Sollten Unternehmen wie Facebook und Co. ihren Gewinn teilen?

Twitter wurde einst als die bedeutendste journalistische Innovation nach dem Telefon beschrieben. Mehr als drei Viertel der Journalisten in Großbritannien nutzen Twitter, um Geschichten zu finden, Werbung für ihre eigene Arbeit zu machen und um auf dem neuesten Stand der Nachrichten zu bleiben.

Aber Twitter ist in Schwierigkeiten. Der Benutzerzuwachs wird jedes Quartal langsamer und stagniert den USA sogar. Eingeengt zwischen Facebook, Google und Apple, sowie unter dem Druck, mehr gegen Missbrauch zu tun, hat Twitter etwas von seinem Glanz verloren – nicht zuletzt wegen Instagram und WhatsApp, die beide zu Facebook gehören.

Zurück am Steuer des Unternehmens, das er einst mitbegründete, hat Jack Dorsey kürzlich signalisiert, dass Twitters bekannteste Eigenschaft – die 140-Wörter-Begrenzung – bald angehoben werden könnte.

Den Herausgebern zu erlauben, längere Nachrichten zu posten oder sogar ganze Artikel zu veröffentlichen, könnte die User animieren, länger auf Twitter zu verweilen. Dieser Schritt scheint naheliegend zu sein, insbesondere seitdem Facebook im letzten Jahr seine eigene Funktion Instant Articles eingeführt hat und bei Nachrichtenunternehmen damit wirbt, ihre Inhalte dort zu veröffentlichen statt auf ihren eigenen Websites.

Instant Articles könnte für die Benutzer ein angenehmeres Leseerlebnis darstellen – auf Facebook sind sie ja sowieso und müssen nun nicht darauf warten, dass sich ein Artikel mit ladeintensiven Werbeeinblendungen aus dem Netz öffnet. Aber für die traditionellen Herausgeber, die zusehen mussten, wie sich gedruckte Dollar in digitale Cents verwandelten, ist die Aussicht auf Facebook-Groschen nicht gerade verlockend – und ab April wird Facebook Instant Articles für alle neuen Benutzer öffnen. Google und Apple haben mittlerweile eigene schnellladende Formate.

Man kann es Nachrichtenunternehmen nicht übel nehmen, wenn sie darüber verärgert sind. Für den größten Teil der letzten zweihundert Jahre konnten Zeitungen ordentlichen Profit auf der Basis einer verlässlichen Mischung von Titelblattpreisen und Werbekosten machen. Ein rentables Geschäftsmodell aufzustellen, ist heute eine konstante Herausforderung für Nachrichtenunternehmen – und auch eine, bei der Technikunternehmen nicht unbedingt behilflich sind.

Sharing Economy

Das ist der Grund, weshalb einige Journalisten der Meinung sind, die Technik-Giganten sollten den Nachrichtenunternehmen etwas mehr Zuneigung zukommen lassen. Und mit Zuneigung meine ich natürlich Geld. Auf Facebook, Twitter und Co ist das Teilen von Zeitungsartikeln ein großer Bestandteil dessen, was die Leute dort tun. Wenn also die Produzenten dieser Zeitungsartikel in finanziellen Schwierigkeiten sind, wäre es dann nicht korrekt, wenn Silicon Valley einen Teil seiner großen Profite mit ihnen teilen würde?

Die wachsende Macht, die vor allem Facebook hat, ist beträchtlich. So berichtet Ofcom, dass fast ein Drittel aller Briten Facebook für aktuelle Nachrichten benutzt. Einst mussten sich die Zeitungen einzig darum kümmern, die Druckergewerkschaften auf ihrer Seite zu halten, um sicherzugehen, dass ihr Produkt den Lesern zugänglich ist. Heute allerdings kann die Codeeingabe eines Technikers im Facebook-Hauptquartier einen dramatischen Einfluss darauf haben, wie viele Benutzer überhaupt den Link zu einem Artikel sehen werden, den ein Herausgeber in seiner Facebook-Timeline veröffentlicht hat. Es handelt sich um einen Kontrollverlust, dem anzupassen sich die Nachrichtenbranche, wenig überraschend, schwer tut.

Einige Kommentatoren forderten einen Ausstieg, um den alten Nachrichtenunternehmen zu helfen. Eine übergreifende Abgabe, die an die Zeitungen ausgezahlt wird, könnte eine Lösung sein, oder so etwas wie eine direkte staatliche Subventionierung, wie es sie in Frankreich und den skandinavischen Ländern gibt.

Werteverlust

Doch dann ertönt das Gegenargument, warum erfolgreiche Unternehmen denn weniger erfolgreiche Unternehmen unterstützen sollten? Henry Ford war schließlich auch nicht sonderlich erpicht darauf, die Profite, die er mit seinem Modell T machte, mit den Kutschwagenherstellern in seinem Windschatten zu teilen.

Während traditionelle Herausgeber richtigerweise sagen dürfen, dass sie bei der Geschwindigkeit, mit der sich die modernen Medien wandeln, auf der Strecke geblieben sind, beschleunigten Viele ihre Probleme durch die falschen Entscheidungen. Gerade als @Jack seinen ersten Tweet sendete, bezahlte Johnston Press 160 Millionen Pfund für The Scotsman und seine Schwester-Titel. Nur sieben Jahre später zückte der Amazon-Gründer Jeff Bezos dieselbe Menge Geld für nichts Geringeres als The Washington Post, und zwar aus seiner eigenen Tasche.

Ohne die verdiente Edinburgh-Institution diskreditieren zu wollen, aber sie ist nun einmal nicht mehr so viel Wert wie die Zeitung von Woodward und Bernstein. The Scotsman musste sogar seine Büros verkleinern, und wurde in seinem alten Hauptquartier durch den neuen Medien-Giganten Rockstar North ersetzt, den Macher von “Grand Theft Auto” und “Red Dead Redemption”.

Den Weg zur Erlösung für traditionelle Nachrichtenunternehmen voraussagen zu wollen, ist wie das Lesen im Kaffeesatz. Aber mit den Technik-Giganten konstruktiv zusammenzuarbeiten und gleichzeitig mehr Spaghetti gegen die Wand zu werfen – Mitgliedschafts- und Abonnement-Modelle, Micropayment, Crowdfunding, günstigere Konditionen für Werbung auf anderen Plattformen– scheint eine bessere Lösung zu sein als einfach nur die Bettlerschale aufzustellen.

Aber bittet mich ja nicht, dort Geld hineinzuwerfen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation”unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image “Social Media” by stux (CC0 Public Domain)


The Conversation

ist Mitglied der Forschungsgemeinschaft für Physik an der Universität von Sheffield. Er forscht im Bereich der Nanotechnologie und setzt sich für innovationspolitische Belange ein. Zudem wurde er im Jahr 2006 zum Mitglied Royal Society gewählt.


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