Don Dahlmann

Moderator: Hallo und herzlich willkommen in der Blogsprechstunde, dem Chat von politik-digital.de und den Blogpiloten. Unser Gast ist heute Don Dahlmann: Er ist Blogger der ersten Stunde. Sein Weblog Irgendwas ist ja immer füllt der Journalist seit 2001 mit Einträgen. Zudem betreibt er ein Info-Blog zum Thema Abmahnungen.Außerdem schreibt Dahlmann für die Debatten-Seite der „Welt“ über die deutsche TV-Landschaft.

Don Dahlmann: Hallo, und schönen guten Tag aus Berlin

Moderator: Herr Dahlmann, können wir anfangen?

Don Dahlmann: Ja, sehr gerne

Moderator: Unsere Nutzer konnten vor dem Chat schon Fragen stellen und darüber abstimmen. Die Fragen mit den meisten Wertungen eröffnen den Chat. Scheinbar interessiert die Leser besonders das Thema Abmahnungen – darum legen wir mal damit los:

NoReply: Was ist denn die skurrilste, unglaublichste Abmahnungsgeschichte, die Sie bis jetzt gehört haben?

Don Dahlmann: Ohje, da gibt so viele. Die meisten Abmahnungen, vor allem im Blogbereich, sind ja merkwürdig. Aber eine, bei der mir wirklich die Kinnlade auf den Boden fiel, war erst neulich.
Da mahnte ein Fotograf einen Kunden ab, weil er die Portraitfotos auch online verwendet hatte, was nach Meinung des Fotografen nicht Teil des Deals war. Da fragt man sich schon, wo man lebt. Die ganze Geschichte gibt es hier: http://abmahnung.blogger.de/stories/858123/.

Moderator: War – rein rechtlich gesehen – der Fotograf denn im Unrecht?

Don Dahlmann: Nach Ansicht des Gerichtes in Köln war er das wohl nicht, aber das Urteil ist noch nicht rechtskräftig soweit ich weiß.

Dirk: Wie kam es dazu, dass du das Abmahnungsblog eingerichtet hast?

Don Dahlmann: Die Idee hatte ich im letzten Herbst, als eine erste Abmahnungswelle über die Blogszene reinbrach und ich mich selber darüber ärgerte, dass a) sowas überhaupt passiert und b) die einzelnen Abmahnungen in den Blogs einfach untergingen. Ich dachte, es sei eine gute Idee, die Abmahnungen zu sammeln und zentral vorzustellen. Außerdem wollte ich eine zentrale Stelle haben, auf der solche Sachen gesammelt werden, damit man sich Rat und Hilfe holen kann. Denn die meisten Menschen wissen im ersten Moment nicht, was man gegen eine Abmahnung tun kann. Dank der Suchmaschinen findet man jetzt schnell Hilfe.

ottokar: Ist es persönliches Empfinden, dass das Ausmaß an Abmahnungen erst in den letzten Monaten zugenommen hat? Woran liegt das? Es werden ja nicht erst jetzt ein paar Leute angefangen haben, copyright-geschützte Bilder zu veröffentlichen.

Don Dahlmann: Schwer zu sagen, ob das wirklich mehr geworden ist oder ob Blogs und das Netz durch die Suchmöglichkeiten dafür sorgen, dass mehr Fälle bekannt werden. Ein weiterer Grund ist wohl, dass viele Firmen mal schauen, was man so über sie im Netz schreibt. Und manche lesen eben eine Kritik und nehmen sie sich nicht zu Herzen, sondern schicken eine Abmahnung. Darüber hinaus wird natürlich oft gegen das sehr eng gefasste Copyright-Gesetz verstoßen. Mp3s und Bilder sind die Dinge, die am meisten kopiert werden.

rodel: Wer gibt denn Hilfe und Rat im Abmahnblog?

Don Dahlmann: Rat geben kann da jeder, der es will. Das Abmahnblog ist keine Rechtshilfeseite, sondern will (und darf) nur Hinweise geben, was man machen kann, wenn man eine Abmahnung erhalten hat. Der gängigste Rat lautet da immer: Zum Anwalt gehen.

plumps: Wo finde ich denn Hilfe, wenn ich eine fragwürdige Abmahnung erhalte? Du erwähntest vorhin gewisse Suchmaschinen im Netz?

Don Dahlmann: Hilfe bekommt man bei seinem Anwalt. Wer einen Anwalt sucht, der sich aufs Abmahn/Medienrecht spezialisiert hat, muss über die Rechtsanwaltskammern gehen oder kann bei jurablogs.com schauen. Da werden die Blogs von Anwälten gelistet. Mit den passenden Suchbegriffen kann man schauen, ob man einen Anwalt findet, der über das Thema schon mal was geschrieben hat.

Moderator: Zwei Fragen zu einem Thema:

abgemahnt: Zerstört diese ganze Abmahnindustrie, die sich da gegen Blogger aufbaut, den Geist der Blogosphäre?

Mensa: Machen Abmahnungen die Blogosphäre kaputt?

Don Dahlmann: Die „Abmahnindustrie“ gab es schon lange vor dem Internet und den Bloggern. Es scheint Anwälte zu geben, die daraus ein Geschäftsmodell machen. Es sind nicht Abmahnungen, die das Netz gefährden, sondern die Gesetze die dahinter stecken. Sich gegen Abmahnungen zu wenden ist schön und gut, aber es hilft wenig, wenn gleichzeitig das Persönlichkeitsrechte immer weiter verschärft wird. Aber das Netz und auch die Blogszene haben immer wieder bewiesen, dass man durch solche Angriffe eher zusammenwächst anstatt sich auseinander treiben zu lassen.
Die Angriffe der Musikindustrie haben das ja deutlich bewiesen.

target: Müssen diese Gesetze geändert werden? Wie soll das Persönlichkeitsrecht dann aussehen?

Don Dahlmann: Ich bin kein Jurist, dass kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es eher so, dass man die Meinungsfreiheit stärker als das Persönlichkeitsrecht einstufen sollte. In den USA ist das ja der Fall und es funktioniert auch prächtig. Es wäre also eine gute Lösung, wenn man die Meinungs-freiheit nach Artikel 5 Grundgesetz einfach verstärken würde. Das würde dem Netz sicher sehr helfen.

Moderator: Themenwechsel:

eman resu: Was hat dich eigentlich zum Bloggen gebracht – und die ganze Zeit dabei gehalten? Findest du Weblogs immer noch so spannend wie zu Beginn?

Don Dahlmann: Ich finde es heute sogar noch spannender als damals, als ich angefangen habe. Ich bin dazu gekommen, weil ich damals eine Art elektronischen Zettelkasten für meine Notizen gesucht habe. Da ich analoge Zettel immer verschlampt habe, schien mir das eine gute Lösung. Daraus ist dann langsam aber sicher immer mehr geworden. Heute gibt es ja nicht nur Blogs, sondern auch Twitter, Flickr, Xing, Facebook usw.. Da tut sich soviel und das ist so spannend, dass ich gerade nach einer Lösung suche, wie ich all meine Aktivitäten im Netz auf einer Seite zusam-menfassen kann. Sozusagen Blog 2.1.

ant: Hat sich irgendwas im Laufe der Zeit inhaltlich verändert?

Don Dahlmann: Oh ja! Manchmal wäre ich froh, wenn ich kein Archiv hätte, so „merkwürdig“ erscheinen mir manche Sachen, die ich früher geschrieben habe. Ich habe das Blog immer als Teil meiner Persönlichkeit gesehen, und man verändert sich ja im Laufe der Zeit. Und mit der eigenen Veränderung kommt auch die Veränderung im Blog. Am Anfang war es wirklich nur ein Zettelkasten, dann habe ich viel in Richtung Literatur im Netz gemacht und seit einem Jahr ist eine politische Variante dazu gekommen. Wer weiß, was für Ideen ich nächstes Jahr habe. Sollte ich mal Kinder in die Welt setzen, landen die vermutlich auch im Blog :).

Kofi: Du bist ja Journalist – für wen schreibst du denn über was?

Don Dahlmann: Ich bin freier Journalist und schreibe für unterschiedliche Auftraggeber. Die alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Aber da war in meinem beruflichen Leben schon (fast) alles dabei. Von der „Zeit“ bis zum „Goldenen Blatt“ (peinlich, aber wahr).

politics: Macht es dir nichts aus, dass auch recht persönliche Dinge über dich im Internet stehen?

Don Dahlmann: Ich kontrolliere ja, was ich raus gebe und was nicht. Wer mein Blog kennt, weiß, dass bestimmte Themen nicht vorkommen. Ich schreibe kaum etwas über meinen „real life“- Freundeskreis oder auch über meine Beziehung. Ich schreibe über Dinge, die meist nur mich alleine betreffen und wo niemand anders drin vorkommt. Wenn ich das mal mache, dann frage ich auch vorher nach, ob es okay ist, wenn ich dies oder jenes schreibe. Aber es macht mir selber nichts aus, wenn wildfremde Leute sehen oder lesen, was mich gerade beschäftigt oder was ich zum Mittag-essen hatte.

geschmacksneutral: Hat sich die Blogoshäre in den letzten Jahren verändert?

Don Dahlmann: Ja, das hat sie. Sie ist definitiv interessanter geworden, weil immer mehr Menschen interessante Dinge in immer mehr Blogs schreiben. Dazu kommt, dass die Blogosphäre politischer geworden ist. Es ist schon erstaunlich, was sich da im letzten Jahr allein getan hat. Blogs machen sich die Mühe, die klassischen Medien zu hinterfragen, aber sie machen auch aufmerksam, was sich in der Politik so tut. Ohne Blogs würden wir wahrscheinlich nicht die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung haben. Auch beim G8 Gipfel hat man gesehen, was Blogs im Sinne einer politischen Berichterstattung abseits der Medien, die sich nur auf dpa- Meldungen verlassen, leisten können. Allein beim G8-Gipfel sind mehrere Falschmeldungen auf Grund von Blogrecherchen aufgeflogen. Ich hoffe, dass sich dieser Trend auch weiter fortsetzt.

onkel benz: Sollten auch Politiker mehr bloggen?

Don Dahlmann: haha…eines der Grundgesetze des Bloggen ist, dass man seine Meinung ehrlich sagt. Ich sehe da dann doch eine große Kluft zwischen einem Politiker und Bloggern. Aber es gibt ein paar Politiker die schon unterwegs sind. Katja Husen ist so eine, deren Blog ich ab und an gerne lese. (http://www.katja-husen.de)

kriechtier: „Leiden“ die Berichte in Blogs nicht darunter, dass viel zu wenig recherchiert und oft einfach mal behauptet wird?

Don Dahlmann: Das Problem sehe ich nicht als so gravierend, wenn es denn bei den Blogs, die viel gelesen werden, überhaupt vorkommt. Einerseits werden Blogeinträge, wenn sie falsche Informationen enthalten, relativ schnell in den Kommentaren oder durch andere Blogeinträge korrigiert. Andererseits wird da gerne auch mal was verwechselt. Blogs spiegeln eben nur die Meinung eines Einzelnen wieder. Nicht mehr, nicht weniger. Dass sollte man als Leser immer im Hinterkopf behalten. Klassische Medien geben vor, eine „ausgewogene“ Meinung zu repräsentieren, da muss man also nicht mehr viel nachdenken. Blogs hauen eine Meinung raus. Darüber kann ich mich dann aufregen und zum Beispiel nachsehen, ob das auch so stimmt, was der Autor da von sich gibt. Blogs animieren zum Nachdenken. Sowas ist ja nicht das schlechteste, wenn man sich eine eigene Meinung bilden will.

Adicool?: Wie stehst Du zu Werbung in Blogs?

Don Dahlmann: Solange sie nicht in den Inhalt eingreifen und so lange der Blogger nicht durch die Werbeeinnahmen aus seinem Blog lebt, ist mir das wurscht. Wer aber den Fehler macht, zu glauben, er könne durch „paid content“ und Werbebanner sein Leben finanzieren (auch nur Teile des Lebens) – der ist auf dem Holzweg, und macht den gleichen Fehler, den die Verlage vor Jahrzehnten gemacht haben. Ich hab meine paar Einnahmen aus diesem Jahr fast vollständig meinem Bloghoster „Antville“ gespendet.

blogtoy: Warum soll der Blogger nicht aus seinen Werbeeinnahmen leben?

Don Dahlmann: Weil er sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Werbekunden begibt. Wenn ich Angst habe zu schreiben, die neue Kamera der Firma XXX sei Mist, nur weil die gerade bei mir ein Banner laufen haben oder weil der Bannervermittler sagt, dass sowas bei den Kunden schlecht ankommt, dann habe ich schon eine Form der inneren Zensur. Das passt nicht zu Blogs. Man sollte schauen, dass man so unabhängig wie möglich bleibt.

mspro: Welche Überlegungen haben dazu geführt, dass du die yahoo! Werbung nicht auf deinem Blog zugelassen hast?

Don Dahlmann: Ich mochte Yahoo noch nie besonders. Einfach eine Frage der persönlichen Meinung. Ich habe da auch nicht überlegen müssen oder mir deren Firmenpolitik noch mal angesehen. Meine Abneigung rührt noch aus den 90er Jahren, weil ich dieses merkwürdige Konzept von Yahoo, das Internet in Kategorien zu packen, die alle hübsch familienfreundlich sind, noch nie leiden konnte.

laya: Wie bist du dazu gekommen, für die Welt-Debatte zu schreiben und wie findest du das ganze Projekt? Ein Modell mit Zukunft?

Don Dahlmann: Die haben mich angesprochen und ich hab zugesagt. Das ganze Projekt finde ich spannend, weil es die Meinungen von Lesern, Journalisten. Politikern, Bloggern usw. auf eine Seite zusammenfasst. Ich glaube, dass das Projekt noch am Anfang ist und das wahre Potential noch nicht gezeigt hat.

aabbcc: Du bist ja auch auf Twitter unterwegs – warum? Wie findest du dieses „Microblogging“? Liegt hier vielleicht die Zukunft des Bloggens?

Don Dahlmann: Twitter ist eine gute Idee, weil es das „Microblogging“ eingeführt hat. Es ist aber nur eine Form des Bloggens und ich suche gerade nach einer technischen Lösung, wie man diese Web 2.0 Sachen, die alle im Netz verstreut sind, im eigenen Blog zusammenfassen kann. Ich glaube nicht, dass es die Zukunft des Bloggens darstellt, sondern nur eine Erweiterung im Bereich „soziale Netzwerke““ darstellt.

Rantanplan: Wie hast du das Wachsen/Expolideren von Blogs erlebt?

Don Dahlmann: Mit großem Erstaunen :). Ich hätte nicht mal vor zwei Jahren gedacht, dass klassische Medien plötzlich über Blogs schreiben. Das ist auch meiner Meinung nach erst der Anfang einer komplett neuen Entwicklung bei den Medien und Blogs sind ein Teil davon.

Moderator: Nochmal zur Welt-Debatte:

rodel: Was hältst du den vom Gegenchecken der Beiträge der Welt-Debatte durch die Chefredaktion? Schon mal davon betroffen gewesen?

Don Dahlmann: Nein, meine Beiträge werden vor der Veröffentlichung auch nicht gegengelesen. Das passiert nur bei Blogs von eigenen Redakteuren. Ich finde es aber schade, dass man das macht.

Moderator: Und zum Schluss die Frage nach dem Lieblingsblog:

arzt im einsatz: Welche Blogs / Blogger liest denn Don Dahlmann?

Don Dahlmann: Ohje – da gibt es so viele. Anke Gröner, Nico Lumma, wirres
, Stefan Niggemeier, aber auch Seiten wie das Blog von fefe, der Tagesschau oder von supatyp gehören zur täglichen Lektüre. Die meisten lese ich über RSS Feeds.

Moderator: Das waren 60, na, 62 Minuten Blogsprechstunde. Vielen Dank für die vielen Fragen und danke an Don Dahlmann für die Antworten. Das letzte Wort hat unser Gast:

Don Dahlmann: Das hat eine Menge Spaß gemacht und vielen Dank für die vielen interessanten Fragen. Danke auch für die Einladung zu diesem Chat.

Moderator: Zum Schluss noch eine Ankündigung: Nächste Woche, am 31. Juli, ist Annik Rubens, Podcasterin von www.schlaflosinmuenchen.net, ab 16.00 Uhr unser Gast. Fragen können Sie bereits hier stellen: http://www.talksalon.de/index.php?cid=57&id=poldi.

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