Autoren & Schauspieler vs KI – Wie real ist die Angst?

Hollywood ist endgültig im Chaos versunken. Nachdem sich die Autoren bereits seit dem 2. Mai im Streik befinden, sind seit dem 14. Juli auch noch die Schauspieler hinzugekommen. Nicht nur Filme, darunter viele große MCU-Produktionen, sondern auch Serien – darunter ebenfalls animierte wie die Simpsons oder Family Guy – liegen aktuell auf Eis. Einigen Produktionen droht sogar das komplette Aus. In beiden Streiks geht es auch um Beteiligungen an Streaming-Einnahmen und Regeln für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Ist nun ein Kampf von Schauspieler vs KI ausgebrochen?

In unserem Artikel gehen wir allerdings weniger auf Gehalt und Beteiligung an Streaming-Einnahmen, sondern mehr auf den KI-Aspekt in Film- und Serienproduktion ein. Denn auch wenn Künstliche Intelligenz eine große Bedrohung ist, hat sie für die Filmbranche auch berechtigten Nutzen. Zuvor fassen wir euch aber nochmal die wichtigsten Forderungen von Autoren und Schauspielern zusammen.

Das sind die Forderungen der Drehbuchautoren

Den Drehbuchautoren geht es vor allem um mehr Gehalt und höhere Gewinnbeteiligungen. Auch hier geht es in erster Linie um die Streaming-Branche. Die Autoren bekommen trotz großer Erfolge einiger Serien nur ein festes Honorar. Hier möchten sie auch an den Gewinnen direkt beteiligt werden. Neben der Vergütung verlangt die WGA (Writers Guild of America) auch höhere Zuschüsse bei der Kranken- und Altersvorsorge.

Weiter geht es beim Streik aber auch um Künstliche Intelligenz. Autoren befürchten durch neue KI-Tools wie ChatGPT um ihre Arbeit. Darum wollen sie Regeln für den Umgang mit KI-Tools in der Branche, damit Filme weiterhin Geschichten erzählen, die von Menschen geschrieben werden und nicht vom Computer.

Das sind die Forderungen der Schauspieler

Die Schauspieler-Gewerkschaft SAG-AFTRA um Fran Drescher („Die Nanny“) stellt ähnliche Forderungen. Neben einer Erhöhung des Mindestlohns (11% im ersten Jahr), geht es auch ihr um Beteiligung an Streaming-Einnahmen. Darüber hinaus fordert die Gewerkschaft, dass Schauspieler zwischen zwei Staffeln auch anderweitig drehen dürfen. 

Außerdem möchte die Gewerkschaft die Ersetzung menschlicher Darbietungen durch KI-Tools verhindern. Sie fordert Entschädigungen für die Anfertigung digitaler Abbilder oder nachträglicher Veränderung der schauspielerischen Darbietung mit entsprechender Technik. Ebenso müssen Künstler künftig ausführlich informiert werden, bevor sie ihr Einverständnis dazu geben.

Kann Künstliche Intelligenz Drehbuchautoren ersetzen?

Die Angst der Drehbuchautoren ist nicht ganz unbegründet. Der große KI-Boom ist vor allem durch die Chat-KIs gestartet. Und auch wenn der Begriff „Chat-KI“ zunächst an sehr formelhafte Chat-Bots der Vergangenheit erinnert, können diese bereits einiges mehr. Künstliche Intelligenz reagiert längst nicht mehr mit vorgegebenen Strukturen auf Signalwörter. Ihr könnt mit ChatGPT und ähnlichen Tools über alles reden und bekommt eine sehr geschliffene Antwort, die euch selbst Falschinformationen sehr überzeugend verkauft. Sogar Programmcodes lassen sich problemlos von einer KI erstellen und auch Kreativität ist der KI kein Fremdwort mehr.

Ich habe ChatGPT schon einige sehr bizarre Aufgaben gegeben. Sie sollte mir etwa ein Gedicht über eine Toffifee-Fee schreiben oder aber Fantasy-taugliche Zungenbrecher liefern. Das sind Dinge, wo sie nicht einfach 1:1 aus fremden Quellen kopieren könnte. Dennoch sind die Ergebnisse zwar nicht perfekt, aber dennoch überraschend gelungen.

Die Einsatzmöglichkeiten für Drehbücher scheinen hier endlos. Man könnte sich von der KI beispielsweise innerhalb kürzester Zeit mehrere grobe Plots zu einem bestimmten Thema geben lassen oder ganz wild neue Geschichten ohne große Einschränkungen erfinden lassen. Ich kann mir vorstellen, dass da durchaus einige Ideen mit Potential dabei wären, gerade weil die Künstliche Intelligenz da in mancher Hinsicht grenzenloser denkt als der Mensch. Ebenso lassen sich KI-Tools aber auch einsetzen, um bestehende Ideen weiter auszuarbeiten. Man kann schließlich fast jeden Teil einer Geschichte der KI geben, um diesen weiter auszugestalten.

Die große Gefahr ist, dass Produzenten den Autoren irgendwann die Pistole auf die Brust setzen und damit drohen, dass dann die KI ihre Arbeit macht. Oder dass viele Autoren arbeitslos werden, weil KI-Einsatz für viel höheren Output sorgt. Auch viele andere Kreativ-Berufe sind durch KI-Tools in Gefahr, auch wenn das nicht von heute auf morgen geschieht.

KI-Tools als Werkzeug des Drehbuchautors

Den Fortschritt gänzlich aufhalten ist wohl weder möglich noch ratsam. KI-Tools sind spannend und eröffnen ganz neue Möglichkeiten. Darum werden sie künftig sicherlich auch zum Werkzeug der Drehbuchautoren selbst gehören.

Dabei muss es nicht zwingend darum gehen, dass die Autoren ihre Schlagzahl erhöhen. Das kann in kreativen Branchen schnell zum Burnout führen. Es kann aber von den Autoren genutzt werden um die eigene Arbeit effizienter und zugleich abwechslungsreicher zu gestalten. Die Künstliche Intelligenz könnte etwa helfen, die wichtigen Impulse zu geben, um eine Schreibblockade zu überwinden. Überhaupt sind KI-Tools ein interessantes Mittel, um über den Tellerrand der eigenen Ideen hinaus zu schauen ohne das man Gefahr läuft direkt von einer Person zu stehlen. Man kann Ideen der KI aufgreifen und sie trotzdem stimmig mit der eigenen Vision verbinden.

Künstliche Intelligenz kann für Autoren ein Sparringspartner sein, der einen nicht nur neue Ideen, sondern auch die Möglichkeit gibt, eigene Ideen in einem vorgegebenen Szenario durchzuspielen. Stellt es euch als eine „Was wäre wenn?“-Maschine vor, bei der ihr in einer an sich kompletten Geschichte ein Detail verändert und sehen wollt, welchen Einfluss das auf die Geschichte hat. Ebenso kann eine hochentwickelte KI auch auf Logiklücken aufmerksam machen oder Tipps zu historischen Hintergründen geben.

Nehmen wir mal abseits des Filmes die Perry Rhodan-Serie. Dabei handelt es sich um die mit über 160.000 Seiten in mehr als 3.100 Heften um den größten Roman-Kosmos der Welt. Ein Vermächtnis für das auch nur Autoren schreiben können, die selbst tief im Fandom verwurzelt sind. Trotzdem könnte hier eine Künstliche Intelligenz helfen, die Kontinuität zu bewahren, weil sie wirklich alles zur Welt im „Kopf“ hat.

Kurzum: Wenn KI-Tools nicht den Output erhöhen, sondern für mehr Qualität eingesetzt werden, haben sie auch beim Schreiben von Drehbüchern eine sinnvolle Daseinsberechtigung.

Schauspieler vs KI: Bereits ein Problem?

Auch für Schauspieler beginnt Künstliche Intelligenz bereits zu einer Bedrohung zu werden. Das fatalste Szenario wären dabei natürlich Filme, die gänzlich von einer KI erschaffen werden. Dann ginge es aber nicht nur Schauspielern an die Jobs, sondern der gesamten Branche. Zwar kursieren im Netz bereits einige ziemlich beeindruckende Kurzfilme oder fiktive Werbespots, die mittels KI erstellt wurden, doch der breite Einsatz dieser Technologie dürfte noch weit entfernt sein. Die Ergebnisse wirken stellenweise doch noch sehr künstlich und auch die Zuschauer müssten erst eine Akzeptanz für gänzlich KI-erschaffene Filme entwickeln.

Und doch bekommen Schauspieler schon erste große Probleme mit der KI. Gerade für kleinere Rollen in Filmen gibt es wohl erste Vorstöße von Studios, die Schauspieler zu scannen, um sie dann virtuell weiter zu nutzen. Das könnte nicht nur bedeuten, dass die ohnehin schwächer verdienenden Darsteller nur noch einen oder wenige Tage gebucht werden. Im schlimmsten Fall könnten sie die Rechte über ihr virtuelles Abbild sogar über mehrere Produktionen unter Wert an ein Studio verkaufen. 

Über den Bezahlungsaspekt hinaus kommt das Problem, dass ihre eigene Profession des Schauspielens niedriger geschätzt wird und die fehlende Kontrolle darüber, was das Studio dann mit ihrer digitalen Kopie anstellen. Auch ist es möglich, dass eine vom Schauspieler selbst gespielte Szene nachträglich über künstliche Intelligenz bearbeitet wird. Zu den Forderungen der Schauspieler gehört daher nicht umsonst auch die ausführliche Informierung und ausdrückliche Erlaubnis zum Einsatz künstlicher Intelligenz.

Schauspieler vs KI: Künstliche Intelligenz nicht dämonisieren

Doch für die Filme selbst gilt wie beim Drehbuch: Man kann und sollte sich dem Fortschritt nicht völlig verschließen. Künstliche Intelligenz eröffnet dem Film mehr Möglichkeiten und es muss dabei nicht im Kampf von Schauspieler vs KI ausarten.

Schon vor dem großen KI-Boom haben wir einen Artikel zu Deepfake im Entertainment geschrieben. Als prominenten Fall wurde Disney, beziehungsweise das Star Wars-Franchise herangezogen. So wurde Großmoff Tarkin aus der 1977 erschienenen Episode IV für das 2016 erschiene Rogue One virtuell nachgestellt. Das allerdings in mühevoller Handarbeit, dessen Künstlichkeit dennoch sichtbar war. Einzelpersonen zeigten dagegen auf YouTube, wie man einen Tarkin oder eine Leia in Episode 8 per Deepfake viel echter auf die Leinwand hätte bringen können.  Der YouTuber Shamook war dabei sogar so gut, dass er mittlerweile bei Lucasfilm unter Vertrag steht.

Allgemein ließen sich viele Effekt- und 3D-Bereiche mittels KI verbessern. Eine gut trainierte KI könnte etwa dafür sorgen, dass CGI-Inhalte natürlicher mit realen Sets verschmelzen. Schlecht gealterte Effekte und CGI-Elemente könnten alten Filmen und Serien sogar nachträglich noch einen frischen Anstrich geben. Mit DLSS skalieren Videospiele bereits KI-unterstützt aus niedrigen Auflösungen in höhere hoch.

Auch für die neue Stage Craft-Technologie könnte KI neue Möglichkeiten eröffnen. Bei Stage Craft dreht man Szenen nicht vor einem Green Screen, sondern vor Bildschirmen, auf denen auch die Schauspieler während des Drehs bereits Effekte und Landschaften sehen. Besonders populär machte diese neue Technologie die Serie The Mandalorian.

KI könnte ebenso den Personalaufwand deutlich reduzieren. Weniger bei Schreibern und Schauspielern, sondern bei allem was ohnehin aus dem Computer kommt. Hier wären wir aber bei Fluch und Segen zugleich – denn der Streik lässt eigentlich härter betroffene Berufsgruppen des Films bislang aus.

Es sollte nicht nur um Schauspieler und Autoren gehen

An sich kann ich den Streik von Autoren und Schauspieler gut verstehen. Trotzdem ist da eine Sache, die mir dabei sauer aufstößt. Generell sind es die bestbezahlten Bereiche der Filmproduktion, die sich aktuell medienwirksam auflehnen. Wobei zumindest bei den Schauspielern auch relativiert werden muss: Es gibt genug kleine Schauspieler, die wirklich schlecht bezahlt werden und für die etwa höhere Mindestlöhne wirklich wichtig sind. Medial bekommt man jedoch eher mit, wenn um ein paar Millionen mehr oder weniger diskutiert wird. 

Neben den weniger namhaften Darstellern gehen aber auch ganze Abteilungen völlig unter. So zum Beispiel die Animatoren. Dabei hauchen diese den Figuren in Animationsfilmen mindestens genau so viel Leben ein wie die Sprecher und sind auch von Pre- bis Postproduction ein wichtiger Teil. Visuelle Effekte, Filmcrew, Audio-Teams, Beleuchtung. Ich bezweifle, dass diese Bereiche des Films alle gut bezahlt werden oder überhaupt starke Gewerkschaften wie die Autor*innen und Schauspieler*innen haben.

Zudem droht auch hier die Künstliche Intelligenz viele Stellen obsolet zu machen. Die Bedrohung für grafische Departments ist nochmal realer als der Kampf Schauspieler vs KI. Die Zuschauer brauchen noch reale Helden, die sie verehren und in den sozialen Medien folgen können. Welcher 3D- oder VFX-Artist wird dagegen auf dem roten Teppich bejubelt? Ihr erkennt das Problem?

Für Produzenten kann KI-Einsatz an dieser Stelle gleich mehrfach ein Gewinn sein. Auf der einen Seite geringere Kosten, auf der anderen auch überschaubarere Teams, die in den letzten Jahrzehnten gerade im CGI- und VFX-Bereich gewaltige Ausmaße angenommen haben. Für betroffene Jobs bedeutet das dagegen eine noch schlechtere Verhandlungsbasis, was die Löhne angeht. 

Autoren & Schauspieler vs KI: Den Schaden gering halten

Die Welt verändert sich unglaublich schnell. Dieser Realität muss sich auch Hollywood stellen. Streaming-Dienste haben unseren medialen Konsum völlig auf den Kopf gestellt und Künstliche Intelligenz ist plötzlich auf einem Stand, den wir vor wenigen Jahren kaum erahnt hätten. 

Doch auch wenn der Wandel unaufhaltsam ist, so ist es richtig und wichtig, diesen mitzugestalten. Für Autoren und Schauspieler ist der Zeitpunkt gut gewählt. Der Wandel vollzieht sich gerade, aber Studios können sich noch nicht vollkommen darauf verlassen. Die Gewerkschaften haben noch eine Machtposition, weil Autoren und Schauspieler sich noch nicht ganz ersetzen lassen. 

Die Streaming-Anbieter üben aber bereits Druck aus. Das Intro für Marvel’s Secret Invasion ist gänzlich durch KI erschaffen und Netflix sucht ausgerechnet jetzt nach einem KI-Manager. Gehalt: 300.000 bis 900.000 US-Dollar. Es scheint also, dass zumindest die Streaming-Dienste das Feuer selbst mit Feuer bekämpfen wollen.

Noch stehen die Zeichen also nicht auf Einigung. Für Zuschauer und Fans bedeutet das langsam ein bangen und heißerwartete Filme und Serien, die sich derweil verzögern oder sogar gänzlich eingestampft werden müssen.  


Image by 21AERIALS via Adobe Stock


Artikel per E-Mail verschicken