Ein Leben ohne Weihnachtspost

„Wie lautet eigentlich deine Adresse in Dubai?“ Eine Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Straßennamen gibt es erst seit kurzem und meist kennen Taxifahrer und Freunde sowieso nur die Bezeichnung des Towers und Viertels, in dem man wohnt. Namen an den Appartment-Türen gibt es nicht – in den langen Korridoren der hohen Gebäude orientiert man sich wieder in Zahlen. Panorama Tower, The Greens, 504 oder Cluster Y, JLT, 1348.

Wie soll da ein Postbote zu einem finden? Die Antwort ist: gar nicht. Muss er auch nicht, da man in der neumodernen Stadt noch nicht mal über Briefkästen verfügt. Rechnungen, Verträge, Mahnungen – alles erreicht einen per SMS oder Mail. Wer trotzdem Briefe empfangen muss, lässt sie an kostenpflichtige, angemietete Postfächer (PO. Boxen) senden, über die jedes Unternehmen verfügt.

Als ich dringend Dokumente aus Deutschland brauchte, wurden diese an die PO-Box meiner Arbeitsstelle per Express-Boten geschickt, der nicht nur meinen Namen, sondern auch meine Handynummer kannte – sollte er den Weg zu mir nicht finden. Für den schnellen Service musste ich tief in die Tasche greifen. Auf dem normalen Postweg wartet man gerne mal Wochen, wenn nicht Monate auf die Sendung. Und das in einer Stadt, die sich oft schneller entwickelt als man denken kann, in der es neueste Technologie und die schnellsten Auto gibt.

Als ich mich verwundert umhöre, erwidert eine Deutsche, die hier seit zehn Jahren wohnt: „Man darf nicht vergessen, dass wir hier in der Mitte der Wüste leben. Meine Weihnachtspost bekomme ich meistens im Februar, denn sogar Postkarten brauchen ewig. Aber wenn sie dann ankommt, freue ich mich extrem, da Post hier so ein seltenes Gut ist.“ Diese liegen dann morgens, wenn sie zur Arbeit kommt, auf ihrem Schreibtisch, nachdem ein Fahrer sie von der PO.-Box abgeholt und die Rezeptionistin an die Mitarbeiter verteilt hat.

Von allzu personalisierten Briefumschlägen und verrückten Postkartenmotiven sollte also abgesehen werden, sonst erntet man gerne eine Bemerkung vom Mitarbeiter oder Chef im nächsten Meeting. Und nicht nur das: „Man darf nicht vergessen, dass alles beim Zoll kontrolliert wird, was auch seine Zeit dauert. Manchmal bestelle ich bei Amazon Pakete und wenn sie ankommen, sieht man, dass sie geöffnet und wieder geschlossen wurden“, erzählt die Expat-Kollegin.

Briefgeheimnis? Fehlanzeige!

Wenn die Ware nicht den Richtlinien hier entspricht, wird sie entsorgt: „Mir ist auch schon mal passiert, dass ich eine deutsche Frauenzeitschrift bestellt habe, bei der dann die freizügigeren Bilder mit schwarzem Edding übermalt wurden – und zwar noch nicht mal nur auf dem Cover, sondern auch innerhalb des Magazins. Sie nehmen ihre Arbeit also sehr genau.“

Das Problem ist also bekannt. Gibt man bei der Facebook-Gruppe „Deutsche in Dubai“ den Suchbegriff „Brief“ ein, finden sich ungemein viele Anfragen, wo denn die besten Post-Offices zu finden seien oder ob jemand einen Brief mit nach Deutschland mitnehmen könnte. Denn nicht nur das Empfangen, sondern auch das Senden ist hier in Dubai mit mehr Aufwand verbunden. Briefkästen gibt es nur vereinzelt – wo sie stehen, gehört auch zum Insider-Wissen, dass man sich als Expat nach und nach in Dubai aneignet: „Hinten rechts, neben dem Aufzügen in der Marina Mall!“

Während die Vorschriften für verbotene Ware in Stein gemeißelt sind, zeigt sich eine Entwicklung für eine bessere Orientierung in den Emiraten. Natürlich digital – wie sollte es auch anders sein. Die Hauptstadt Abu Dhabi ist Vorreiter für das neue Onwani-System. Hierbei wird jedes Straßen- und Hausnummernschild mit einem QR-Code versehen, der Informationen über die Location, aber auch über die Namensgebung des Ortes bereithält. Um die elektronischen Barcodes zu scannen, benötigt man nur ein herkömmliches Smartphone und die passende App.

Vielleicht kann auch ich dann in Zukunft auf die Frage nach meiner Adresse ein wenig adäquater antworten. Ob damit die Weihnachtspost dann aber öfter in die Wüste gelangt, ist jedoch fraglich.


Image (adapted) „Weihnachten“ by Gellinger (CC0 Public Domain)

Maren Méheust schrieb schon aus Paris, Dubai und Berlin für die Netzpiloten. Sie wohnt mittlerweile an der französischen Grenze in Kehl und arbeitet als Strategin bei der Digitalagentur TLGG. Maren Méheust ist Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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