Spielerisch lernen. Dieser pädagogische Ansatz wird bereits seit Jahren von zahlreichen Personen aus Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen angepriesen. Doch lange scheiterten die Serious Games regelmäßig an ihrer Umsetzung. Diese wirkte nämlich eher bider und lieblos. Die spielerische Motivation musste zudem hinter dem Bildungsaspekt stark zurückstecken. Hinzu kam, dass weder Lehrer noch die Bildungsbranche weitreichend mit der Gaming-Szene verbunden waren.
Doch zum Glück aller Schülerinnen und Schüler hat sich die Welt der Serious Games in den letzten Jahren stark verändert. Noch immer gibt es einige Macken, die Lernende früher beklagt haben, aber dafür wurden auf anderer Seite ganz neue Bereiche für das Lernen mit Games erschlossen. Auch die technische Ausstattung von Schulen erlaubt nun zunehmende Einbindung von Videospielen und Lehrer sind zunehmend selbst auch mit dem Gaming großgeworden.
Was ist Serious Gaming?
Serious Gaming klingt nach einer ernsten und eher trockenen Angelegenheit. Dabei ist es besser, wenn genau das nicht der Fall ist. Im besten Fall machen Serious Games nämlich Spaß, sodass man sich gerne damit beschäftigt. Serious Games müssen außerdem nicht nur zum Lernen dienen. Das ist natürlich trotzdem eines der größten und wichtigsten Anwendungsbereiche, aber nicht der einzige. Die ernsthaften Spiele können auch dazu dienen, überhaupt für bestimmte Themen zu sensibilisieren. Auch in der Gesundheit spielen sie im wahrsten Sinne des Wortes eine wichtige Rolle.
Beim Lernen ist der Nutzen natürlich am offensichtlichsten. Durch den spielerischen Ansatz sollen Inhalte sowohl anschaulicher, mit mehr Kontext, aber auch mit Spaß vermittelt werden. Entsprechende Spiele müssen nicht für Schulen gemacht sein, sondern sind auch nützlich für Schulungen während der Ausbildung oder im Arbeitsalltag. Auch privat helfen einem Serious Games beim Erlernen neuer Sprachen oder Fähigkeiten.
Das Aufmerksammachen auf bestimmte Themen beißt sich wohl am wenigsten mit dem klassischen Zweck eines Spiels. So kann man bewusst ein politisch oder gesellschaftlich sehr aktuelles Szenario wählen, um etwa eine andere Perspektive aufzuzeigen, als man sie selbst aus dem Alltag kennt. Die Wahl des Settings, aber auch der Handlungsmöglichkeiten kann aus einem Spiel eine sehr lehrreiche Erfahrung machen. So kann ein Spiel vielleicht besonderen Wert auf Konfliktlösung durch Deeskalation legen.
Im Healthbereich geht es vor allem darum mehr Achtsamkeit auf die eigene Gesundheit zu legen. Das können also Spiele sein, die einem durch Gamification zu mehr Bewegung motivieren. Womöglich lassen sie aber auch unsere eigene Healthcare hinterfragen oder trainieren einfach unser Gehirn, damit auch das fit bleibt. Serious Games haben somit ein besonders großes Potential in der höheren Altersschicht. Jugendliche lassen sich über Serious Games allerdings auch schon früher für ein stärkeres Gesundheitsbewusstsein sensibilisieren.
Sogar in der Therapie können einen Videospiele gezielt unterstützen. Spiele können Patienten aktiv motivieren, sich ihren Problemen zu stellen, können aber auch etwa Psychatern einen tieferen Einblick in die Psyche geben, als wenn man den Patienten einfach nur befragt. Auch VR-Ansätze haben hier großes Potential für hilfreiche Serious Games.
Beispiele für Serious Games
Minecraft Education
Nicht immer müssen Serious Games bewusst als solche erstellt worden sein. Eines der bekanntesten Beispiele ist dabei das beliebte Sandbox-Spiel Minecraft. Das sehr offene und eher von der eigenen Kreaitivität beschränkte Gameplay hat das Spiel schnell auch zu einem beliebten Werkzeug im Unterricht gemacht. Microsoft selbst unterstützte dies mit der Entwicklung einer Education Edition. Diese erweitert das Spiel gezielt durch Funktionen für Schüler und Lehrer und bietet mittlerweile einen großen Katalog spezifischer Lehrinhalte an. In unserem Explain zu Minecraft Education gehen wir noch viel genauer auf die Features ein.
Auch über Minecraft Education hinaus gibt es immer wieder spannende Projekte. Dazu zählt auch die Uncensored Library von Ärzte ohne Grenzen. Ìn deren virtueller Bibliothek kommen Autoren zu Wort, die in ihren Heimatländern von der Regierung zensiert werden.
Kerbal Space Program
Die Raumfahrt-Simulation Kerbal Space Program wurde auch nicht bewusst als Lernspiel konzipiert, sondern hatte einfach einen Entwickler, der viel Wert auf die wissenschaftlichen Details legte. Darum solltet ihr euch vom knuffigen Minion-Look der fiktiven Raumfahrer nicht täuschen lassen.
Im Spiel leiten wir ein Raumfahrtprogramm und bauen Raketen um bestimmte Aufträge zu erfüllen. Diese beginnen zunächst ganz simpel mit bestimmten Höhen, die unsere Raketen erreichen sollen. Bald schon geht es aber darum, diese etwa in einen stabilen Orbit um den Heimatplaneten zu bekommen. Natürlich schalten wir dabei auch nach und nach neue Module für den Bau frei.
In unserem Test begeisterte die Tatsache, dass man den Spieler früh scheitern lässt. Statt zu frustrieren schafft es das Spiel aber eher uns zu motivieren, die nächste Rakete besser zu bauen und auf natürliche Weise immer mehr über die Raumfahrt zu lernen. Die erste Mondlandung oder das erste geglückte „Rendevouz“ mit einem anderen kreisenden Raumobjekt sind Erfolgserlebnisse, die sich nicht in Erfahrungspunkten messen lassen.
Turing Complete & Shenzhen I/O
Es gibt schon einige Spiele die Programmierung in ein unterhaltsames Spiel packen oder durch Editoren mit Codebausteinen Kindern den Einstieg erleichtern. Mit Turing Complete und Shenzhen I/O gibt es aber auch zwei sehr gute Spiele, die noch tiefer in die Materie gehen.
Shenzhen I/O ist dabei mehr ein Puzzle-Spiel, bei dem man Schaltkreise baut und deren Mikrocontroller schließlich programmiert. Alles ist etwas vereinfacht und in eine kleine Geschichte mit fiktivem Mailverkehr eingebettet. Leider gibt es das Spiel nicht als physische Edition, denn das Spiel enthält ein virtuelles Handbuch, über das ihr euch viel Wissen selbst beibringen müsst.
Turing Complete geht noch etwas tiefer in die Materie und lehrt dem Spieler alles von den logischen Gattern bis zur Assemblerprogrammierung. Dabei hat es einen etwas größeren Sandbox-Faktor als Shenzhen I/O, auch wenn ihr in über 70 Leveln immer tiefer in die Materie abtaucht. Am Ende könnt ihr damit sogar richtige Spiele entwickeln.
Go Nisha Go
Das Spiel Go Nisha Go ist ein innovatives, interaktives Rollenspiel, das speziell für indische Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren entwickelt wurde. Es kombiniert Unterhaltung mit Aufklärung und zielt darauf ab, junge Frauen in Indien zu stärken, indem es ihnen hilft, informierte Entscheidungen über ihre Gesundheit, Bildung und Zukunft zu treffen.
Spielerinnen schlüpfen in die Rolle von Nisha und treffen Entscheidungen, die ihren Lebensweg beeinflussen. Diese Entscheidungen betreffen Themen wie Menstruationsgesundheit, Einwilligung, Verhütung, Bildung und finanzielle Unabhängigkeit. Das Spiel basiert auf den tatsächlichen Erfahrungen junger Frauen in Indien und wurde in Zusammenarbeit mit Mädchen aus Hindi-sprachigen Regionen entwickelt.
Das Mobile Game wurde als “Best Serious Game” bei der Gala2023 Serious Games Competition in Dublin ausgezeichnet.
Flight Simulator
Fast schon eine Art Urvater der Serious Games ist der 1980 erschienene Flight Simulator von Sublogic. Dieser erschien damals auf dem Apple II, ehe Microsoft sich die Rechte sicherte. Nach einer größeren Pause kehrte die Reihe 2020 mit einem Reboot zurück und setzt dabei auch optisch ganz neue Maßstäbe, indem es aus Satelliten-Daten während der Laufzeit die Spieldarstellung der Welt generiert, die zu groß ist um sie in dem Detailgrad komplett auf dem Rechner zu speichern.
Im Gegensatz zu Kerbal Space Programm, setzt man sich im Flight Simulator „nur“ auf den Pilotensitz. Die Spiele selbst bieten bereits ein sehr immersives Erlebnis inklusive simulierter Flugzeug-Instrumente. Schon länger gibt es aber auch Third Party-Anbieter, die Premium-Flugzeuge anbieten, die einzeln ähnlich viel kosten wie ein ganzes Videospiel, dafür aber besonders realistisch umgesetzt sind.
Der Flight Simulator ersetzt weder echte Flugkenntnisse noch das üben in professionellen Simulatoren. Wie groß der Lernfaktor dennoch ist, hängt außerdem stark davon ab, wie ihr es spielt. Viele Spieler nutzen ihn eher zum virtuellen Sightseeing und fliegen einfach wild auf Sicht umher. Andere haben sich Zuhause ein professionelles Setup eingerichtet, nutzen die Instrumente, halten sich an die Abläufe auf dem Flughafen und studieren echte Flugpläne, um ihre Flüge möglichst realistisch nachzustellen.
Bei echten Flugsimulatoren merken die Betreuer – selbst echte Piloten – sehr schnell, wenn sie es mit einem geübten Simmer zu tun haben, der den Flight Simulator sehr realistisch spielt. Solche Spieler wären oft in der Lage ein echtes Flugzeug runterzubringen, wenn auch nicht so butterweich wie im Spiel. Am Ende ist der Flight Simulator schließlich noch immer ein massentaugliches Spiel.
Serious Games werden immer mehr Alltag
Gefühlt haben Serious Games in den letzten Jahren weniger Wahrnehmung erhalten. Dabei ist Gamification weiterhin ein starker Trend und wir haben etwa auf dem nextReality.Festival erlebt, wie viele Unternehmen etwa auf Trainingsumgebungen, virtuelles Teambuilding oder Escape Rooms in VR setzen.
Mittlerweile sind Serious Games aber auch einfach normaler und zugleich attraktiver geworden. In unseren Beispielen haben wir nicht grundlos viele Spiele, die keine bewussten Lernspiele sind. Sie sind erfolgreich weil sie in erster Linie Spaß machen, aber einen nebenher etwas beibringen. Auch gesellschaftliche Themen sind längst schon im Spiele-Mainstream angekommen, auch wenn es aktuell Grund vieler Hasskampagnen im Netz ist.
Für Health-Apps im Mainstream reicht ein Blick auf das weltweit größte Franchise: Pokémon. Ein Pokémon GO kann Spieler mitunter zu mehr Bewegung motivieren und Pokémon Sleep belohnt einen für eine gute Schlafroutine. Letzteres vermarktet sich zwar über die Gesundheits-Features, weiß sich aber auch gut innerhalb der Zielgruppe zu vermarkten. Zum 1-jährigen Jubiläum durfte die App auch 20 Millionen Downloads als Meilenstein feiern.
Image by Alexacrib via adobestock
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Schlagwörter: Ausbildung, Gaming, lernen, Serious Games, VR