Barrierefreiheit im Netz: Interview mit Hector Minto


Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelreihe zum gemeinsamen Event und Hackathon von Microsoft und der Aktion Mensch für mehr Inklusion und Teilhabe im Netz.


Hector Minto arbeitet seit Oktober 2016 als Senior Technology Evangelist im Bereich Barrierefreiheit für Microsoft. Nach einem Chemiestudium an der University of Southampton, das er mit dem Bachelor of Science abschloss, begann er seine Karriere beim schwedischen Hightech-Unternehmen Tobii, für das er bis heute als Sales Manager für Großbritannien tätig ist. Hector Minto war bei den Anfängen der Entwicklung von Bedienhilfen für Behinderte dabei und hat zu den großen Fortschritten in diesem Bereich beigetragen. Wir hatten die Gelegenheit, ihn zu einem Interview zu treffen und haben ihm einige spannende Fragen gestellt.

Niklas Hamburg: Sie beschreiben sich selbst als ‚Technical Evangelist‘. Was genau meinen Sie damit?

Hector Minto: Das ist keine wirklich Jobbeschreibung, das stimmt. Die Hauptaufgabe in meinem Job ist es, die technischen Anforderungen von Leuten mit Einschränkungen zu verstehen. Ich muss wissen, was sie benötigen, wenn sie einen Computer benutzen und diese Änderungen an unsere Angestellten, unsere Produktentwickler und unsere Auftraggeber kommunizieren können. Es ist ein Job mit einer Menge interner und externer Kommunikation.

Warum ist Ihnen das Thema Barrierefreiheit so wichtig?

Ich arbeite jetzt seit 20 Jahren auf dem Gebiet der Bedienhilfen. Ich liebe den permanenten  Erfindungsreichtum, die Kreativität der Leute und den großen Einfluss, den oft kleine Änderungen auf unsere Nutzer haben. Die erste Bedienhilfe, mit der ich gearbeitet habe, war eine Vakuumpumpe, die Seiten umblättern konnte. Die neueste war eine Steuerungsmöglichkeit durch Eye Tracking. Es ist ein aufregendes, sich ständig entwickelndes Thema, in das noch viel mehr Leute mit einbezogen werden sollten. Es ist abwechslungsreich und nie langweilig.

Sie scheinen im Herzen ein Aktivist zu sein, arbeiten aber für Microsoft. Wie sind Sie dort hin gekommen und warum?

Ich glaube, dass der Aktivismus bei Microsoft genauso lebendig ist wie in einer Wohltätigkeitsorganisation oder der öffentlichen Hand. Wir haben unsere eigenen Aktivisten für Privatsphäre, Sicherheit, Produktivität, Bildung und Gesundheit und drängen alle auf unsere  besonderen Interessen, damit die Themen im Gespräch bleiben. Glauben Sie mir, ich bin nicht der Einzige.

Brauchen wir mehr (oder strengere) Regelungen, entweder rechtlich oder innerhalb der Gesellschaft, um Menschen mit Behinderung in unsere Gesellschaft einzugliedern?

Ich denke, wir brauchen einheitliche Regeln für eine weltweite Inklusion. Wir sehen jetzt schon, wie die erfolgreiche Bewerbung von inklusivem Design zu besseren Produkten und großartigen Innovationen und dem Hacking dieser führt. Ich würde vorschlagen, dass wir Systeme und Regelungen einführen, die diesem Ziel entsprechen, aber die Möglichkeit zur Flexibilität für eine Innovation ohne Einschränkungen offen lassen.

Einige der Länder, in denen die Bedienhilfen finanziell problemlos unterstützt werden könnten, haben aber praktisch keine Vorstellung davon, wie man sie weiter verbessern könnte. Kurz: wir brauchen mehr Aufmerksamkeit, frische Ideen und multinationale Technologiekonzerne, um umfassend in die Thematik eingebunden sein zu können.

Was können wir gegen die „Angst“ vor Kostensteigerungen machen, die letztlich auf uns zu kommen, wenn Firmen ihre Systeme für mehr Barrierefreiheit aufrüsten?

Ich habe in Unternehmen gearbeitet, in denen die Lösungen für Beeinträchtigte das zehnfache der normalen Variante gekostet hat. Der Grund dafür liegt oft im Verkaufspreis und in der zu geringen Aufmerksamkeit für dieses Thema. Wir wissen, dass die Zahl der Menschen, die Bedienhilfen benötigen, viel, viel höher ist als die, die sie tatsächlich bekommen. Hier findet sich die Antwort vielleicht wieder einmal in der Missionierung und einem weltweit gestiegenen Bewusstsein für die Problematik. Die sozialen Medien sind hier von enormer Wichtigkeit.

Vor dem Hintergrund, dass es immer mehr Content gibt, der über visuelle Medien dargestellt wird (z. B. YouTube-Kanäle), sehen Sie ein Problem darin, eine andere Technologie zu verbreiten? An welche aufkommende Technologie für Behinderte glauben Sie?

Die aufkommende Technologie, auf die ich mich am meisten freue, ist das MaschinenLearning und künstliche Intelligenz. Es gibt so viel zu lernen, besonders für Kinder mit Behinderungen, die allein durch den Umgang mit Technik lernen, wie man sie verbessern kann. Wir müssen sicherstellen, dass die Menschen stetig und ständig Lernmöglichkeiten haben. Wir haben noch nicht genug geschultes Personal, um diese Lernprozesse sinnvoll zu überwachen Das ist ein großes Thema und Eyetracking, die Cloud und das Maschinenlernen können alle dazu beitragen.

Was ist Ihr nächstes Ziel im Bereich Barrierefreiheit?

Die Antwort ist langweilig, aber mein nächstes Ziel ist die vollständige Barrierefreiheit innerhalb von Microsoft. Das Wissen und die Kompetenz unseres Barrierefreiheitsteams weltweit auszubauen, ist eine große Herausforderung.

Welche Hindernisse erwarten Sie auf dem Weg dorthin?

Wie ich schon erwähnt habe, eine große Herausforderung ist es, das Thema Barrierefreiheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Es hat mich gefreut, dass Satya Nadella und Brad Smith Barrierefreiheit als eines der Schlüsselthemen in den Vorträgen zum Thema ‚Cloud for Global Good‘ behandeln. Da die Cloud weltweite Themen verändert, müssen wir sicher stellen, dass Barrierefreiheit, Bildung und Beschäftigungsprobleme von Behinderten immer wieder aufs neue überprüft werden. Wir dürfen es nicht zulassen, das Menschen mit Behinderungen wieder aus der Gesellschaft verdrängt werden!

In einer Welt der künstlichen Intelligenz, werden Probleme mit der Barrierefreiheit dort Geschichte sein?

Ja! Das sind sie sogar schon in vielerlei Hinsicht. Ich kann komplette Texte mit lauter Fehlern in meinen Computer eintippen und Office 265 regelt das für mich. Ich kann mit Office Lens Fotos machen, die direkt in mein OneNote gehen und die ich dann per OCR suchen kann. Das mache nicht ich, das läuft automatisch. Diese EDV- und Automatisierungsstrategie macht alle Menschen gleich. Uund dann wird es neue Herausforderungen geben, an die wir jetzt noch nicht einmal denken können. Ist das nicht einfach Entwicklung? Diese Fragen beschäftigen und motivieren uns!


Image by Microsoft


Mit dem Fachabi halb in der Tasche, sammelt er die andere Hälfte gerade ein. Letzte Station: ein Praktikum in der Redaktion bei den Netzpiloten. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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1 comment

  1. Cool, ich habe einen Bekannten, der sich Technical Evangelist nennt. Hab immer gedacht, das wäre ein hipstermäßiger Begriff für IT-Leute :-D

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