Mit der Crowd zur Wissenschaftsmagazin-App „Substanz“

Wenn traditionelle Verlage Grenzen setzen, packt man es eben selbst an. Crowdfunding ebnet zwei Wissenschaftsjournalisten den Weg für das Digitalmagazin „Substanz“. // von Julian Heck

substanz

Starre Strukturen, Abhängigkeit, Ressourcenmangel – große Verlage machen sich selten einen Namen als Vorantreiber von Innovationen. Dafür fehlt scheinbar das Geld, mindestens aber Mut und das Bewusstsein, auch erfolgreich scheitern zu können. Das haben auch Georg Dahm und Denis Dilba von „Fail Better Media“ erkannt, die zuvor unter anderem für den „New Scientist“ arbeiteten und nun mit viel Engagement und großem Wille das neue Wissenschaftsmagazin „Substanz“ aus dem Boden hieven. Aus der Idee wurde ein konkreter Plan und dank fast 600 Unterstützern ist nun auch der finanzielle Grundstein für die praktische Umsetzung gelegt worden.


Warum ist das wichtig? Der Crowdfunding-Erfolg von „Substanz“ zeigt, dass ein ruhiger, hochwertiger Journalismus nicht nur von Journalisten, sondern auch von Lesern erwünscht ist.

  • Zwei Journalisten sammeln per Crowdfunding über 35.000 Euro, um verlagsunabhängig ein digitales Wissenschaftsmagazin auf die Beine zu stellen.
  • „Substanz“ erscheint ausschließlich als App und setzt auf Tiefe und eigens recherchierte Themen statt einem Hinterherhecheln der aktuellen Agenda.
  • Das digitale Wissenschaftsmagazin soll wöchentlich erscheinen und etwas kosten.

Eine Lücke füllen

Rund 35.000 Euro Startkapital stellt die Crowd auf der Crowdfunding-Plattform Startnext den Machern mit jeder Menge Vorschusslorbeeren zur Verfügung. „Substanz“ wird also kommen – und zwar in wöchentlichem Rhythmus als App. Nicht kostenlos, „[d]enn die Zeit ist reif für einen bezahlten digitalen Qualitätsjournalismus.“, wie die Initiatoren auf Startnext propagieren. Was „Substanz“ bietet, was bisherige Wissenschaftsmagazine nicht geboten haben? Georg Dahm und Denis Dilba sprechen oft von „respektlosem Journalismus„: Kritisch und unbequem soll ihr Magazin sein. Es soll Themen aufdecken, die ansonsten untergehen würden. Umgeschriebene Pressemitteilungen werden in „Substanz“ keinen Platz finden, ebenso kein Blümchenjournalismus, der die Welt schön und bunt schreibt.

Für das Team ist die Ausgangslage eindeutig: „In Deutschland fehlt ein anspruchsvolles, zeitgemäßes Wissenschaftsmagazin.“ Diese Lücke möchten sie füllen. Dass mittels Crowdfunding ein derart hoher Betrag zusammengekommen ist, wie er bei journalistischen Projekten in Deutschland bisher eher die Ausnahme ist (vergleiche dazu den Hype um den Erfolg von Dirk von Gehlens „Eine neue Version ist verfügbar“, rund 14.000 Euro), zeigt eindrucksvoll das Potential, welches hinter Qualitätsjournalismus steckt – selbst in einem Nischenthema. Doch die Zielgruppe des Themas Wissenschaft ist breit gefächert, quasi jedermann soll „Substanz“ konsumieren können. Das nehmen sich die beiden Unternehmerjournalisten zumindest vor: „Vorkenntnisse nicht erforderlich, aber auch nicht von Nachteil: Substanz-Geschichten respektieren Laien und Experten gleichermaßen.“

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Substanz – das digitale Wissenschaftsmagazin from Fail Better Media on Vimeo.

Hohe Erwartungen

Die Zielsumme von 30.000 Euro wurde deutlich übertroffen: ein Überschuss von 5.000 Euro gönnten die Unterstützer den „Substanz“-Machern. Vorschusslorbeeren, mit denen Georg Dahm und Denis Dilba jetzt zurechtkommen müssen. Die Erwartungen der Unterstützer, der Kollegen und auch die Erwartungen an sich selbst dürften hoch sein. Sie wollen einen Wissenschaftsjournalismus bieten, der inhaltlich und gestalterisch einmalig ist. Ob das Experiment, wie sie ihr Vorhaben selbst beschreiben, gelingt, werden die ersten Ausgaben zeigen. „Wir haben euch ein großes Versprechen gemacht. Und jetzt gehen wir zurück an die Arbeit.“ Die eigentliche Arbeit kommt nämlich erst jetzt: guten Journalismus machen, für den auch wirklich bezahlt werden möchte.

ist freier Journalist, Dozent und Lehrbeauftragter an der Hochschule Darmstadt. Er schreibt über die Themen Medien, Technik und digitale Wirtschaft. Zu seinen Auftraggebern gehören unter anderem etailment.de, LEAD digital, Mobilbranche, das Medium Magazin, MobileGeeks.de und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Vom Medium Magazin wurde der Südhesse 2013 unter die "Top 30 bis 30" Nachwuchsjournalisten gewählt. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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