Blind im Web: Blogs als Chance

kunert1In einer kleinen Serie stellt Heiko Kunert vom Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg das blinde Netz vor.
In seinem ersten Beitrag „Blind im Web: Ein Stück Normalität“ welche Rolle das Web im Leben blinder Menschen bzw. Menschen mit einer Sehschwäche spielt und wie die Orientierung im Web mit Hilfe eines Screenreaders funktioniert. Heute berichtet er über das Bloggen eines Nischen-Themas.

„Gehst Du ins Kino?“, fragten meine Mitschüler. In der Uni hieß es: „Kannst Du die Referatstexte lesen?“ Und heute im Beruf: „Kann ich Ihnen E-Mails schicken?“ Fragen beantworten ist für blinde Menschen Alltag. Und häufig sind die Fragen Auftakt zu einem spannenden Erfahrungsaustausch. Für mich als PR-Fachmann sind Dialog und Schreiben alltäglich. Warum nicht das Medium Blog nutzen, um bemerkenswerte Ereignisse aus meinem Beruf und meiner Freizeit zu berichten?

Seit Februar 2008 schreibe ich bei Blind-PR. Nachdem ich mich in die Blogger-Seite eingearbeitet und die Layout- und Veröffentlichungsbarrieren überwunden hatte, konnte es mit einigen HTML-Grundkenntnissen losgehen. Ich schreibe und verlinke. Die für Blogs häufig zentralen Fotos fallen aber weg. Selbst wenn ich geeignete Bilder für meine Artikel hätte, könnte ich kaum beurteilen, ob sie optisch passend eingebunden sind. Die Besucherzahlen steigen. Nachfragen zu Artikeln erreichen mich per Mail. Einige treue Leser kommentieren hin und wieder. Dennoch – das gilt in der Presse, im Radio, im TV und im Internet – die Themen Blindheit und Sehbehinderung sind Nischen-Themen. Zum Glück ist in der Blogosphäre Platz für jede Nische.

Header des Blogs "Blindfisch"

Ganz unterschiedliche Sehbehinderte und blinde Blogger schreiben im Netz. Da sind der scharfzüngige Professor, der blinde Programmierer und Accessibility-Fachmann, die taubblinde Globetrotterin und die Augen-Community der Blindfisch-Blogger. Und was ist mit den blinden und sehbehinderten Menschen, die spannende Geschichten erleben, aber kein Blog haben? Für sie gibt es die Blogpatenschaften. Die Idee: Soziale Projekte oder Randthemen können mit Hilfe engagierter Blogger eine breitere Öffentlichkeit bekommen, indem sie von schon gewachsenen Vernetzungsstrukturen profitieren. Parallel dazu können sie ihre eigenen Blogs und Twitter-Accounts aufbauen. Mein Fazit: Blogs sind eine Chance, den Austausch zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen im Internet anzustoßen. Nutzen wir sie.

Foto: Michael Maier.

Über den Autor
kunertHeiko Kunert (32) ist Sprecher des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg. Er ist mit sieben Jahren durch einen Tumor erblindet. In seinem Blind-PR-Blog schreibt er über seine Arbeit als blinder PR’ler und das ganz normale Leben in Hamburg. Im dritten Teil seiner Blogpiloten-Reihe berichtet er über das Web 2.0 in der Arbeit von Blinden- und Sehbehindertenvereinen.

Die Netzpiloten nehmen immer mal wieder Gastpiloten mit an Bord, die über ihre Spezialthemen schreiben. Das kann dann ein Essay sein, ein Kommentar oder eine kleine Artikelserie.


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3 comments

  1. Schöner Text. Leider gibt es noch immer zu wenige blinde Menschen, die auf deutsch bloggen und twittern. Heiko, deine vorbildliche Nutzung dieser Möglichkeiten ist eine herausragende Ausnahme. Ich selbst habe fast noch nie etwas gebloggt und Twitter konsumiere ich nur passiv lesend, was hauptsächlich an den vorher zu überwindenen technischen Barrieren und Zeitmangel liegt. Mein Herz gehört eher einigen auf Mediawiki basierenden Wikis. ;-) Als kleine Ergänzung zum obenstehenden Beitrag findet sich hier noch eine unvollständige Liste von blindheitsbezogenen Blogs aus dem englischsprachigem Raum, die ich vor ca. einem Jahr zusammengestellt habe, da ich mich als blinder Webnutzer natürlich auch sehr für die Netzaktivitäten anderer blindr Menschen interessiere:
    http://blind.wikia.com/wiki/Blind_links#Blind_blogger

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