Kreativwerkstatt Fab Lab – werde zum Macher!

Ganz nach dem Geschmack der Sharing Economy werden in sogenannten Fab Labs, innovative Ideen durch das Teilen von Arbeitsraum und Maschinen kreiert und realisiert. Die etwas spacig klingende Abkürzung „Fab Lab“ steht dabei für „fabrication laboratory“, also Fabrikationslabor. Es handelt sich um Werkstätten, die mit Hightech-Maschinen ausgestattet sind und in einer solch bunten Mischung wie in Fab Labs, höchstens in der Industrie oder bei Produktdesignern zu finden sind. Zur Ausstattung gehören Maschinen wie 3D-Drucker, Laser Cutter oder CNC-Fräsen. Die Bewegung stammt aus den USA, wo im Jahr 2002 das erste Fab Lab errichtet wurde. Inzwischen sind Fab Labs über die ganze Welt verteilt zu finden und auch in Deutschland gibt es bereits rund 40 Kreativwerkstätten dieser Art.

3D-Druck
3D-Druck des Zwischenstücks für Lukes elektrisch betriebenes Skateboard, Image by Melanie Kropefl

Wer nun denkt, dass in solchen Werkstätten nur Maschinenbauer, Designer und andere Tech-Profis am Werk sind, der irrt. Die Besucher des Fab Labs sind so vielfältig und verschieden wie ihre Projekte. Sie lassen sich nicht auf eine bestimmte Altersklasse beschränken und auch der Wissensstand der dort oft auch zufällig Gestrandeten ist sehr unterschiedlich. Bei meinem Besuch im Hamburger Fab Lab, dem Fabulous St. Pauli, traf ich auf Luke, der aus Taiwan stammt und der gerade an einem elektrisch betriebenen Skateboard, „das eine Mischung zwischen Skatboard und Fahrrad werden soll“, arbeitet. Sein 3D-Drucker ging beim Transport kaputt, weshalb es ihn in das Fab Lab in St. Pauli verschlug.

Im Fab Lab produziert er ein Zwischenteil, welches die Verbindung zwischen dem Elektromotor und dem Kettenblatt herstellt. Da solche Spezialanfertigungen nicht am Markt erhältlich sind, bietet das Fab Lab die Möglichkeit vor Ort, getreu dem Motto do it yourself, individuelle Bestandteile zu drucken. Das Zwischenstück wurde eigens von Luke designt und anschließend mit dem 3D-Drucker hergestellt.

Vor Ort sprach ich mit Alexander Sylvester, Vorsitzender des Fabulous St. Pauli, und erhaschte einige interessante Eindrücke über die Fab Lab-Kultur:

Mit welchem Vorwissen kommen Menschen zu euch ins Fab Lab? Bringen diese bereits Fachwissen über die Bedienung der Maschinen mit?

Alexander Sylvester: Das ist sehr unterschiedlich. Es kommen erstaunlich viele Leute bereits mit Dateien oder einer konkreten Vorstellung zu uns. Bei anderen besteht lediglich eine Idee im Kopf oder sie haben eine vage Vorstellung ihres Projekts. Im Fab Lab erfolgt dann der Austausch von unterschiedlichen Ansichten und es werden von bereits erfahreneren Tüftlern Ratschläge weitergegeben. Der Dialog untereinander fördert die Umsetzung vieler Projekte immens. Wissen über das Handling der Maschinen wird unter den Mitgliedern oder von uns selbst vermittelt. Gegenseitiges Helfen wird in der Fab-Lab-Kultur großgeschrieben.

Heißt das, dass hier auch neue Ideen entstehen?

Genau. Manchmal entstehen hier auch neue Ideen. Was aber viel wichtiger ist, ist, dass die Ideen einem Realitätscheck ausgesetzt werden, sodass manche sagen: „Mach das mal lieber anders, in der Form gibt es das schon.“ Oder dass man aus der Erfahrung sagen kann, dass sich manche Sachen so gar nicht, oder jedenfalls nicht im Rahmen der Kosten produzieren lassen. Es werden Denkanstöße gegeben und nach Lösungen gesucht, die auch meist gefunden werden.

Welches Team steht hinter dem Fab Lab und wie organisiert ihr euch?

Das Fab Lab ist als Verein organisiert. Wir haben jede Menge Mitglieder, wobei natürlich nicht alle gleich aktiv sind. Das Kernteam besteht aber aus ungefähr zehn Leuten. Bisher erhalten wir keine Unterstützung von außen, weder staatliche noch private. Das heißt, das Lab wird über Mitgliedsbeiträge getragen. Für die Zukunft wünschen wir uns aber Unterstützung – unabhängig davon, ob es sich dabei um Stiftungen, Privatunternehmen oder staatlichen Organisationen handelt. Im Moment beruht aber alles auf ehrenamtlicher Tätigkeit.

3D-Drucker des Fabulous St. Pauli
3D-Drucker des Fabulous St. Pauli, Image by Melanie Kropefl

Woher stammen die Maschinen, die hier im Fab Lab zur Verfügung stehen?

Das ist ein ziemlicher Mix, aber sehr viele von den Maschinen sind private Leihgaben oder Schenkungen, teilweise waren die Sachen kaputt und wir haben sie repariert. Oft ist es so, dass den Leuten die geeigneten Räumlichkeiten fehlen, um die Maschinen zu nutzen. Gerade in der Stadt ist der Mietraum ja auch eher begrenzt. Da unser Gebäude als Gewerbeareal ausgewiesen ist, kann man bei uns ohne Bedenken fröhlich drauf los sägen, hämmern und fräsen, ohne jemanden mit dem Lärm zu belästigen.

Kann man sagen, welche Materialien am häufigsten verwendet werden? Oder ist das quer durch die Bank?

Quer durch die Bank trifft es auf den Punk. Früher gab es zahlreiche offene Werkstätten wie eine Metall-, Holz-, Fahrrad- oder Autowerkstatt, wo Leute die einzelnen Materialien verarbeitet haben. In einer Metallwerkstatt wurde typischerweise kein Holz verarbeitet – und umgekehrt. Hier ist das so, dass einige der Maschinen, zum Beispiel der Lasercutter, verschiedenste Materialien wie Stoff, Filz, Holz, aber auch Plexiglas und anderes Plastik schneiden kann. Das ist schon eine interessante Sache: Durch diese Schneidetechnik entsteht kaum Abfall, es staubt und splittert nicht, weshalb unterschiedliche Materialien durchaus auch parallel in der Maschine verarbeitet werden können. Es ist auch schön, zu beobachten, wie Leute, die total konträre Materialien bearbeiten, zusammentreffen und dadurch wiederum die Kreativität angeregt wird. Da kann ja jemand sein, der, sagen wir mal, ein Plastikgehäuse macht und dann kommt jemand anderes rein und schneidet einen Stoff zu.

Also ist die soziale Komponente ein Bonus?

Genau, ein sehr entscheidender Bonus, würde ich sagen. Für viele ist das Fab Lab St. Pauli auch Anlaufpunkt, um mit Menschen mit ähnlichen Interessen in Kontakt zu treten.

Welche spezielle Software wird zum Erstellen von Modellen verwendet? Gibt es direkt vor Ort auch Computer-Arbeitsplätze?

In Fab Labs kommen viele verschiedene Leute, die nicht unbedingt technische Zeichner sind und nicht mit teurer Software arbeiten, sondern häufig Open Source-Software bedienen. Früher war es so, dass in einer Datei für einen Lasercutter die Linien in einer ganz bestimmten Farbe und Strichstärke angelegt werden mussten, was sich als unpraktisch erwies. Die RWTH Aachen entwickelte daraufhin die Software VisiCut, die sehr flexibel ist und wir hier im Fab Lab auch verwenden. Vor Ort stehen den Mitgliedern mehrere Computer zum Arbeiten zur Verfügung. Außerdem bieten wir Workshops für 3D-Modellierung an, oder man kann lernen, wie man 2D-Grafiken erstellt.

Gibt es ein besonderes Projekt oder eine schöne Geschichte, die dir im Kopf geblieben ist und sich hier im Fab Lab ereignete?

Es gibt eine kleine Geschichte, die ich immer mal erzähle. Eine hochschwangere Frau kam eines Tages ins Fab Lab, um einen kleinen Elefanten als Talisman zu machen. Ursprünglich wollte sie ihn aus Metall formen und hatte dafür eine Zeichnung auf ihrem Tablet mitgebracht. Wir halfen ihr dabei, die Zeichnung in ein 3D-Modell zu konvertieren und druckten es direkt aus. Nach ungefähr einer halben Stunde war der kleine Elefant fertig und sie ging total happy nach Hause.

Eine andere Frau kam zu uns, um ein Textilprojekt umzusetzen. Im Fab Lab entdeckte sie den Lasercutter und ging anschließend mit von ihr persönlich designten und gelaserten Knöpfen. Auch wenn dies, auf technischer Ebene gesehen, recht simple Projekte waren, sind sie für die einzelne Person etwas sehr Einzigartiges, womit eine absolut positive Erinnerung verbunden ist. Dies sind Erlebnisse, die einem persönlich sehr viel weiter bringen. Ein Herr kam einmal auf uns zu und erkundigte sich zu Kursen für die 3D-Modellierung. Zu diesem Zeitpunkt boten wir jedoch noch keine Kurse dazu an. Wir hatten aber einen Fab-Lab-Besucher bei uns, der tagtäglich mit 3D-Modellierung in einer Open Source-Software arbeitete. Wir vermittelten – und so ergab es sich, dass er eine Art Einzelschulung bekam.

Welches Ziel verfolgt ihr? Welche Entwicklung des Fab Labs St. Pauli wünscht ihr euch in Zukunft?

Wir träumen davon, unseren Mitgliedern eine noch bessere und breitere Auswahl an Maschinen zur Verfügung stellen zu können. Organisatorisch gesehen braucht es noch mehr Mitglieder, die sich aktiv einbringen und uns ehrenamtlich unterstützen. Dadurch wäre es möglich, das Potenzial, das definitiv vorhanden ist, noch intensiver auszuschöpfen.

Es ist oft so, dass  Projekte, die aus rein privatem Interesse gestartet wurden, durchaus das Zeug dazu haben, in einem größeren Maßstab realisiert zu werden. Wir sehen bereits jetzt, dass das Thema weit über die Grenzen von St. Pauli relevant ist. Jeder Ort und die Leute dort haben eigene Herausforderungen, aber auch Potential. An einem Ort ist es vielleicht die Kreativität, an anderen die kulturelle Vielfalt, Bodenständigkeit, technisches Wissen oder Naturverbundenheit. Wir finden es spannend, diese zu ergründen und können uns für die Zukunft gut auch mehr als ein Fab Lab in Hamburg vorstellen.


Image „Werkzeug“ by Peggy_Marco (CC0 Public Domain)

Images by Melanie Kropefl


absolvierte ihr Wirtschaftsstudium an der Fachhochschule Kärnten im schönen Österreich und verbrachte ihr Auslandssemester in Trondheim/Norwegen. Eine offene und kommunikative Persönlichkeit, die sich Social Media Themen und ihrem Hobby Tanzen hingibt. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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