Fallout 76: Der Super-GAU in vier Akten – Fallout 1st Edition

Bereits kurz nachdem Bethesdas neuestes Ödland-Abenteuer Fallout 76 erschienen ist, hatte das Spiel eine denkwürdige Geschichte hinter sich. Allerdings hätte sich der US-amerikanische Entwickler bestimmt angenehmere Schlagzeilen gewünscht. Stattdessen scheint man kein Fettnäpfchen auszulassen und droht dabei eine treue Spielerschaft zu vergraulen. Und kaum, dass das Spiel auf der richtigen Spur scheint, kommt Bethesda auch noch mit dem nächsten Hammer in Form von Fallout 1st. Ein Super-GAU in mittlerweile vier Akten.

Akt 1: Ein holpriger Release

Das Fallout-Franchise ist eine dieser Spiele-Reihen, die schon lange existieren, aber deren Zahl an Spielen trotzdem vergleichsweise überschaubar ist. Die Zahl 76 steht somit nicht etwa für die Iteration, sondern den namensgebenden Vault 76.

Auch wenn es sich um keine direkte Fortsetzung der Reihe handelt, waren die Fans trotzdem euphorisch über die Ankündigung. Nachdem das 2010 angekündigte „Fallout Online“ in Folge eines Markenrechtstreits eingestellt wurde, sollte Fallout 76 das Franchise endlich in die Onlinewelt bringen. Fallout 76 geht allerdings nicht den Weg eines MMOs, sondern orientiert sich an Online Survival-Spielen wie ARK: Survival Evolved, Rust oder DayZ. In Anbetracht des Settings keine schlechte Entscheidung, auch wenn die Survival-Welle langsam wieder abebbt.

Leider wirkt das Spiel lieblos auf den Markt geschmissen. Trotz angestaubter Technik und einem Limit von 24 Spielern, kämpft das Spiel mit technischen Problemen. Unter anderem sind sogar Spieler-Camps verschwunden. Auch das komplette Weglassen von NSCs sorgte für weiten Unmut, weil Quests durch zurückgelassene Audio-Botschaften insgesamt deutlich an Atmosphäre einbüßen.

Die Zahlen auf Metacritic sprechen eine klare Sprache: Mit einer Durchschnittswertung von 53 Punkten der Presse und nur halb so viel von den Nutzern, steht die dystopische Rezeption des Spiels seiner Welt in nichts nach.

Dabei hätte es schon was gebracht auf die Genre-Verwandtschaft zu schauen. Auch durch die Indie-Natur der Konkurrenz bedingt, kamen diese als Early Access-Titel raus. Erst nach reichlich Feinschliff und einer schieren Content-Flut wurden sie dann released. Zum Launch erlaubt Fallout 76 nicht einmal private Server und Mods – eigentlich Genre-Standard.

Akt 2: Vom Topseller zum Ladenhüter

Es ist schwer zu sagen, ob die ersten Reaktionen weitere Spieler abschrecken, oder ob das Survival-Genre einfach die falsche Entscheidung war. Viele alteingesessene Fans haben schließlich ein Rollenspiel erwartet und die Survival-Welle hat ihren Zenit ebenfalls erreicht. Spaß am Spiel scheinen jedenfalls vor allem Neulinge der Spiele-Reihe zu haben – was an völlig anderen Erwartungen liegen könnte.

Entwickler Bethesda Softworks bedankte sich zwar bei den Spielern mit den Worten „Millionen von euch ziehen durch das Ödland“, doch auf dem britischen Markt soll Fallout 76 ganze 82 Prozent unter den Verkaufszahlen von Fallout 4 liegen. Hier vermisst man die Steam-Unterstützung des Spiels, der größeren Aufschluss über die Spielerzahlen hätte geben können.

Wenn ein Spiel jedoch eine Woche nach Release schon zum halben Preis in der Cyber Monday-Woche verramscht wird, spricht es nicht gerade für eine große Nachfrage. Dadurch fühlten sich dann auch einige Käufer der ersten Stunde veräppelt, die für ihren Glauben ans Spiel einen wortwörtlich hohen Preis bezahlen mussten – zumindest im Vergleich zu den Schnäppchenjägern.

Mittlerweile entschädigt Bethesda die frühen Käufer mit 500 Atomen – eine (ebenfalls umstrittenene) Währung für Mikrotransaktionen im Spiel. Das entspricht einen Gegenwert von fünf Euro, von dem man sich gerade mal zwei Tätowierungen leisten kann.

Akt 3: An der falschen Stelle gespart

Auch wenn die Verkaufszahlen offenbar stark unter den Erwartungen bleiben, schafft es das Spiel im Gespräch zu bleiben. Zuletzt geriet die mangelhafte Ausstattung der 200 Euro teuren Power Armor Edition in die Kritik. Doch nicht der namensgebende Powerrüstungs-Helm, sondern die Tasche aus Leinen sorgt für Probleme. Oder sollte ich eher sagen „die aus Leinen sein sollte“? Anders als versprochen, besteht diese nämlich nur aus Nylon.

Laut der Antwort auf eine Support-Anfrage eines enttäuschten Kunden, war das wertigere Material nicht in ausreichenden Mengen verfügbar. In einer weiteren Antwort des Heldesks heißt es, das Material des Prototypen wäre zu teuer gewesen. Man sollte meinen, dass man Kalkulationen bei solch großen Produktionen schon im Vorfeld anstellt. Als Entschädigung wurden übrigens – Achtung Déjà-vu – 500 Atome versprochen.

Aber wisst ihr was? Das war noch gar nicht alles. Dem YouTuber HeelsvsBabyface fiel in Unboxing Videos von größeren YouTubern auf, dass deren Goody-Bags unter anderem auch eine Tasche enthielt – aus Leinen. Zwar handelte es sich um ein anderes Taschenmodell, doch die Tatsache, dass man für die Influencer solche Taschen herstellen konnte, nicht aber für den zahlenden Kunden, goss nochmals Öl ins ohnehin schon tobende Feuer.

Mittlerweile zeigt sich Bethesda zumindest reumütig und bietet eine Nachbesserung an. Bis zum 31. Januar 2019 können Käufer per Support Ticket eine neue Tasche anfordern. Das gilt natürlich nur für Spieler, die den Kauf ihrer Power Armor Edition nachweisen können.

Übrigens: die „Influencer-Tasche“ scheint eine Massenproduktion zu sein, die man ohne Fallout-Logo für unter fünf Dollar erhält.

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NEU Akt 4: Fallout 1st

Bis vor kurzem schien Fallout 76 eigentlich auf gutem Weg zu sein. Etliche Wünsche der Community wurden erhört und einige störende Bugs beseitigt. Unter anderem dürfen Spieler mittlerweile Verkaufsautomaten aufstellen, mit denen man Besuchern, auch wenn man selbst offline ist, Sachen zum Verkauf anbieten kann. Außerdem überarbeitete Bethesda mit Update 10 das Kampfsystem. Für 2020 ist zudem geplant, endlich menschliche NSCs in die Welt einzufügen – zuvor einer der größten Kritikpunkte. Eigentlich schien das Spiel damit auf bestem Weg, sich die Gunst der Spieler zurück zu erlangen. Und dann kündigten sie Fallout 1st an. 

Bei Fallout 1st handelt es sich, um ein Abo-Modell für Fallout 76. Wie in vielen MMOs üblich, ist der Abo-Service optional, bietet aber einige essentielle Vorteile. Für 14,99 Euro im Monat oder 119,99 Euro im Jahr erhalten Spieler:

  • Private Welten: ihr könnt mit bis zu sieben Freunden in einer exklusiven Welt spielen
  • Verwertungskiste: Unbegrenzter Stauraum für Herstellungskomponenten
  • Überlebenszelt: Ein frei Platzierbarer Schnellreise-Punkt inklusive Schlafsack und Lagerkiste
  • Atome: 1.650 Atome, die Währung für Micro-Transaktionen.
  • Ranger-Rüstung: Ein exklusives Outfit für Premiummitglieder
  • Spielersymbole und Emotes

An sich ist das alles ja keine völlige Neuheit. Online-Rollenspiele wie Star Wars: The Old Republic oder Elder Scrolls Online fahren diese Schiene schon seit vielen Jahren. Letztgenanntes Spiel vom selben Studio dürfte sicherlich auch die Vorlage für Fallout 1st gewesen sein. Für das Survival-Genre ist das allerdings ziemlich neu. Wie bereits in Akt 1 erwähnt, sind private Server und Mods einfach Genre-Standard und sorgen erst für die Langlebigkeit der Spiele. Statt wirklich privater Server gibt es nun kostenpflichtige „Private Server by Bethesda“. Nicht das was die Spieler wollen!

Mods wurden ursprünglich für „irgendwann 2019“ angekündigt. Auch an dieser Stelle gibt es noch keine Neuigkeiten. Es ist aber fast schon davon auszugehen, dass auch diese dann Fallout 1st erfordern. Nicht das, was die Spieler wollen!

Derzeit sind diese privaten Welten bei Fallout 1st übrigens nur auf bis zu acht Spielern ausgelegt und unterliegen den Standardeinstellungen des Abenteuermodus auf öffentlichen Welten. Das spärliche Spielerlimit und die fehlende Individualisierung machen die privaten Server für beispielsweise RP-Communities derzeit absolut unattraktiv. Nicht das, was die Spieler wollen!

Warum, Bethesda?

Die Chronologie der Unzulänglichkeiten erinnert fast schon Blizzards denkwürdiger Diablo: Immortal-Ankündigung während der Blizzcon. Warum scheinen die großen PC-Spieleschmieden den Bezug zu ihren Kunden zu verlieren? Wieso müssen wir jetzt plötzlich auch jene Entwickler anzweifeln, die seit Jahren wegen ihrer guten Spiele quasi unantastbar waren? Na gut, Oblivion und Skyrim fand ich zuletzt auch schon deutlich überbewertet, aber keinesfalls schlecht.

Bei Bethesda geben derzeit offenbar Anzugträger den Ton an, die keinerlei Verbindung zu den Fans haben. Bei einem so großen Unternehmen nicht unüblich, aber dennoch umso bitterer. Es wäre schade einen Entwickler mit so großer Tradition zu verlieren. Mir tun in solchen Fällen auch immer die Entwickler leid, die mit Sicherheit den Frust der Spieler verstehen können, aber eben das entwickeln, was von ihnen verlangt wird. Bitte Bethesda, überdenkt euer Modell mit Fallout 1st nochmal und in welche Richtung ihr zukünftig gehen wollt. Verprellt nicht die Spieler, die eure Spiele schon seit unzähligen Jahren lieben.


Image by Bethesda Softworks

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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