Digitale Instrumente zur Navigation müssen menschlicher werden

Wer heutzutage digitale Instrumente zur Navigation nutzt, wird oft in die Irre geleitet – dabei gibt es ein paar einfache Tricks, die man den Systemen nur zeigen muss.

Stell dir vor, du bist in einer Stadt, die du nicht kennst und suchst den Weg zum Bahnhof. Du fragst jemanden auf der Straße, und sie antwortet: “Geh 144 Fuß nach Osten, biege nach rechts ab und geh 27 Fuß in Richtung Hauptstraße, geh dort etwa 377 Fuß weiter. Dein Ziel befindet sich auf der linken Seite.” Wahrscheinlich wirst du denken, dass sie roboterhaft klingt – eher wie ein digitales Routenfindungssystem als ein Mensch. Und du hättest Recht.

Die Routenbeschreibungen der meisten digitalen Navigationssysteme, ob online (wie z.B. Google Maps) oder standortbezogen (wie z.B. GPS), basieren auf exakten quantitativen Informationen, wie beispielsweise Distanzangaben in Fuß oder Meter. Menschen sind dagegen sehr viel ungenauer – sie würden eher sagen, man solle “ungefähr eine Minute lang” in eine bestimmte Richtung gehen. Und anstatt einer Himmelsrichtung würde ein Mensch eher mit einer einfachen Geste in eine Richtung zeigen.

Vor allem haben digitale Systeme große Probleme mit der Verwendung von Landmarken, die für einen freundlichen Fremden ganz normal sind: “Biege am Schloss nach rechts”.

Verloren ohne Orientierungshilfe

Das wird manchmal zum Problem. Bei der Wegfindung orientieren wir uns an Landmarken: auffällige Gebäude oder andere gut sichtbare Objekte, an die wir uns bei einer Beschreibung problemlos erinnern und die wir auf dem Weg erkennen. Wir wollen uns nicht gerne auf Zahlen oder abstrakte räumliche Angaben verlassen, und wir finden Anweisungen wie “geh 144 Fuß nach Osten – geh dort etwa 377 Fuß weiter” äußerst unintuitiv. So denken und sprechen Menschen einfach nicht über räumliche Relationen.

Das alles macht nicht wirklich viel aus, wenn dein Navigationssystem dir ständig schematische und verbale Countdowns für’s nächste Abbiegen gibt, so wie es viele Geräte in Autos tun. Wenn du allerdings Routenbeschreibungen benutzt, die du aus einer Onlinequelle heruntergeladen oder ausgedruckt hast, dann ist es schwer zu sagen, wann 377 Fuß enden – es sei denn, du hast zufällig einen Abstandsmesser dabei.

Eigentlich brauchen wir gar nicht unbedingt immer ganz genaue und komplette Wegbeschreibungen. Wenn wir zum Beispiel in einem Stadtzentrum mit vielen kleinen Straßen unterwegs sind, können wir einfach in die Richtung gehen, wo wir unser Ziel in etwa erwarten. Alternativ können wir uns darauf verlassen, vom Hauptstraßennetzwerk geleitet zu werden, auch wenn das vielleicht einen Umweg bedeutet. Das heißt, wir benutzen wir Wegfindungsstrategien, damit wir nicht alle Details auswendig lernen oder den optimalen Weg berechnen müssen. Diese Strategien machen die Wegfindung einfacher, und wir verwenden sie oft auch dann, wenn wir anderen Leuten Wege beschreiben. Auf diese Weise überladen wir niemanden mit Informationen, sondern geben genau die richtige, ausreichende Menge an Details.

Digitale Systeme sind weit weniger rücksichtsvoll und flexibel. Wenn Menschen einen bestimmten Teil der Route besonders knifflig finden, fügen sie weitere nützliche Informationen zur Orientierungshilfe hinzu. Digitale Systeme jedoch geben bleiben beim selben Format: “geh 144 Fuß nach Osten – geh dort etwa 377 Fuß weiter”.

Eine Frage des Vertrauens

Stell dir vor, in der Routenbeschreibung, die du bekommen hast, heißt es „biege am Schloss nach links ab”. Aber wenn du beim Schloss ankommst, gibt es nur eine Straße nach rechts oder die Option, später nach links zu gehen. Jetzt hast du die Wahl: entweder am Schloss nach rechts abbiegen – oder nach links, aber nicht direkt am Schloss. Der Urheber der Routenbeschreibung hat sich offensichtlich getäuscht – das überrascht nicht.

Den meisten Menschen fällt die perfekte Route nicht sofort ein, wenn sie nach dem Weg gefragt werden. Selbst mit hervorragender Ortskenntnis haben die meisten Menschen nie wirklich einen vollständigen “kognitiven Plan”. Stattdessen denken wir effizient: wir erinnern uns nur an die wichtigsten Details, und bieten auf Anfrage nach Möglichkeit genau die relevante Information an.

Dementsprechend sind Wegbeschreibungen nicht immer komplett richtig – und sie sind garantiert nicht vollständig. Es sind weitaus mehr Informationen in jedem räumlichen Umfeld vorhanden, als wir in eine Wegbeschreibung einbinden können. All das kann leicht zu so einer zweideutigen Situation führen, mit der du jetzt konfrontiert bist: wenn du also entscheiden musst, ob du die Richtungsangabe (links) oder die Landmarke (Schloss) für wichtiger hältst. Was wirst du tun?

Gut zu sehende Landmarke: Caernarfon Castle (Image: Thora Tenbrink)

Die Forschung zeigt überraschenderweise, dass deine Entscheidung davon abhängt, wer die Routenbeschreibung gegeben hat. Wenn deine Quelle ein Mensch ist, wirst du dich eher auf die Landmarke verlassen. Dein Freund sagt “am Schloss” – also biegst du dort ab. Immerhin könnte es sein, dass er sich vorstellte, aus der anderen Richtung zu kommen oder einfach links und rechts verwechselte, was ja oft passiert.

Wenn deine Quelle jedoch ein digitales System ist, ist es etwas Anderes. Solche Technologien werden sich kaum vorstellen, aus einer anderen Richtung zu kommen, oder links und rechts verwechseln. Aber bei Landmarken wirst du eventuell skeptisch. Die meisten aktuellen Systeme haben keine Informationen dazu – und wenn doch, kann es gut sein, dass ihre Datenbank ungenau oder veraltet ist. Es gibt also gute Gründe, warum du Navigationssystemen eher nicht zutraust, Landmarken korrekt in ihre Routen zu integrieren.

Wenn Entwickler intuitive und verlässliche Navigationssysteme entwerfen wollen, sollten sie überlegen, was den Menschen wichtig ist, die diese nutzen. Dies bedeutet, natürliche Konzepte und Strategien einzubinden, wo immer es geht. Konstante Landmarken in Routenbeschreibungen einzubauen ist ein guter Start – und ja, zentrale Entwickler sind offenbar schon dabei.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Teaser & Image “Navigation Map” (adapted) by Unsplash (CC0 Public Domain)

Image “Caernarfon Castle” by Thora Tenbrink


The Conversation

ist Dozentin für kognitive Linguistik, Diskursanalyse und Kommunikationswissenschaften an der walisischen Universität Bangor.


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1 comment

  1. Das kenne ich nur zu gut, ich verlaufe mich oft obwohl ich meine digitalen Navigationssysteme einsetze. Danke für den kleinen Einblick in die Hintergründe der Digitalisierung von Navigationen. Diese sind tatsächlich besser und besser geworden und wohl auch geschickter als der Mensch selbst.

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