Katharina Borchert

Katharina Borchert:, in der Blogosphäre bekannt als Lyssa und verantwortlich für das neue Internetportal der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, chattete in der Blogsprechstunde über die „Männerdomäne“ WAZ im Web 2.0 und Angela Merkels Vorliebe für Gemüse. Thema war auch die Kritik an ihrem Wechsel nach Essen.

Moderator:: Hallo und herzlich willkommen zur dritten Blogsprechstunde von politik-digital.de in Kooperation mit den Blogpiloten, diesmal mit Katharina Borchert:. Es geht gleich um 16 Uhr los, Sie können der neuen Chefredakteurin des WAZ-Portals westeins.de aber gerne schon jetzt Ihre Fragen stellen.

Katharina Borchert:: Ich teste hier einfach noch mal ganz kurz der Form halber.

Moderator:: Hallo Frau Borchert, schön, dass Sie da sind. Die ersten Fragen sind bereits eingelaufen.

Katharina Borchert:: Dann gleich her damit.

Moderator:: Katharina Borchert:, in Bloggerkreisen auch bekannt als Lyssa, chattet mit uns aus Essen. Zur ersten Frage:

cherryblossom: Sind Journalisten die besseren Blogger?

Katharina Borchert:: Nein, auf keinen Fall.

Moderator:: Warum nicht?

Katharina Borchert:: Weil Bloggen (auch) von radikaler Subjektivität und Spontaneität lebt und sich beides Journalisten erst wieder „gestatten“ lernen müssen.

huibuh: Glauben Sie, dass Blogs einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung haben?

Katharina Borchert:: Derzeit? In Deutschland sicherlich nicht, in den USA schon eher.

frogman: Leistet sich die WAZ westeins als Prestige-/ Imageobjekt, oder worin besteht der Zweck?

Katharina Borchert:: Westeins ist sicherlich weitaus mehr als nur ein Prestigeprojekt, wobei niemand über Prestige böse sein wird. Die WAZ-Mediengruppe ist derzeit im Internet nicht besonders gut aufgestellt, hat aber erkannt, dass Verlage das Netz nicht länger ignorieren oder wie eine lästige Nebensache behandeln dürfen, wenn sie auch künftig noch Reichweite haben wollen.

Moderator:: Wir haben sehr viele Fragen zum Start von westeins, dem neuen Internetportal der WAZ. Ich versuche mal, einige zu bündeln:

samsonite: Wie sieht die WAZ im Web 2.0 aus?

Pötter: Wie weit sind die Planungen für westeins?

Katharina Borchert:: Die WAZ sieht im Web 2.0 immer noch wie eine klassische Nachrichtenseite aus, bietet aber vielfältige Interaktionsmöglichkeiten, angefangen von Kommentaren (unregistriert möglich) bis hin zu eigenen Blogs von Lesern, social bookmarking und so weiter. Die Planungen für westeins sind sehr weit gediehen und befinden sich irgendwo mitten in der Umsetzung. Es gibt wöchentliche Designupdates und so weiter.

markus: Existiert im Konzept der WAZ, insbesondere mit Blick auf die Integration der Printmedien, die Möglichkeit zu Dialogen? Wie können User oder andere Blogger auf die Veröffentlichungen reagieren?

Katharina Borchert:: Nutzer können Artikel, egal ob aus der Online-Redaktion oder aus Print, direkt kommentieren (ohne sich zu registrieren), sie können sich aber auch im Forum austauschen oder ein Trackback von ihrem Blog aus setzen. Einen ganz festen Termin kann ich leider noch nicht nennen. Es geht uns da wie den Online-Kollegen aus vielen anderen Verlagen auch. Wir wollen nicht mit einer extrem halbgaren, fehleranfälligen Version starten und investieren daher lieber vorher etwas mehr Zeit.

Peter_: Werden Blogger bei westeins entlohnt? Bekommen auch Journalisten der WAZ, die zusätzlich bloggen, gegebenenfalls Geld dafür?

Katharina Borchert:: Die Blogger, die wir gezielt als Blogger vertraglich an uns binden, werden entlohnt. Schließlich erwarten wir da auch eine bestimmte Leistung (also x Postings zu einem bestimmten Thema pro Woche / Monat). Die Nutzer, die sich einfach nur zum eigenen Vergnügen ein Blog bei uns anlegen, im ersten Schritt nicht.

larissa: Sind Sie auch für das neue WAZ-Kulturportal westropolis.de verantwortlich? Sozusagen eine Spielwiese für westeins.de?

Katharina Borchert:: Yep, wir haben westropolis.de als eine Art Pilotprojekt gestartet – Spielwiese trifft das schon sehr gut. Wir wollten intern sowohl technische als auch redaktionelle Abläufe proben. Westropolis wird dann in westeins integriert.

anja: Wird es auch Blogs bei westeins geben, die die gerade „abgeschafften“ Lokalteile im Kreis Recklinghausen ersetzen? Also so was wie „Essen gebloggt“ in Recklinghausen, jedoch mit den Inhalten, die vorher im Lokalteil standen.

Katharina Borchert:: Die Verantwortung für die lokalen Seiten liegt in den jeweiligen Lokalredaktionen. Wir stellen die Tools zur Verfügung und beraten, aber die Lokalredaktion entscheidet letztendlich, was genau dann vor Ort gemacht wird. Aber ich denke, dass die Recklinghäuser da sehr offen sind. Es ist eher die Frage, ob sich interessierte und gute Blogger dort finden. Das wird die Zeit zeigen.

Moderator:: Wechseln wir einmal das Thema. Wir bekommen auch Fragen zu Lyssas Lounge, dem Blog, mit dem Katharina Borchert: in der Blogosphäre bekannt geworden ist:

igel: Wie sind Sie aufs Bloggen gekommen?

Katharina Borchert:: Oh oh, da plagt mich gleich das schlechte Gewissen wegen sträflicher Vernachlässigung der Lounge. Ich hab so um den 11. September herum das erste Mal von Blogs gehört, schließlich standen sie zumindest in den USA da sehr plötzlich im Fokus. Ich habe mich dann gleich in ein oder zwei Blogs „verliebt“, mich über Blogrolls quer durch die Blogosphäre gehangelt, nächtelang nur in fremder Leute Leben gelesen und irgendwann war klar: Das will ich auch mal ausprobieren.

egal2: Wie lebst du damit, dass Deine Angestellten wissen, welche peinlichen Erlebnisse du hattest und auch welche Männergeschichten?

Katharina Borchert:: Ich versuche, es meist zu ignorieren und meine Mitarbeiter sind so höflich und ignorieren es auch ;-) Im Ernst: Ich kann zu dem stehen, was ich öffentlich gemacht habe, auch wenn ich rückblickend über manches vielleicht nicht mehr schreiben würde, weil es manchmal doch zu sonderbaren Momenten führt. Aber ich würde deshalb keine Texte löschen.

kartoffel: Sind Ihre Geschichten auf Lyssas Lounge echt? Oder alles nur Fiktion?

Katharina Borchert:: Die sind echt. Bei anderen Kolumnen außerhalb von Lyssas Lounge ist vieles auch Fiktion.

_raisingirl: Sie haben ja jetzt auch eine Kolumne bei der WAZ mit dem Namen „Netzhaut“ – die Offline-Variante von Lyssa?

Katharina Borchert:: Nein. Eher der Versuch, WAZ-Lesern Internetthemen unterhaltsam näher zu bringen. Und das Schreiben nicht völlig zu verlernen.

schubert: Haben Sie Lyssas Lounge aufgegeben oder planen Sie, Ihr Blog weiterzuführen?

Katharina Borchert:: Ich will Lyssas Lounge unbedingt weiterführen. Das habe ich sogar in den Arbeitsvertrag aufnehmen lassen. Mir fehlt nur leider im Moment wirklich die Zeit, was ich sehr bedaure.

ostzwei: Haben Sie schon mal über jemanden gebloggt, der gar nicht im Blog sein wollte?

Katharina Borchert:: Ganz zu Beginn, als ich noch niemandem davon erzählt hatte. Da konnte ich auch niemanden fragen. Seither kläre ich das mit den Beteiligten, die wiedererkennbar auftauchen.

Moderator:: Hier geht es wahrscheinlich um die Zeit vor der WAZ:

rocklobster: Wieviel Zeit verbringen Sie am Tag mit dem Blog?

Katharina Borchert:: Das war schon immer extrem unterschiedlich, je nach „privater Nachrichtenlage“. Es gab aber Zeiten, da habe ich deutlich zu viel Zeit, nicht so sehr mit dem eigenen, aber mit fremden Blogs verbracht. Man kann sich ja ganz wunderbar stundenlang festlesen.

Ruben: Welche Blogs liest du gerne, was ist das Topblog?

Katharina Borchert:: Ich lese natürlich etliche Blogs aus der Branche von buzzmachine bis Indiskretion Ehrensache, aber auch Technologieblogs und, wann immer ich Zeit habe, Blogs von Menschen, die mir im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen sind. Und spät abends eine Dosis Aufheiterung mit gofugyourself.

cherryblossomgirl: Wie finden Sie den Podcast von Angela Merkel? Sie haben sie ja selbst einmal getroffen, um ihr Tipps zu geben. Haben die geholfen? Wie war die Bundeskanzlerin denn so?

Katharina Borchert:: Mir ist der Podcast immer noch zu steif, zu fernsehartig. Sie selbst war hingegen viel entspannter und spontaner als erwartet.

Moderator:: Ein bisschen Klatsch aus dem Kanzleramt, bitte…

Katharina Borchert:: Die Kanzlerin ernährt sich am Schreibtisch gesünder als ich. Da steht Gemüse herum, bei mir Schokolade (na gut, und ein paar Äpfel). Ansonsten gibt es, wie zu erwarten war, sehr viele Menschen um sie herum.

Moderator:: Es gibt einen Blogger namens WAZsolls, der die Arbeit von Katharina Borchert: sehr genau beobachtet. Hier zwei Fragen dazu:

meike: Haben Sie auch den WAZsolls Feed abonniert? Wie denken Sie darüber?

Peter_: Haben Sie den Blogger von WAZsolls inzwischen identifiziert und damit ruhig gestellt?

Katharina Borchert:: Natürlich gucke ich regelmäßig bei WAZsolls rein, bin da aber hin- und hergerissen. Einerseits finde ich sein Blog gut, andererseits ist es manchmal schwierig, wenn man bei internen Veranstaltungen sprechen soll, also nur semi-öffentlich, und nie so genau weiß, was davon jetzt im Netz landet. Nein, wir haben niemanden ruhig gestellt. Höchstens mit Arbeit zugeschüttet ;-) Aber auch das nicht bewusst.

kugelfisch: Wie sind Sie mit der Kritik um Sie herum – besonders aus der Blogosphäre – fertig geworden, als sie bei der WAZ anfingen? Hatten Sie daran gedacht, den Job nicht anzunehmen?

Katharina Borchert:: Die Kritik war manchmal wirklich schwer zu ertragen, weil sie sehr schnell die Sachebene verließ und persönlich wurde (was hat zum Beispiel mein angeblich so strenges Aussehen mit meinen Fähigkeiten zu tun?). Da muss man sich erst mal im Schnelldurchlauf ein verdammt dickes Fell zulegen. Und natürlich habe ich gut darüber nachgedacht, ob ich den Job annehmen will oder nicht. Allerdings nicht wegen möglicher Kritiker. Aber ich habe mich schon sehr ernsthaft gefragt, ob ich mir das zutraue.

mignon: Haben sie das Blog Lyssas Lounge schon früher als „Sprungbrett“ für eine weitere Karriere gesehen?

Katharina Borchert:: Nein, auf die Idee wäre ich im Traum nicht gekommen. Ich habe schon früh vermutet, dass das Thema noch mal „größer“ wird, aber nicht erwartet, dass das auch mein Leben derart verändern würde. Vermutlich hätte ich sonst gleich ein fachlicher orientiertes Blog geschrieben. Das war wirklich nur ein ganz persönliches Hobby.

punktkomm: Warum gibt es so wenige bekannte weibliche Bloggerinnen?

meike: Was denken Sie, warum bloggen eigentlich viel mehr Männer als Frauen?

Katharina Borchert:: Es bloggen gar nicht mehr Männer als Frauen, Männer werden nur mehr wahrgenommen. Ich glaube, sie sind konfrontationsfreudiger und „lauter“ und provozieren lieber als Frauen.

carina: Arbeiten Sie eigentlich in einer richtigen Männerdomäne? Wie viele weibliche Kolleginnen in der Führungsetage haben Sie?

Katharina Borchert:: Ich arbeite in einer richtigen Männerdomäne. Es gibt zwar weibliche Chefs vom Dienst, aber nur männliche Chefredakteure und Stellvertreter.

frogman: Hat die WAZ Sie aufgrund von Lyssas Lounge eingekauft, oder haben Sie schon vorher dort gearbeitet?

Katharina Borchert:: Ich habe vorher noch nicht dort gearbeitet. Ich würde aber nicht sagen, dass mich die WAZ nun allein aufgrund von Lyssas Lounge eingekauft hat, sonst hätten sie mich vermutlich als Kolumnistin angestellt. Aber trotzdem schließt sich da irgendwie ein Kreis. Ich komme ursprünglich aus Wattenscheid und die WAZ war die erste Zeitung, die ich je gelesen habe.

carina: Was sind denn die besten weiblichen Blogs? Ein paar Beispiele, bitte ;)

Katharina Borchert:: Puh, schwierig. Auf jeden Fall natürlich unsere neuen Gästebloggerinnen bei Westropolis :-) Und natürlich die Schwadroneuse, Frau Elle, Frau Julie, die Kaltmamsell, Lichtblick (tolle Fotos!), dooce, die Ladies von feministing.com, franziskript.

olive: Wie finden Sie eigentlich Chats? Ist das für Sie als Bloggerin nicht „old fashioned“?

Katharina Borchert:: Ich hab ewig nicht mehr gechattet und bekomme so langsam fast nostalgische Gefühle, weil Chatten 1994/95 neben dem Usenet mein Einstieg ins Netz und meine Lieblingsdroge war. An die Telefonrechnungen von damals möchte ich aber lieber nicht mehr erinnert werden.

Moderator:: Kommen wir einmal zurück zur WAZ…

Palumbo13: Was für Blogs wird es bei der WAZ in Zukunft geben?

Katharina Borchert:: Sicherlich lokale Blogs aus hoffentlich möglichst vielen, unterschiedlichen Städten, aber auch themenorientierte Blogs.

MimiG: Warum ist Westropolis heute nur in aller Stille an den Start gegangen?

Katharina Borchert:: Wir wollten erst mal ein wenig Leben und Inhalte auf die Seite bringen und dann entsprechend Lärm machen.

malte: Worin wird sich westeins von anderen Nachrichtenportalen unterscheiden?

Katharina Borchert:: Wir werden regionaler und interaktiver.

Moderator:: Wieder ein Doppelpack mit zwei Fragen…

Katharina Borchert:: Und ein bisschen „vielfältiger“.
Her mit dem Doppelpack :-)

Moderator:: Also nochmal zum Doppelpack, Entschuldigung, dass ich dazwischen gefunkt habe:

cherryblossomgirl: Machen Sie auf westeins.de so etwas wie die „Reader´s Edition“ der Netzeitung? Also Leserreporter durch die Straßen schicken? Oder wollen Sie sich davon bewusst abgrenzen?

frogman: Was ist der Zweck von westeins?

gigold: Also werden wir die X-ten Auto-, Gadget- und Literatur-Blogs sehen?!

meike: Werden Sie auch im Rahmen von westeins selbst bloggen?

Moderator:: Ist ein Viererpack geworden…

Katharina Borchert:: Vierfachpack… Wir wollen sowohl Redakteure als auch Blogger durch die Straßen schicken (der Begriff Leserreporter geht mir immer noch so schwer aus den Fingern). Aber anders als die Netzeitung wollen wir nicht ein separates Portal in die Welt setzen, sondern alles unter dem Dach von westeins stattfinden lassen und uns Gedanken über intelligente Verknüpfung der verschiedenen Inhalte machen. Der Zweck von westeins? Regionale Informationen aus verschiedenen Quellen im Haus bieten (ganz klassisch aus den Printtiteln, aus der Online-Redaktion und so weiter), aber auch eine Plattform für unterschiedliche Meinungen, nicht allein redaktioneller Natur, bieten.
Hallo Thomas (Gigold, www.medienrauschen.de; Anm. der Redaktion), das x-te Autoblog? Ich will nicht ausschließen, dass es auch ein Autoblog geben wird, aber der Fokus wird eher auf regionalen Themen liegen. Also ein Blog über die Gelsenkirchener Kommunalpolitik, Fotos aus Duisburg, die Situation der Kindergärten im Ruhrgebiet und so weiter.

rocklobster: Sie schreiben aber in Ihrer Stellenausschreibung, dass die Blogger nicht unbedingt aus dem WAZ-Land kommen müssen…

Katharina Borchert:: Selber bloggen? Ich hoffe, ich finde dann endlich die Zeit dazu. Im Moment sieht es nicht so gut aus. @rocklobster, nein, müssen sie auch nicht. Es gibt schließlich auch spannende überregionale Themen, wenn es wirklich gut gemacht ist, darf das auch das x-te Gagdetblog sein. Aber noch dringender suchen wir regional.

Moderator:: Die Zeit ist auch schon um, das Schlusswort gebührt dem Gast:

Katharina Borchert:: Schlussworte? Ohoh, nicht meine Stärke. Vielen Dank für die Einladung zum Chat! Und ich finde, wir leben in einer unglaublich spannenden Zeit, in der sich zumindest in dieser Branche, aber auch gesellschaftlich unglaublich viel ändert. Nutzt das!

Moderator:: Vielen Dank fürs Mitchatten! In der nächsten Blogsprechstunde am Dienstag, 27. Februar, ist Udo Vetter, der bloggende Rechtsanwalt vom law blog im Chat. Und am Mittwoch, 28.2., ist Oskar Lafontaine im tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de.

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