Dauerwerbesendung Weblog

Das Medium Weblog auf dem Weg zum Erwachsenwerden: Zunehmende Breitenwirkung und Aufmerksamkeit aus der Werbewirtschaft bringen die Szene zur Diskussion über Kommerzialisierung, Glaubwürdigkeit und Ethik in Bezug auf Werbung.

Das Jahr 2006 kann man durchaus als das Jahr bezeichnen, in dem Weblogs hierzulande erwachsen geworden sind. Ein Jahr, in dem sich das Format „“Weblog“ etabliert hat und zunehmend auch eine Öffentlichkeit erreicht, die sich bisher nicht mit den „Tagebüchern im Internet“ auseinander gesetzt hat.
Zwar sind die Zugriffszahlen im Vergleich zu großen Medien wie Spiegel Online oder ProSieben.de noch immer gering, ihrer Bedeutung allerdings schadet das nicht. Zum einen, weil einige von ihnen auf Zugriffszahlen kommen, welche die Internetseiten mancher Lokalzeitungen schlecht aussehen lassen. Zum anderen, weil kaum etwas so stark vernetzt ist im Internet, wie Weblogs.
Durch eigene Blogs haben einige bekannte Menschen und Firmen das Medium „“Weblog“ einer Nutzergruppe näher gebracht, die vorher für Blogger nicht erreichbar war. So bloggen bekannte Persönlichkeiten wie der derzeitige StartUp-Liebling und CEO von Spreadshirt, Lukasz Gadowski, oder der Vorstandschef von Bild.T-Online, Dr. Georg Pagenstedt. Für etablierte Unternehmen wie Frosta und SinnerSchrader ist das Weblog als Kommunikationskanal bereits ein etabliertes Format zwischen Marketing und Pressearbeit. Und für StartUps wie StudiVz oder Sevenload gehören Blogs zum “guten Ton“, um sich offen zu präsentieren.
Nicht zuletzt haben kleine und große Skandale, die von Weblogs zum Thema gemacht wurden, den Sprung in traditionelle Medien geschafft (aktuell der Wirbel um StudiVz) und lenken damit die Aufmerksamkeit auf die Blogosphäre.

Doch nicht nur selbst geführte Weblogs werden für Unternehmen interessant, denn die Aufmerksamkeit und Vernetzung macht Blogs mehr und mehr zu einer Größe im Internet, die ernst genommen werden muss. Schnell kann der publizierte Unmut einer Handvoll Blogger dazu führen, dass die eigene Firma nicht mehr das ist, was Google als wichtig empfindet.
Diesen Effekt, den die Vernetzung und Aktualität von Weblogs in Suchmaschinen populär macht, wollen PR-Agenturen aktiv nutzen, um das eigene Produkt ins Gespräch zu bringen. So experimentiert man mit Methoden, Blogger in Marketing- und Werbestrategien zu integrieren. Mit fairen Vereinbarungen und zur Verfügung gestellten Kameras, Handys oder – allerdings für einen begrenzten Zeitraum – Autos versucht man zum Thema zu werden; bisher immer unter der Einräumung vom freien Willen über das Produkt zu bloggen.

Nun jedoch beschreitet die Werbeszene neues Terrain: Blogger werden dafür bezahlt, dass sie im redaktionellen Bereich unter engen Vorgaben einen Eintrag über ein Produkt schreiben und erhalten dafür einen gewissen Betrag. Selbst wenn diese Einträge als Sponsorship gekennzeichnet werden, so zeigen Diskussionen doch, das sich Blogger ebenso wie deren Leser offen Gedanken um die Glaubwürdigkeit und Integrität sorgen. Man kennt das Prinzip durchaus auch aus dem Journalismus, wo Autotester, Reisereporter und Co. zu Veranstaltungen oder Reisen eingeladen werden und darüber berichten sollen. Die Grundkritik darin besteht vor allem in der Frage, wie unabhängig und kritisch diese Berichte überhaupt sein können.

Den Grund für Firmen, sich durch derlei Aktionen in einem positiven Licht präsentieren zu lassen sieht man schnell: Zum einen wird man gesteuert zum Thema, zum anderen weiß man nicht erst seit einer aktuellen Studie, dass sich über 50 Prozent der potenziellen Käufer von privaten Empfehlungen aus dem Freundeskreis, in Foren und Weblogs stärker beeinflussen lassen, als von Werbern und Verkäufern.
Das Spiel mit bezahlten Inhalten allerdings ist gefährlich: Finden sich genug Protestler gegen das Format oder bestimmte Aktionen, die ihre bezahlten Blogger-Kollegen verrufen, kann sich der beabsichtigte Effekt schnell drehen, für das Produkt ebenso wie für den Blogger.
Zudem lebt der Blogger, der solch redaktionelle Werbung veröffentlicht, ab 2007 ziemlich risikoreich, denn das neue Telemediengesetz schließt erstmals in seinen Ausführungen auch Weblogs ein. Und die müssen Werbung ebenso entsprechend kennzeichnen wie etablierte Medien. Wer das nicht tut, dem drohen bekannte Sanktionen, nämlich mögliche Abmahnungen von anderen Webmastern, Werbeagenturen oder Konkurrenten der beworbenen Produkte.

Weblogs werden immer interessanter für Werber, und langsam kann sogar ein deutscher Blogger durch seine Bekanntheit Werbeeinnahmen erzielen, die seinen Grundbedarf fürs Leben sichern. Das Bestreben, etablierte und derzeit durchaus beliebte Werbeformate wie Textlinks oder kleinere Bannern zu durchbrechen, kann man sowohl auf Blogger-Seite (mehr Geld) als auch auf Unternehmensseite (mehr Meinung, Darstellung) nachvollziehen. Jedoch: Durch die zunehmende Popularität des Format Weblog und die damit einhergehende unweigerliche “Kommerzialisierung“ stehen Weblogs verstärkt unter Beobachtung und der normale Nutzer wird sich irgendwann mit der Frage nach Glaubwürdigkeit und Ethik auseinander setzen. Mit gekauften Inhalten tragen weder Unternehmer noch Blogger zur Verbesserung der Glaubwürdigkeit bei. Zumindest über den Moment hinaus nicht.

ist Journalist und Berufsblogger. Blogger ist Gigold bereits seit den letzten Dezembertagen des Jahres 2000, seit 2005 verdient er sein Geld mit Blogs und arbeitete u.a. für BMW, Auto.de und die Leipziger Messe. Selbst bloggt Gigold unter medienrauschen.de über Medienthemen. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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6 comments

  1. Wollte nur mal klarstellen, dass gerade ReviewMe keine „engen Vorgaben“ macht, außer einer Mindestanzahl an Wörtern und sogar die Kenntlichmachung der Artikel als „gesponsert“ o.ä. verlangt.

  2. Für mich riecht das Thema sehr nach Angstschweiß der etablierten Medien und ihrer Vertreter. Wenn die Musik-/Unterhaltungs-/Auto- und sonstige Industrie jetzt auch noch Blogger für ihre Meinung schmiert, und zwar für ein Butterbrot, und damit die Preise versaut… wo bleibt man dann selbst?

    Und das mit der Impressumspflicht im nächsten Jahr ist ja schön und gut, aber nachher will das Gesindel noch außer den Pflichten ein paar Rechte, wie z.B. einen Presseausweis, um auch so schöne Rabatte für Waschmaschinen etc. einzufahren?

    Sorry für den Hauch Zynismus, aber bislang kenne ich die Schwierigkeit, zwischen redaktionellem und werblichem Inhalt zu trennen, hauptsächlich aus Funk, Fernsehen und Print und den „professionellen“.

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