Was passiert eigentlich mit unseren ganzen Bestellkartons?

Das Versandgeschäft blüht und gedeiht prächtig – und das nicht erst, seit Corona den Einkaufsbummel via Internet sozusagen zur ersten Bürgerpflicht machte. Rund um die Uhr in virtuellen Regalen stöbern und das Gewünschte an der Haustür in Empfang nehmen zu können, hat fraglos unschätzbare Vorteile. Die Kehrseite des Komforts: Mit den Umsätzen im eCommerce nimmt auch der Papiermüll ein immer größeres Ausmaß heran. Doch was passiert mit den ganzen Bestellkartons und wo können wir selbst helfen, die Kartons richtig zu entsorgen?

Das neue Verpackungsgesetz – Maßnahmen gegen wachsende Müllberge

Pro Kopf verursachten die Bundesbürger im Jahr 2019 mehr als 225 Kilogramm Verpackungsmüll. Das ist ein stolzer Wert – insbesondere, wenn man ihn mit den 50 Kilogramm weniger vergleicht, die das europäische Mittel beträgt. Und: Die Zahlen stammen aus dem Jahr, das der Corona-Krise vorausging. Mit den unzähligen Päckchen und Paketen aber kommen zunehmend mehr Kartons und andere Verpackungen, als in die private Papiermülltonne oder in den firmeneigenen Altpapiercontainer passen. Am 3. Juli 2021 trat Stufe Eins der erst wenige Wochen zuvor verkündeten Novelle des Verpackungsgesetzes in Kraft, das der steigenden Flut von Verpackungsmüll Einhalt gebieten soll.

Das Ziel: weniger Müll und höhere Recycling-Quoten

Das Verpackungsgesetz von 2019 verankerte die EU-Verpackungsrichtlinie im deutschen Gesetz. Sein Kernthema ist die „erweiterte Produktverantwortung“. Sie nimmt die Verursacher von Verpackungsmüll, der beim Endverbraucher ankommt, in die Pflicht. Im Fokus steht dabei grundsätzlich jedes Unternehmen, das beispielsweise einen Karton oder ein anderes Versandmittel erstmalig mit Ware befüllt oder aus dem Ausland importierte Waren in der Bundesrepublik auf den Markt bringt. Alle betroffenen Firmen haben das Gesamtgewicht des von ihnen verwendeten Verpackungsmaterials bei der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) im Register LUCID anzumelden. Seit Juli 2021 müssen auch die Betreiber von Online-Marktplätzen dafür geradestehen, dass die gesetzlichen Vorgaben auf ihren Plattformen eingehalten werden.

Wie funktioniert die erweiterte Produktverantwortung?

Für jedes Kilogramm erstmalig in Deutschland in Umlauf gebrachtes Verpackungsmaterial wird eine festgelegte Abgabe fällig. Diese Beträge fließen in die Verbesserung der Recycling-Infrastruktur. Ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben ist der Erwerb einer Verpackungslizenz. Die Lizenzierung erfolgt direkt bei einem der aktuell acht privatwirtschaftlichen Dienstleister, die das Duale System anbieten – das heißt, den Müll sammeln und recyclen. Der Preis für die jährliche Verpackungslizenz richtet sich ebenfalls nach dem Gewicht der in Umlauf gebrachten Verpackungsmenge. Die wiederum wird mit der bei LUCID angegebenen Gewichtsangabe abgeglichen, um größtmögliche Transparenz zu gewährleisten. Verstöße gegen das Verpackungsgesetz werden mit Abmahnungen, in schlimmeren Fällen mit erheblichen Geldstrafen geahndet.

Kann jede Art Karton im Dualen System wieder aufbereitet werden?

Die Antwort auf diese Frage ist denkbar einfach: Prinzipiell eignet sich jeder Karton fürs Recycling (Ausnahme: verschmutzte Pizzakartons und ähnliche Verpackungen, siehe nächster Absatz). Mit Pappe und Papier gelangen Werkstoffe ins Duale System, die sich mehrmals wieder aufbereiten lassen. Das Recycling von Kartons rettet Bäume vor dem Gefällt werden und hinterlässt einen günstigeren ökologischen Fußabdruck als die Produktion von komplett neuem Verpackungsmaterial. Das betrifft sowohl die Belastung der Umwelt durch Emissionen wie auch den Energieverbrauch bei der Herstellung.

Wann gehört ein Karton nicht in die Papiermülltonne?

Verpackungen aus Pappe sollten grundsätzlich in die Tonne für Altpapier wandern, solange sie sauber und trocken sind. Feuchte oder gar nasse Kartons haben dort nichts zu suchen. Pizzakartons beispielsweise sind häufig an- oder durchgeweicht und fast immer zumindest stellenweise mit Fett vollgesogen. Nasse oder klebrige Objekte können die Recycling-Geräte beschädigen und ganze Ladungen verwertbares Material ruinieren, wenn sie sich damit vermischen. Ähnlich verhält es sich mit Verpackungen von Gefriergut. Viele Recyclingfirmen sortieren Pizzakartons und andere Schachteln, die feuchte Lebensmittel enthalten haben, deswegen von vornherein aus. Diese Verpackungen landen dann im Restmüll – was ja bekanntlich dem Gegenteil von Recycling entspricht.

Müssen Verpackungen aus recyclingfähigem Material mit einem Code markiert sein?

Das aktuelle Verpackungsgesetz verpflichtet nicht zur Kennzeichnung des Materials. Die Marke eines Kartons, der spezifische Recycling-Code und das Logo des Systembetreibers (des Recycling-Betriebs) sind freiwillige Angaben. Allerdings definiert das Gesetz die Nummern und Abkürzungen, aus den sich die Recycling-Codes zusammensetzen. Für die Werkstoffgruppe Papier und Pappe sind die Kennzahlen 20 bis 39 reserviert. Aktuell sind hier allerdings nur drei Nummern festgelegt:
20 – PAP steht für Wellpappe,
21 – PAP für sonstige Pappe,
22 – PAP für Papier

Abbildung einer Mülltonne für Kartonagen.
Bild: stock.adobe.com ©fotohansel

Wie entsorge ich Kartons am besten?

Damit die Altpapiertonne möglichst viel Material aufnehmen kann, solltet ihr Pappkartons und Pappen immer gut zerkleinern. Es macht keinen Sinn, widerspenstige Kartonagen mit großem Kraftaufwand zu plätten oder sie bloß auseinander zu falten und dann als große Stücke in die Tonne zu legen. Nicht zerkleinerte Kartons und große Teilstücke können sich beim Entleeren verkeilen und in der Tonne stecken bleiben. In der Regel kümmert sich das Personal der Müllabfuhr nicht darum, ob eine Tonne restlos geleert wurde, sondern stellt sie dann eben noch halbvoll wieder zurück.

Praxistipp: Kartons zerkleinern – so geht’s am schnellsten

  • Wer ökonomisch vorgehen will, löst die geklebten Verbindungspunkte am Karton mit der Hand oder mit einem Messer.
  • Jetzt lässt sich der Karton leicht auseinander falten. Das spart Volumen in der Tonne.
  • Allerdings passen größere Kartonagen jetzt vermutlich gar nicht mehr in die Tonne. Sie wieder zu falten, wäre kontraproduktiv.
  • Bleibt das eigentliche Zerkleinern. Dafür benutzt ihr am besten eine große Schere. Besonders dicke, harte Pappen – zum Beispiel die von Lebensmittelkartons – lassen sich oft nur mit einer Säge zerlegen.
  • Definitiv Vorsicht geboten ist beim Hantieren mit dünnen Kartons. Da holt man sich nämlich im Handumdrehen eine Verletzung, der genau so schmerzt wie ein Schnitt an Papier.

Die Wiederaufbereitung von Kartons

Das Recycling von Kartonagen ist ein vielschichtiger Prozess – aber einer, der sich lohnt: Bis zu sieben Mal können Pappe oder Papier wiederverwertet werden. Der Ablauf beim Recycling selbst ist immer derselbe:

  1. Sammeln
  2. Sortieren
  3. Zerkleinern
  4. Aufschließen (Papierbrei herstellen)
  5. Absieben von störenden Elementen
  6. Aufsprühen und Trocknen auf Rollen
  7. Plätten
  8. Produktion neuer Kartons

Kurze Erläuterung der Phasen beim Recycling

Je nach verwendetem Material und Herstellungsverfahren unterscheiden sich Kartons hinsichtlich Stärke, Härtegrad und anderer Eigenschaften. In der Wiederaufbereitungsanlage müssen sie zunächst sortiert und dann weiter zerkleinert werden, damit sie sich im anschließenden sogenannten „Aufschluss“ möglichst rasch auflösen. In der Aufschlussphase kommen die Pappstücke in eine mit Wasser gefüllte Rührbottich, den Pulper. Diese Maschine funktioniert wie ein übergroßer Mixer. Unter dem Treiber (dem Rührgerät) befindet sich ein Siebblech, durch das die faserige Masse abgepumpt wird.

Auf dem Sieb sammeln sich Klebebandreste, Heftklammern, Drähte und Kunststoff, zum Beispiel nicht abgelöste Folien. Erst wenn alle Störstoffe entfernt sind, beginnt die nächste Stufe der Weiterverarbeitung (übrigens wandert auch das abgesiebte Material so weit als möglich ins artgemäße Recycling). Fertig aufgeschlossen, kann der faserige Brei bis zu 90 Prozent Wasser enthalten. Er wird mit Frischfasern angereichert und auf Walzen gesprüht. Im nun folgenden Trocknungsprozess verdunstet das Wasser. Aus den getrockneten Bahnen entsteht in der finalen Phase des Recyclings neuer Karton.

Recycling von Bestellkartons – ein guter Weg, aber …

Für die 21,4 Millionen Tonnen Papier, Pappe und Kartons, die die deutsch Papierindustrie 2020 herstellte, wurden knapp 17 Millionen Tonnen Altpapier verwendet. Die Wiederverwertung von Papier und Pappe ist angesichts stetig wachsender Müllberge überaus sinnvoll. Allerdings gehören die gängigen Verfahren nicht gerade zur Crème de la Crème unter den nachhaltigen Produktionsprozessen. Um aus Altpappe neue Kartons zu machen, braucht es derzeit immer noch sehr viel Energie und Wasser, wenn auch weniger als bei der Herstellung von neuem Verpackungsmaterial. Die beste Lösung – nämlich die Umstellung auf insgesamt weniger Versandmaterial – kommt nur sehr zögernd in Gang.


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