Ob Wearables, Künstliche Intelligenz oder Smart-Home-Systeme – digitale Technologien prägen zunehmend unseren Alltag. Vieles davon wirkt effizient und fortschrittlich, doch nicht alle Entwicklungen sind immer unbedenklich. In einer unserer vergangenen Podcastfolgen warnt Rainer Rehak beispielsweise davor, dass KI nicht nur Arbeit erleichtert, sondern auch bestehende Ausbeutungsverhältnisse verschärfen kann. Rehak forscht am Weizenbaum-Institut in Berlin. Die Einrichtung, benannt nach dem KI-Pionier und Technik-Kritiker Joseph Weizenbaum, hat sich der kritischen Auseinandersetzung mit Digitalisierung verschrieben. Hier geht es unter anderem um die Frage: Wie lässt sich technologische Entwicklung so gestalten, dass sie demokratisch, nachhaltig und gerecht ist?
Was ist das Weizenbaum-Institut?
Das Weizenbaum-Institut ist ein Forschungsinstitut, das sich mit der gesellschaftlichen Auswirkung der Digitalisierung beschäftigt. Es wurde im Jahr 2017 mit Sitz in Berlin gegründet und ist ein Verbundprojekt, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dem angesprochenen Verbund gehören verschiedene Berliner Universitäten oder auch außeruniversitären Forschungseinrichtungen an, wie das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Das Institut ist dabei interdisziplinär aufgestellt und vereint verschiedene Perspektiven in mehreren Forschungsschwerpunkten, namentlich: Digitale Technologien in der Gesellschaft, Digitale Märkte und Öffentlichkeiten auf Plattformen, Organisation von Wissen und Digitale Infrastrukturen in der Demokratie. Innerhalb dieser Themenschwerpunkte finden sich dann verschiedene Forschungsgruppen wieder. Unterstützend wurde 2022 zusätzlich das Weizenbaum Digital Science Center gegründet. Dieses hat verschiedene Funktionen und soll unter anderem die einzelnen Forschungsgruppen flexibel unterstützen oder flexibel auf gesellschaftliche, politische oder wirtschaftliche Sachlagen reagieren.
Die interdisziplinäre Ausrichtung des Instituts fokussiert sich dabei hauptsächlich auf die drei größeren Perspektiven der Sozialwissenschaften, Informatik und Recht/Rechtswissenschaft/Ethik. Außerdem gibt das Institut seit 2021 die Open-Access-Zeitschrift Weizenbaum Journal of the Digital Society heraus, die sich ebenfalls der interdisziplinären Digitalisierungsforschung widmet.
Joseph Weizenbaum
Der Namensgeber des Forschungsinstitutes ist Joseph Weizenbaum. Er ist ein deutsch-amerikanischer Pionier der Informatik – sowie ihr späterer Kritiker – und lebte von 1923 bis 2008. Weizenbaum stammt aus einer jüdischen Familie und emigrierte mit dieser 1936 in die USA. Dort fing er an zu studieren und bekleidete später eine Professur am MIT (Massachusetts Institut of Technology). Er war beteiligt am Arpanet, dem Vorläufer des Internets und veröffentlichte das Computerprogramm ELIZA. ELIZA wurde als Meilenstein der künstlichen Intelligenz gefeiert und simuliert eine natürliche Gesprächssituation zwischen Mensch und Maschine.
Dabei gilt dieses Programm für Weizenbaum auch als ein Schlüsselmoment. Seine ELIZA-Variante Doctor sollte den Eindruck eines therapeutischen Gespräches erwecken, doch zu Weizenbaums Entsetzen vertrauten viele Menschen der Maschine bedenkenlos ihre intimsten Gedanken an. So wurde er letztendlich zum großen Kritiker und Mahner unreflektierter Technikgläubigkeit. Seine Errungenschaften sowie die differenzierte Auseinandersetzung mit diesen und seine Forderung nach verantwortungsbewussten Umgang mit Technik sind genau das, was ihn zum Namensgeber des Weizenbaum-Institutes macht und laut eigener Aussage des Instituts, zu einem Vorbild für die eigene Arbeit.
Auf der Seite des Weizenbaum-Institutes gibt es zusätzlich eine empfehlenswerte digitale Ausstellung, die neben gut aufbereiteten Informationen auch die Möglichkeit beinhaltet ELIZA selbst einmal auszuprobieren. Natürlich ist ELIZA kaum vergleichbar mit heutigen Chatbots und führt den Dialog streng nach Programmierung.
Einblick in die Arbeit
Zur Veranschaulichung der Arbeit ein kleiner Einblick in einige Projekte und Transfers. Ein aktuelles Forschungsprojekt untersucht beispielsweise wie sich Inhalte auf TikTok systematisch erfassen lassen. Erst findet eine manuelle Klassifizierung tausend einzelner Clips statt, um eine verlässliche Datengrundlage zu schaffen. Diese wird dann genutzt um zu erforschen, ob und wie zuverlässig KI die Inhalte automatisch erkennen kann. Denn um die Mechanismen der Informationsverbreitung auf TikTok analysieren zu können, ist die Inhaltsklassifizierung eine Voraussetzung für die sozialwissenschaftliche Forschung.
Ein weiteres Beispiel für die Arbeit ist die Beteiligung an dem zivilgesellschaftlichen Bündnis Bits & Bäume. Hier geht es um die Aufgabe die Digitalisierung und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Das Institut bringt sich dabei sowohl als Mitveranstalter von Konferenzen, als auch mit wissenschaftlicher Expertise ein. Gemeinsam mit anderen Organisationen brachte das Weizenbaum-Institut außerdem einen Forderungskatalog an die Politik heraus. In diesem Katalog wird die Einhaltung der plantaren Grenzen verlangt, die regionale Selbstbestimmung und globale und soziale Gerechtigkeit gefordert sowie Partizipation, IT-Sicherheit und die Umverteilung technologischer Gestaltungsmacht.
Ein anderes interessantes Angebot trägt den Namen „Pizza und…“ und ist eine Veranstaltungsreihe, bei der sich die Wissenschaftler*innen des Institutes mit verschiedenen Personen des politischen Feldes treffen. Das können Mitarbeiter*innen des Bundestages, aus Ministerien oder politischen Stiftungen sein. Hier lässt sich in lockerer Atmosphäre, nämlich beim Pizzaessen, über aktuelle Digitalisierungsthemen sprechen.
Der Einblick in die Arbeit zeigt, dass sich das Weizenbaum-Institut nicht ausschließlich als Forschungsstätte betrachten lässt, sondern auch als ein Akteur im öffentlichen Diskurs. Es werden nicht nur Studien und Berichte veröffentlicht, sondern sich auch aktiv an politischen Beratungsprozessen oder gesellschaftlichen Debatten beteiligt. So kann das Institut Brücken schlagen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.
Fazit
Ob also beim Einsatz von KI, Social Media oder grundsätzlich der Frage nach digitaler Teilhabe, wie wir mit Technik umgehen prägt unsere Gesellschaft grundlegend. Das Weizenbaum-Institut macht dabei deutlich, dass Forschung mehr sein kann als Beobachtung. Forschung kann mitgestalten, hinterfragen, bremsen und Impulse geben. In einer Zeit, in der technologische Entwicklung rasant voranschreiten, oft schneller als ihre Regulierung, braucht es Orte, an denen reflektiert, gedacht und diskutiert werden darf. Das Weizenbaum-Institut ist so ein Ort und damit wichtiger denn je.
Image by Antoni Shkraba Studio via pexels
Artikel per E-Mail verschicken
