Kommunikation zwischen Technologie und Philosophie

Philosophie erscheint uns oft als abstrakte und abseitige Disziplin, besonders im Vergleich zur praktischen Technologie in unserem alltäglichen Leben. Es gibt aber einiges, was die Technologie von der Philosophie lernen kann – und auch umgekehrt.

Die Software wird normalerweise im Hinblick auf den Kommunikationsnutzen konzipiert – egal, ob es dabei um die Kommunikation innerhalb einer Software geht oder es sich um eine Software handelt, die Kommunikation zwischen Menschen ermöglicht. Kommunikation ist jedoch viel mehr als der bloße Austausch von Informationen. Menschen sprechen oder schreiben aus einer Vielzahl von Gründen, oft auch einfach nur, um in Verbindung zu bleiben oder der Freundschaft wegen.

Die Geschichte der Philosophie und der Psychologie ist voller Versuche, die menschliche Motivation auf ein ultimatives Antriebsprinzip zu reduzieren – sei es Überleben, Sex, Macht, Streben oder Befriedigung. Ähnliche Herangehensweisen finden sich bei der Kommunikation: der englische Philosoph John Locke erörterte im 16. Jahrhundert, dass wir kommunizieren, um Informationen über den jeweils anderen zu erhalten und gleichzeitig dabei unser Verlangen befriedigen.

Die Ansichten Lockes sind auch heute im Bezug auf die Konzeption von Informations- und Kommunikationstechnologie weiterhin aktuell. Es wäre allerdings besser für uns, wenn wir diese und andere verkürzte Sichtweisen mit einer pluralistischeren Sicht auf die Dinge, die wir tun, ersetzen würden. Möglicherweise sollten Philosophen dem menschlichen Verhalten eine größere Aufmerksamkeit schenken.

Wie wir kommunizieren ist ebenso wichtig wie das Warum

Die Kommunikationstechnologie verfügt über das sehr menschliche Bedürfnis, gemocht und wertgeschätzt zu werden. Über die sozialen Medien liken, teilen und re-tweeten wir und kommentieren andere Menschen – Handlungen, die in erster Linie nicht zur Verbreitung von Informationen dienen. Selbstverständlich werden dabei wertvolle Daten abgegeben. Daten, die von Werbetreibenden nach Informationen durchsucht werden können. Es ist jedoch ein Fehler, Daten mit Informationen gleichzusetzen. Wenn ich einen Witz mache, habe ich normalerweise nicht vor, jeden über alles zu informieren, auch wenn ich versehentlich dabei alles Mögliche über meine Art des Humors preisgeben könnte.

Die gesamte Grußkartenindustrie wurde auf der Idee aufgebaut, dass wir oftmals Glückwünsche an besonderen Tagen ausdrücken, oder zumindest von uns erwartet wird, dass wir das tun. Der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein lehrte uns, dass der öffentliche Ausdruck eines Bestrebens, eines Wunsches, eines Gefühls oder einer Überzeugung nicht unser geistiges Innenleben widerspiegelt. Deshalb kann die Aussage „diese App ist fehlerhaft, jedoch glaube ich nicht, dass sie fehlerhaft ist“ eine wahre sein, auch wenn sie sich paradox anhört.

Warum sollte all das für Entwickler, Hersteller und Nutzer von Technologien wichtig sein? Eine begrenzte Sicht dessen, warum wir kommunizieren, begrenzt zwangsläufig die Arten von Kommunikationstechnologien, die wir erschaffen. Interessanterweise sind viele der Dinge, für die wir Technologie einsetzen, Nebenprodukte der Projekte, für die sie eigentlich geschaffen wurden (beispielsweise entstand das Internet aus einem US-Verteidigungsprojekt, in dem nach Möglichkeiten für Netzwerkpakete gesucht wurde). Sobald wir unsere vorgefertigte Vorstellung davon, dass die Informationsübertragung ihr einziger Nutzen ist, außen vor lassen, werden die Möglichkeiten dessen, was wir erschaffen können, nahezu endlos.

Von Kommunikation zu Verständnis

Diese falsche Vorstellung von Kommunikation lässt sich auch auf unser Verständnis anwenden. Weder das Verständnis noch die Kommunikation können auf die einfache Ansammlung neuer Tatsachen reduziert werden. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Verstehen der Worte, die jemand gesprochen hat und dem Verstehen des Sprechers selbst – das „Warum“ muss ebenso verstanden werden wie das „Was“.

Wittgenstein sagte den berühmten Satz: „Wenn ein Löwe sprechen könnte, würden wir ihn nicht verstehen.“ Dies geschieht nicht aufgrund einer unüberwindbaren Sprachbarriere, sondern weil wir nicht wissen würden, worauf er mit seinen Worten hinaus möchte. Siri von Apple und Cortana von Microsoft, beide unterstützt durch Stimmaktivierungs- und Interaktionssoftware, machen sich die künstliche Intelligenz zu Nutze. Derartige Softwaresysteme entstammen der Hoffnung, eine Technologie erschaffen zu können, die uns verstehen kann und die von uns verstanden wird. Jedoch macht es keinen Sinn, zu fragen, ob solche Maschinen uns jetzt oder irgendwann verstehen könnten, ohne uns vorher selbst zu fragen, zu welchem Zweck wir diese Maschinen nutzen wollen. Warum sollten wir überhaupt mit ihnen kommunizieren wollen? Die Antwort, dass die Notwendigkeit bestünde, dass sie uns auch in entferntesten Dingen verstehen sollten, ist eher unwahrscheinlich. Ein guter Staubsauger muss nicht verstehen, warum ich eine höhere Saugkraft benötige, wenn ich den entsprechenden Knopf drücke. Das Gleiche trifft auf einen Kartenservice im Internet zu. Das Verstehen käme dem Nutzen nicht besonders entgegen.

Wir müssen uns selbst davon befreien, nach einer Kommunikation zu streben, die auf Informationsübertragung ausgerichtet ist, die Mensch und Maschine sich gegenseitig verstehen lassen wollen oder müssen. Die Art, in der wir die allgegenwärtige Kommunikationstechnologie konzipieren und nutzen, würde von einer Herangehensweise profitieren, die nicht von dieser unerkannten Annahme geleitet wird.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation„unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

The Conversation


Image „Communication“ by Peggy_Marco (CC0 Public Domain)


ist Professor der Philosophie an der Universität Hertfordshire und Mitglied der Royal Society of Arts. Zudem ist er als Autor und Herausgeber tätig. Obwohl sein Interessengebiet breit gefächert ist, beschäftigt er sich hauptsächlich mit der Philosophie des Handelns und moralischer Psychologie.


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