Apple und Google setzen stärker auf Kontext, zum Leidwesen der Nutzer

Mit dem Fokus auf Kontext werden Android und iOS bald deutlich stärker auf die eigenen Dienste fixiert und der Nutzer muss sich zwischen beiden Plattformen entscheiden. Android und iOS sind inzwischen so weit ausgereift, dass die Wahl zwischen den beiden Mobile-Betriebssystemen nur noch eine Frage der persönlichen Präferenz ist. Apple und Google bereiten aber den nächsten großen Schritt bereits vor und setzen bei beiden Betriebssystemen künftig stärker denn je auf Kontext, um Nutzern das Leben zu vereinfachen. Allerdings ist die Gefahr groß, dass die Nutzer darunter zu leiden haben. Die Kluft zwischen den beiden Plattformen wird unüberbrückbar.

Wahlfreiheit

Derzeit ist es für den Nutzer eine hervorragende Situation: Man kann sich frei entscheiden, ob man Smart-Devices mit iOS oder Android nutzen möchte und muss kaum auf die Vorzüge vieler Dienste verzichten. Problemlos lassen sich auf einem iPhone oder iPad Google-Dienste wie Google Maps, Gmail oder Google Hangouts nutzen, wenn einem die Apple-Pendants nicht zusagen. Das Beste aus beiden Welten sozusagen. Doch nach den beiden Entwicklerkonferenzen Google I/O und WWDC, auf denen beide Unternehmen vor einigen Wochen jeweils Ausblicke auf die kommenden Versionen von Android und iOS gegeben haben, scheint es so, als wären diese Tage gezählt – und das obwohl beide Konkurrenten das gleiche Ziel vor Augen haben: Kontext.

Google hat mit Now On Tap ein beeindruckendes Feature vorgestellt, das Kontextbewusstsein über Google Now hinaus, auf das ganze OS ausdehnt. Wenn man zum Beispiel in einer Chat-App über ein Restaurant spricht, kann man einfach den Home-Button gedrückt halten und Fragen: “Wann schließt das Restaurant?“ Google Now scannt die offene App nach wichtigen Keywords, versteht um welches Restaurant es sich handelt und kann die Antwort anhand von Daten aus der Yelp- oder Foursquare-App liefern. Der einzige Haken an der Sache? Man braucht dafür ein Android Smartphone. Google Now gibt es zwar auch für iOS, allerdings ist der Virtuelle Hellseher Assistent dort nicht annähernd so hilfreich, da die tiefgreifende Integration ins OS nicht möglich ist. Diese ist aber nötig, um das volle Funktionsspektrum auszuschöpfen – dieser Mangel an Integration wird sich bei Now on Tap noch stärker als bisher ohnehin schon bemerkbar machen.

Natürlich ist Google Now aber nicht die einzige Option in Sachen Kontext auf iOS-Produkten, denn auch Apple hat mit Siri Großes vor. Zunächst einmal erhält Siri ein Feature, dass Google Now lange Zeit exklusiv angeboten hat, vorauseilende Benachrichtigungen. Die App wartet also nicht mehr, bis der Nutzer fragt, sondern unterbricht ihn, um ihn automatisch mit möglicherweise nützlichen Informationen zu versorgen. Unter iOS 9 werden zudem Apple Maps und Kalender tief in Siri integriert sein und der virtuelle Assistent wird sich sehr stark auf die Spotlight-Suche verlassen. Siri kann dadurch auch, je nach Kontext, passende Informationen und Hilfestellungen bieten, allerdings ist dieses Feature eben nur möglich, wenn man die Apple-Anwendungen statt der Google-Apps (oder gar Microsofts oder Yahoos Alternativen) nutzt.

Die Qual der Wahl

Google Now und Siri werden also um ein vielfaches besser – allerdings gelingt dies beiden nur, durch die exklusive Nutzung der Apple- oder Google-Dienste. Die virtuellen Assistenten werden also zunehmend abhängig von den Apps des eigenen Anbieters, während immer mehr Nutzer sich verstärkt auf die virtuellen Assistenten in ihrem Alltag verlassen. Mit dieser Entwicklung versagen Apple und Google den Nutzern in Zukunft die Wahlfreiheit, denn wer etwa Gmail auf seinem iPhone nutzt, kann nicht den vollen Funktionsumfang von Siri genießen und wer auf einem Android-Smartphone ebenfalls lieber alternative Dienste nutzt, muss sich mit einem enttäuschenden Google Now-Erlebnis zufrieden geben.

Mit dem Kauf bestimmter Hardware wird künftig also auch die Wahl einer bestimmten Plattform noch wichtiger als bisher. Selbstverständlich lassen sich Smartphones und Tablets auch weiterhin mit den Konkurrenzdiensten nutzen, aber eben nur, wenn man bereit ist, auf die virtuellen Assistenten zu verzichten. Da diese allerdings immer stärker zum Mittelpunkt der mobilen Betriebssysteme werden, erhalten Nutzer, die sich trotzdem für Dienste von der Konkurrenz entscheiden, stark eingeschränkte Smartphones. Besonders schade ist diese Entwicklung, da sich die beiden Plattformen eigentlich gerade soweit angenähert haben, dass jeder das für sich beste Nutzungserlebnis wählen und dieses an die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben anpassen kann.


Image (adapted) „The raging battle between Apple’s iPhone and Google’s Android“ by Tsahi Levent-Levi (CC BY-SA 2.0)


 

ist Wahl-Berliner mit Leib und Seele und arbeitet von dort aus seit 2010 als Tech-Redakteur. Anfangs noch vollkommen Googles Android OS verfallen, geht der Quereinsteiger und notorische Autodidakt immer stärker den Fragen nach, was wir mit den schicken Mobile-Geräten warum anstellen und wie sicher unsere Daten eigentlich sind. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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