickelten große Firmen wie AEG-Telefunken, Siemens oder Thyssen mit. Investiert wird auch weiterhin. 2023 haben deutsche Unternehmen 88,7 Milliarden in unternehmensinterne Forschung investiert. Ein Anstieg von 8,4% zum Vorjahr. Ein Anstieg von 14,5% verzeichneten außerdem die Forschungsaufträge. Das Auftragsvolumen betrag 2023 31,7 Milliarden Euro.

Innovationsfelder in Deutschland

Robotik

Deutschland hat zwar den Ruf, sich nur sehr langsam auf Innovationen einzulassen, doch die Robotik spricht da eine andere Sprache. Im jährlichen World Robotics Report der International Federation of Robotics (IFR), hat Deutschland mit 429 Industrierobotern auf 10.000 Bürgern die weltweit vierthöchste Roboterdichte. Geschlagen geben müssen sie sich sehr deutlich Südkorea und Singapur und ganz knapp China, wo die Robotisierung aber wie in keinem anderen Land vorangetrieben wird. Die USA liegen überraschend deutlich zurück und zeigen keine auffällige Tendenz nach oben.

Um auch in der Entwicklung wettbewerbsfähig zu bleiben, haben sich Deutschlands Spitzenstandorte der Robotik außerdem zum Robotics Institute Germany (RIC) zusammengeschlossen. Neben den großen Gesellschaften wie Fraunhofer, Max Planck und dem DLR gehören auch führende deutsche Universitäten zum Verbund, dessen Projekte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziell unterstützt werden.

Aus Deutschland kommen auch bereits einige wichtige Robotikunternehmen. Die in Augsburg ansässige Kuka AG zählt etwa zu den weltweit führenden Anbietern für Industrieroboter. Auch die Festo-Unternehmensgruppe mit Sitz in Esslingen ist ein schon lange weltweit agierender Konzern für Automatisierungstechnik.

Neben diesen alteingesessenen Konzernen gibt es aber auch viel frische Innovationskraft. Das Unternehmen Agile Robots ging etwa 2018 aus dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt hervor. Mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar gehört das auf KI-Technologie setzende Unternehmen als Deutschlands erstes Robotik-Einhorn.

Einen ähnlichen Weg geht auch das Start-up Neura Robotics. Ihre Roboter können mittels KI hören, verstehen und sich selbst programmieren. Entgegen vieler anderer deutscher Mitbewerber entschied sich Neura Robotics bewusst gegen chinesische Teilhaber und hat auch die eigene Produktion komplett zurück nach Deutschland verlegt.

Grüne Technologie

Die Zeiten in denen wir bei erneuerbaren Energien den Ton angeben scheinen vorbei. Doch Green Tech ist noch immer eines der großen Innovationsfelder Deutschlands. Das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz förderte 2023 beim GreenTech Innovationswettbewerb etwa 21 Projekte mit insgesamt 75 Millionen Euro. Auch die Energiewende machte zuletzt einen großen Sprung beim Ausbau erneuerbarer Energien und private Photovoltaik-Anlagen werden gefördert. In vielen Bundesländern gilt sogar schon eine solare Baupflicht. Noch wichtiger aber: In Deutschland herrscht ein mittlerweile recht breites Nachhaltigkeitsbewusstsein und damit auch eine gesellschaftliche Akzeptanz für Green Tech.

Und die Unternehmen? Die großen deutschen Energiekonzerne haben sich in den letzten Jahren stark umgebaut und EnBW gab beispielsweise 2023 bekannt, dass sie bis 2028 Kohlekraft komplett aus der Kohleenergie aussteigen wollen. Laut einer Pressemitteilung aus 2020 ist Siemens Energy außerdem an einem Sechstel der weltweiten Energieerzeugung beteiligt und die Aktie verzeichnete 2024 ein Wachstum von über 300 Prozent.

Die Green-Tech Innovationen aus Deutschland kommen aber auch aus neuen Wettbewerbern. Das 2017 in Berlin gegründete Unternehmen Enpal hat sich etwa in seinen wenigen Jahren zum deutschen Marktführer für B2C-Solaranlagen entwickelt und hat sogar ein eigenes Schulungszentrum für Handwerker. Auch das Hamburger Start-Up 1Komma5° hat einen rasanten Aufstieg seit der Gründung 2021 hingelegt und weist eine Firmenbewertung von über einer Milliarde Euro auf. Das Name ist sogar das große Klimaziel.

KI-Entwicklung

Auch wenn in der medialen Wahrnehmung US-amerikanische KI-Tools ChatGPT, Midjourney oder Copilot dominieren, ist Deutschland durchaus auch auf dem KI-Markt vertreten.

Eines der Vorzeige-Unternehmen ist das 2019 gegründete Aleph Alpha. In der jüngsten Finanzierungsrunde investierten viele namhafte deutsche Unternehmen, aber auch die US-amerikanische Firma Hewlett Packard Enterprise insgesamt 500 Millionen US-Dollar in das Heidelberger Unternehmen. Zwar kündigte Aleph Alpha im September 2024 an, aus dem LLM-Markt auszusteigen, dafür entwickelt man nun aber ein Betriebssystem für KI-Anwendungen.

Ebenfalls sehr erfolgreich ist das Kölner Unternehmen DeepL, das den gleichnamigen Onlinedienst betreibt. DeepL ist ein reiner Übersetzungsdienst, der sich vor allem über ein kostenpflichtiges Abo finanziert.

Konux ist ein weiteres spannendes KI-Unternehmen, dass die Instandhaltung, Überwachung und Optimierung von Schienennetzen mittels KI revolutioniert. Das Unternehmen Neuroflash spezialisiert sich dagegen auf die Content-Erstellung durch Künstliche Intelligenz.

Auch der Großkonzern Siemens mischt im KI-Markt mit. In der Industrieautomatisierung kommt etwa der Siemens Industrial Copilot zum Einsatz. Dieser ermöglicht es Unternehmen, ihre Industrieroboter mit natürlicher Sprache zu programmieren.

Quantencomputing

Bei einer Umfrage von Bitkom e.V. gaben 60 Prozent der befragten Anbieter und Anwender von Quantentechnologien an, Deutschland zu den Vorreitern zu zählen. 77 Prozent gaben sogar an, dass Deutschland in der Entwicklung die Führungsrolle übernehmen könnte.

Spannend ist dabei das Quantum Technology and Application Consortium (QUTAC) unter dem sich 13 der führenden deutsche Konzerne – darunter BMW, Airbus, Bosch, Telekom und Siemens – zusammengeschlossen haben. Das Konsortium zielt darauf ab, Quantencomputing zur Marktreife zu bringen und ein erfolgreiches Ökosystem in Deutschland und Europa aufzubauen.

Zum QUTAC gehört auch Deutschlands größter Halbleiterhersteller Infineon Technologies. Das Unternehmen arbeitet unter anderem auch an Quantenprozessoren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf industrielle Skalierbarkeit der Technologie. Das Unternehmen arbeitet aber auch eng mit Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen.

Auch das Start-up eleQtron könnte die Zukunft mitbestimmen. Das aus der Universität Siegen ausgegründete Unternehmen. Mit ihrer MAGIC-Technologie sollen Quantencomputer sowohl verlässlich als auch preisgrünstig werden. Das Ziel ist ein frei programmierbarer, beliebig skalierbarer Quantencomputer.

Regeln für neue Technologien

Deutschland allein hat wenig Macht, Regeln für den Umgang mit neuen Technologien festzulegen. Die Folge waren in der Vergangenheit, dass etwa bestimmte Videoinhalte nicht in Deutschland verfügbar waren, weil es eben einfacher war den vergleichsweise kleinen deutschen Markt auszuklammern.

Mittlerweile etabliert sich die EU aber als ein relativ mächtiger Taktgeber was Regeln für neue Märkte angeht. Da wäre etwa die seit 2018 rechtsgültige DSGVO, die zwar bei Verabschiedung mit Uploadfiltern und möglichen Einschränkungen von Memes zwar auch für viel Unmut im Netz sorgte, aber zugleich eine wichtige Datenschutz-Grundlage bietet, an die sich große Unternehmen halten müssen, wenn sie den EU-Markt mitnehmen wollen.

2024 ist schließlich auch der Digital Services Act und der Digital Markets Act in Kraft getreten. Ersterer schützt die Rechte der Nutzer von Onlinediensten, zweiterer sorgt für einen faireren Wettbewerb, weil unter anderem die Marktmacht großer Plattformen eingeschränkt wird. Auch ein erstes KI-Gesetz wurde bereits beschlossen.

Deutschland hat den großen Vorteil, dass diese EU-weiten Gesetze oft nahe bereits in Deutschland geltender Gesetze sind. Unsere Unternehmenslandschaft muss sich daher vergleichsweise wenig anpassen. Doch gehören Einschränkungen zu Innovationsfeldern?

Jede Einschränkung ist zunächst natürlich eher ein Innovationskiller. Es ist immer einfacher etwas zu entwickeln, wenn man sich völlig frei bewegen kann. Und Länder in denen das möglich ist, haben bessere Chancen Innovationstreiber zu sein. Dass diese Märkte irgendwann Regeln brauchen ist aber auch klar und dass sich die EU dort mittlerweile eine Führungsrolle einnimmt bringt wieder Chancen, sobald diese Regeln umgesetzt werden müssen.

Fazit: Tech-Innovation aus Deutschland lebt

Deutschland mag oft etwas schwerfällig wirken, wenn es um Innovation geht. Nicht umsonst gibt es mit der „German Angst“ sogar einen Begriff, der unsere Zögerlichkeit beschreibt, den Sprung auf neue Technologien zu wagen.

Dennoch ist Deutschland nicht ganz so innovationslos, wie es auf den ersten Blick scheint. Gerade in der Robotik oder den erneuerbaren Energien sind wir sehr stark vertreten. Unsere etwas vorsichtigere Haltung kommt uns innerhalb der EU außerdem zu Gute, weil wir uns sehr nah an den Richtlinien bewegen, die EU-weit beschlossen werden und die so auch international einen starken Impact haben.

Auch wenn wir keine so namhaften Universitäten haben wie etwa das US-amerikanische MIT, so haben wir trotzdem ein gutes Netzwerk aus Universitäten und Gesellschaften, die einen guten Nährboden zur Forschung und Entwicklung darstellen. Deutsche Innovation findet sich zudem auch oft in Industrieprodukten. Sie ist daher oft einfach nicht so sichtbar, wie die Größen des Silicon Valleys. 

 


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