Grokipedia – Der zweifelhafte Wikipedia-Klon von Elon Musk

Ende Oktober 2025 hat Elon Musk erneut für Aufsehen gesorgt: Mit „Grokipedia“ präsentiert er über sein Unternehmen xAI eine neue Online-Enzyklopädie, die nach eigenen Worten „wahrheitsgetreu, unzensiert und frei von ideologischer Verzerrung“ sein soll. Die Plattform versteht sich als Alternative zu Wikipedia, das Musk wiederholt als „politisch voreingenommen“ und „woke“ kritisiert hat.

Nach Angaben von xAI basiert Grokipedia auf Musks hauseigener KI Grok, die Inhalte generiert, überprüft und fortlaufend aktualisiert. Schon bei der Vorstellung bezeichnete Musk das Projekt als „Revolution des Wissens“, die angeblich die Schwächen menschlich redigierter Plattformen überwinden soll.

Zahlreiche Medien und Fachleute werfen Grokipedia jedoch vor, eine ideologisch gefärbte Kopie von Wikipedia zu sein. Zudem prangert man die fragwürdige Qualität und mangelnde Transparenz an. Viele Artikel scheinen sogar weitgehend von Wikipedia übernommen und angepasst zu sein.

Elon Musks Motivation für Grokipedia

Elon Musk inszeniert sich seit Jahren als Kämpfer gegen das, was er als „Meinungsmonopol“ der etablierten Medien und Plattformen bezeichnet. Aus dieser Haltung heraus entstand bereits seine eigene KI Grok, die stark auf Musks Weltbild geeicht ist. Anpassungen an Grok sorgten vor kurzem sogar dafür, dass sich dieser selbst in die Rolle eines „Mecha-Hitler“ versetzte. Das Verhalten der KI schlägt damit auch längst schon politische Wellen.

Mit Grokipedia nimmt sich Musk nun dem nächsten vermeintlichen Meinungsverzerrer an. Bereits im Sommer 2024 hatte Musk öffentlich beklagt, Wikipedia sei „von Aktivisten übernommen“ und spiegele „nicht mehr die Realität, sondern politische Narrative“ wider. Er bezog sich dabei insbesondere auf Artikel zu Themen wie Klimawandel, Transgender-Rechten oder Desinformation, die seiner Meinung nach zu einseitig formuliert seien. In einem Beitrag auf X schrieb Musk etwa: „Wikipedia wird von stark-linken Aktivisten kontrolliert. Die Leute sollten aufhören ihnen zu spenden“

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Das Ziel von Grokipedia ist laut Musk „the whole truth and nothing but the truth. Seine Motivation ist dabei nicht nur ideologisch, sondern auch strategisch: Von Anfang an hatte Musk für X die Vision einer „Everything-App“. Als Vorbild dienen vor allem bekannte chinesische Kommunikations-Apps. Gleichzeitig stärkt er aber auch xAI und die KI-Marke Grok, die als technische Grundlage dient.

Kritiker sehen in dieser Motivation jedoch weniger einen Dienst an der Wahrheit als eine Konsolidierung von Kontrolle. Musk betreibt mit X, xAI und nun Grokipedia ein zunehmend geschlossenes Informationssysten. Beobachter sprechen von einer „Privatisierung des Wissens“ und warnen vor einer gefährlichen Abhängigkeit von der Weltanschauung eines Einzelnen.

Sind Musks Vorwürfe an Wikipedia berechtigt?

Wikipedia ist kein redaktionell zentral gesteuertes Medium, sondern ein offenes Gemeinschaftsprojekt, an dem weltweit Hunderttausende Freiwillige mitarbeiten. Fehler, Verzerrungen und Edit-Wars kommen vor — das ist dokumentiert. Gleichzeitig gibt es Mechanismen wie Versionshistorien, Diskussionen, Sperrregeln und Verifizierbarkeitsansprüche, die auf Ausgleich und Neutralität zielen.

Gerade in der deutschen Version gibt es außerdem viele Artikel, die nicht mehr aktuell sind. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) prüfte 1.000 zufällig ausgewählte Artikel, von denen mindestens 20% nicht mehr aktuelle Informationen enthielten. Ein Problem für das sicherlich auch andere Sprachen auf der Plattform betroffen sind. 

Zugleich sind manche politisch aufgeladene Themen anfälliger für Streit und Bias. Diese Schwankungen sind jedoch strukturell erklärbar, nicht zwingend Ausdruck einer einheitlichen Ideologie. Tatsächlich können Nutzer auch nicht jeden Artikel unmittelbar bearbeiten. Änderungen an großen oder für Vandalismus anfälligen Beiträgen durchlaufen erst eine Prüfung durch die Community. Das reduziert die Gefahr von Falschinformation, erhöht aber natürlich auch die Gefahr von einem gewissen Bias.  

Musk weist vor allem auf Artikel hin, die seiner Ansicht nach zu stark von progressiven Positionen geprägt seien. Die Themen, auf die er reagiert, sind meist solche, bei denen gesellschaftlich ohnehin starke Polarisierung herrscht. Dass einzelne Wikipedia-Artikel zeitweise tendenziöse Formulierungen enthalten können, wird aber auch innerhalb der Wikipedia-Community diskutiert.

Grokipedia verspricht Neutralität – aus der Sicht einer einzelnen Person

Elon Musk bewirbt Grokipedia als neutral, ungefiltert und frei von ideologischer Verzerrung. Doch genau dieser Anspruch wirft eine Grundsatzfrage auf:
Kann eine Plattform neutral sein, wenn sie maßgeblich von den Überzeugungen und Prioritäten einer einzigen Person geprägt wird – und von einem KI-Modell, das in einem geschlossenen System trainiert wurde?

Wikipedia ist nicht perfekt, aber sein zentraler Vorteil liegt in der kollektiven Kontrolle: Viele Menschen mit vielen Perspektiven prüfen sich gegenseitig.
Grokipedia hingegen basiert fast ausschließlich auf einer zentral entwickelten KI und einer Infrastruktur, die von der Person mit der letztlichen Meinungshoheit kontrolliert wird.

Musk selbst hat in den letzten Jahren zudem selbst sehr einseitig Meinungen zu Themen wie Geschlechterfragen, Klimapolitik, COVID-19, Medienkritik und US-Politik geäußert. Auch Grok bekam bereits Anpassungen, damit die Antworten mehr der Haltung Elon Musks entsprechen.

Deshalb wirken viele Einträge in Grokipedia laut Medienanalysen bereits beim Start künstlich „glattgebügelt“ oder ideologisch eingefärbt, besonders bei sensiblen Themen wie Identitätspolitik, Energiefragen, künstlicher Intelligenz oder kontroversen historischen Ereignissen.

Darüber hinaus hat Grokipedia kein System zur Außenkorrektur. Zwar ist auch ein Team von xAI an der Prüfung der Einträge beteiligt, aber es folgt dadurch auch Konzern-Leitlinien. Bei Wikipedia kommt die Korrektur aus einer großen Community. Darüber hinaus sind dort die Änderungen transparent nachverfolgbar.

Grokipedia klaut Wikipedia-Artikel

Obwohl Wikipedia das ausgemachte Feindbild ist, stellt sich bereits heraus, dass sich Grokipedia selbst nach Herzenslust an den dortigen Inhalten bedient. So weist unter anderem The Verge darauf hin, dass einige Grokipedia-Artikel denselben Text enthalten wie entsprechende Wikipedia-Einträge. Zumindest gibt es dabei Vermerke wie „adapted from Wikipedia, licensed under Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0“.

Die Verwendung von Wikipedia-Texten ist grundsätzlich erlaubt, wenn die Lizenzanforderung eingehalten wird (CC-BY-SA). Wie viele Artikel tatsächlich eine solche Kennzeichnung haben oder ob Änderungen vorgenommen wurden, lässt sich leider schwierig nachvollziehen.

Es ist davon auszugehen, dass dies vor allem der noch sehr frühen Version 0.1 der Grokipedia verschuldet ist, die immerhin mit über 885.000 Artikeln (Stand 6. November 2025) gefüllt ist. Trotzdem ist es fragwürdig Wikipedia bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verunglimpfen, zugleich aber die über Jahrzehnte geleistete Arbeit einer großen Community als Fundament für die eigene Plattform zu übernehmen.

Nicht alles an Grokipedia ist schlecht

An sich ist die Grundidee von Grokipedia gar nicht mal so schlecht. Gerade Wikipedia-Probleme wie veraltete Informationen ließen sich so womöglich gezielter angehen und selbst die FAS-Studie nutzte KI-Unterstützung, um mögliche Unstimmigkeiten zu entdecken. Auch lassen sich die Einträge auch einfacher in vielen Sprachen zugänglich machen, ohne das es andere Autoren bedarf.

Grokipedia 0.1 verfügt außerdem zwar über wenige, dafür aber recht interessante Features. So können Benutzer einen Bereich im Artikel markieren, um Grok eine Frage dazu zu stellen. Wo bei Wikipedia uns selbst das Klicken durch weitere Artikel nicht immer Verständnis bringt, dürfen wir uns von Grokipedia Dinge auch einfacher erklären lassen. Der Wahl.Chat bei der letzten Bundestagswahl bot ähnliche Möglichkeiten zu den Wahlprogrammen der Parteien. Über die markierten Textstellen lassen sich aber auch als Fehlinformationen markieren. Es gibt also schon eine Möglichkeit einzugreifen, aber mit weniger Transparenz nach außen, was genau damit passiert.

Eine große Enzyklopädie bietet sich darüber hinaus auch als Wissensbasis für eine Künstliche Intelligenz an. Ohnehin steuern viele Sprach-KIs mittlerweile Wikipedia an, während die Aufrufe durch Menschen zurückgehen. Darin sieht auf der Blog von Wikimedia einen Wandel, wie viele Menschen mittlerweile nach Informationen suchen.

Fazit: Vorsicht vor der X-Echokammer

Wikipedia ist sicherlich auch nicht immer in jedem Aspekt neutral, aber durch die große Community und wirtschaftliche Unabhängigkeit dennoch näher dran als die meisten Publikationen. Auch der KI-Einsatz hat großes Potential für eine möglichst neutrale Sichtweise. Aber auch die ist sowohl von den Trainingsdaten abhängig, als auch von erhaltenen Instruktionen und Feedback.

Die KI-Enzyklopädie befindet sich allerdings noch in Kinderschuhen. Die erste Version 0.1 ist gerade erst online gegangen. Bis hin zur Version 1.0 kommen so sicherlich noch einige Features hinzu. Die Übernahme vieler Wikipedia-Artikel ist womöglich auch eine Art Platzhalter um schnell viele Inhalte anzubieten. 

Das gefährliche an Grokipedia bleibt der Meinungseinfluss einer einzelnen Person. Elon Musk kontrolliert alles von der KI bis hin zur menschlichen Überprüfung. Musk schafft so eine weitere Echokammer für sein eigenes Weltbild, auch wenn viele Grundideen durchaus Potential haben.


Image by Salvador Rios via Unsplash

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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