Live-Podcasts: Vom Studio zum Bühnenevent

Einige Stimmen begleiten uns beim Putzen, Kochen, Bahnfahren oder beim Spaziergang durch den Park. Es sind Stimmen, die Geschichten erzählen, diskutieren, lachen, rätseln oder Wissen weitergeben. Meist hören wir ihnen einfach zu, im Hintergrund, ganz nebenbei, ohne dass der Alltag aufhört. Diese Momente sind unscheinbar, fast schon unspektakulär und trotzdem sind diese Stimmen für viele vertraut, geschätzt und ein Bestandteil täglicher Routinen.
Doch dann passiert etwas, das man nicht erwartet: Die Stimmen, die sonst aus den Kopfhörern kommen, stehen plötzlich auf der großen Bühne. Im Scheinwerferlicht, vor Publikum und mit Applaus. Was vorher also nur Begleitung und Verschönerung des alltäglichen war, wird jetzt zu einem Event. Es holt bewusst uns aus dem Alltag heraus und fügt sich nicht einfach nahtlos ein. Podcasts werden hier zu einem Erlebnis, vom Handy hin zum Live-Event.

Was ist ein Live-Podcast?

Von einem Live-Podcast spricht man, wenn die jeweilige Episode live vor Publikum aufgenommen wird. Das geschieht häufig in klassischen Venues, in denen auch Konzerte, Comedy-Veranstaltungen oder Ähnliches besucht werden, sprich in Clubs, Theatern oder sogar Arenen. Anders als im Studio können hier ganz andere Aspekte eine Rolle spielen: Die Publikumsreaktionen, Interaktivität, Bühnenpräsenz und das Bühnenbild. Auch spontane Reaktionen sind live und können nicht in der Postproduktion herausgeschnitten werden. Meist handelt es sich um besondere Episoden bekannter Podcasts, die statt im Studio dann eben live vor Publikum stattfinden. Das kann innerhalb einer Tour geschehen oder auch als vereinzelte Sonderveranstaltung. Nicht immer werden alle Live-Episoden auch hochgeladen. Zum Teil bleiben einige Episoden auch einfach nur ein Live-Erlebnis für das Publikum vor Ort.

Ein genauerer Blick anhand zweier Beispiele

Um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie unterschiedlich Live-Podcasts funktionieren können, lohnt sich ein Blick auf zwei eher verschiedene Formate. Beide sind dabei erfolgreich, aber in fast gegensätzlichen Genres vertreten: Comedy und True Crime. Beide zählen mit zu den beliebtesten Podcast-Gattungen und sie zeigen, wie vielfältig eine Live-Adaption aussehen kann. So hat Gemischtes Hack, von Tommi Schmitt und Felix Lobrecht, bereits einige Live-Podcast Episoden aufgezeichnet, genauso wie Mord auf Ex, von Linn Schütze und Leonie Bartsch, die mit ihrem Podcast sogar auf ganze Live-Touren gehen.

Gemischtes Hack

Bei Gemischtes Hack wirkt das Live-Format wie eine Art Comedyshow ohne klassisches Comedyprogramm, dafür aber mit starkem Podcast-Gefühl. Felix und Tommi sitzen gemeinsam auf der Bühne, meist auf zwei Sesseln, vielleicht mit einem Tisch und ihren Getränken. Das Bühnenbild ist schlicht. Der Fokus liegt auf ihrem Austausch, nicht auf einer aufwendigen Inszenierung. Typisch für ihre Liveshows ist, dass sie das Publikum von Beginn an miteinbeziehen. Ähnlich wie bei Stand-Up-Comedyshows gehört etwas Crowdwork fest in ihr Konzept: Mal durch spontane Gespräche, kleine Kennenlernspiele oder Publikumsinteraktionen, mal durch Fragen, die Besucher*innen vor der Show in kleine Boxen werfen dürfen, die die beiden dann während der Folge immer wieder aufgreifen.

Mehrere dieser Live-Folgen sind auch online verfügbar. Beispielsweise Folge #45 LIVEHACK, sie ist auf Spotify und auch auf YouTube verfügbar. Folge #58 HAMBURG LIVE ist ebenfalls fest im Spotify-Katalog eingebunden, sowie Folge #53 LIVE GLORIA HOLE TEIL 2, die aber nur den zweiten Teil einer Episode im Rahmen des 1Live-Podcast-Festivals darstellt. Den ersten findet man auf ihrem Kanal. Darüber hinaus gab es weitere Live-Ausgaben in Kooperation mit 1Live.

Insgesamt überträgt Gemischtes Hack genau das, was den Podcast wohl so erfolgreich gemacht hat, auch auf die Bühne: Spontanität, Humor und die Dynamik zwischen Felix und Tommi. Nur diesmal in echt, unterstützt durch das Lachen oder auch den Input aus dem Publikum.

Mord auf Ex

Auch bei Mord auf Ex wird das Live Format auf besondere Weise genutzt. Mit kleinen Einspielern, Auftritten von Kompars*innen und einem aufwendig gestalteten Bühnenbild, das sich thematisch an den Fall anlehnt, wird eine besondere Atmosphäre geschaffen. Obwohl die Erzählung im Vordergrund steht, wird auch das Publikum immer wieder mit einbezogen. Gleich zu Beginn sorgen kleine Warm-Up Fragen für Auflockerung und eine persönlichere Nähe und auch im Verlauf dürfen Zuschauer*innen immer wieder miträtseln oder Vermutungen anstellen. So entsteht das Gefühl, gemeinsam in den Fall hineingezogen zu werden, quasi ein kollektives Mitfiebern.

Eine ältere Live-Folge aus dem Jahr 2020 ist online verfügbar, allerdings war das Ausmaß damals noch deutlich kleiner. Außerdem ist die Folge pandemiefreundlich als eine Art Auto-Drive-In konzipiert. Leo und Linn freuen sich damals noch anekdotisch darüber, dass sie auf den Originalstühlen der ersten Gemischtes Hack-Liveaufzeichnung sitzen dürfen. Inzwischen sind die Shows viel größer geworden. Die aktuelle Arena-Tour wirkt noch professioneller, aufwendiger und stärker inszeniert als ihre damaligen Live-Auftritte. Einen guten Blick hinter die Kulissen vermittelt auch die dazugehörige Backstage-Dokumentation. Dabei wird deutlich, wie viel Vorbereitung und Dramaturgie in ihren Live-Abenden steckt. Ob die Arena-Tour irgendwann online erscheinen wird, bleibt offen. Schließlich wurden mit Release der Dokumentation erstmal weitere Zusatztermine angekündigt.

So steht Mord auf Ex für eine Form des Live-Podcasts, die Storytelling und Bühnenerlebnis miteinander verbindet. Der Fall kann von den visuellen und dramaturgischen Komponenten profitieren und bewahrt sich trotz seiner großen Inszenierung durch die den Hörer*innen altbekannte Dynamik der beiden Hosts ein Stück des Podcastcharmes.

Live vs. Zuhause – Was macht den Unterschied aus?

Live-Podcasts verändern die Art, wie man zuhört. Statt allein mit Kopfhörern unterwegs zu sein, teilt man das Hörerlebnis plötzlich mit Hunderten anderen Menschen. Aus etwas eher Intimen und manchmal sogar Beiläufigem wird ein aktives Gemeinschaftserlebnis. Der Reiz liegt dabei wohl oft auch in der Unmittelbarkeit. Wenn Hosts spontan auf das Publikum reagieren, improvisieren oder live lachen müssen, entsteht eine Dynamik, die sich sonst kaum reproduzieren lässt. Viele Fans schätzen vielleicht genau das, den Moment, der nicht wiederholbar ist, ganz nah dran an den doch so bekannten Stimmen.

Anders als die regelmäßig erscheinenden Podcastfolgen, die man jederzeit nachhören kann, bleiben einige Livefolgen exklusiv für den Abend selbst. Das macht sie besonders, denn wer dabei ist, erlebt etwas, das sich nicht einfach nachholen lässt. Gleichzeitig schaffen die Liveauftritte paradoxerweise auch eine größere Nähe, als das private Hören zuhause. Endlich sieht und hört man die Stimmen, die sonst nur im Ohr sind und kann eventuell sogar in Interaktion mit ihnen treten.

Interview mit einer Exi

Genauso wie die Hörer*innen von Gemischtes Hack liebevoll als die Hackis bezeichnet werden, werden Mord auf Ex-Hörer*innen Exis genannt. Mit einer Exi, die auf der aktuellen Live-Tour war, konnte ich über ihre Erfahrungen sprechen:

Wie war es für dich, Linn und Leo einmal live auf der Bühne zu sehen?

Sehr besonders. Die Tour gehörte ja zu den größeren Touren und fand in einer großen Location statt, der Barclays Arena. Das hat das ganze Thema Podcast noch sehr viel besonderer gemacht, sonst ist das ja oft auch eine Beschäftigung nebenbei, und das war jetzt wirklich ein Event, wo man hingehen musste, sich länger drauf gefreut hat, und es war vom Gefühl ja quasi wie ein Konzert oder sowas.

Und was unterscheidet sich für dich sonst noch besonders stark vom normalen Mord auf Ex Podcast?

Ja, also es ist natürlich viel größer dadurch. Du siehst auch mal die Leute und das, was dahintersteckt, und du siehst, was für ein Konzept die haben und auch das ganze Bühnenbild. Es ging um einen Hollywood-Fall und das wurde auch im Hintergrund aufgegriffen. Es wirkte wie so eine belebte Straße. Außerdem wurde auch mit so einem kleinen Minifeuerwerk gearbeitet. Alles war so groß aufgebaut und das war schon eine ganz andere Art und Atmosphäre.

Würdest du sagen, dass das Publikum vor Ort die Show auch beeinflusst hat?

Auf jeden Fall. Es wurden anfangs auch Fragen an das Publikum gestellt und das Publikum hat auch mitgemacht. Es wurde auch gemeinsam gerätselt und auch durch den Applaus ist das natürlich schon eine ganz andere Stimmung. Was aber vielleicht auch ein bisschen negativ war, war die Situation am Ende. Es war so, wie bei einem Konzert auch manchmal, dass sehr viele Leute sehr schnell gehen wollten, als dann der Fall vorbei war oder zumindest klar war, was passiert. Das hat die Atmosphäre schon ein bisschen kaputtgemacht, weil man ja auch eigentlich noch Programm hatte.

Und findest du, dass sich der Inhalt von so einem True Crime-Fall dann auf der Bühne anders anfühlt, als wenn man das im Alltag anhört? Verändert sich da etwas?

Dass es intensiver wird, würde ich schon sagen. Man guckt sich ja die ganze Zeit das gesamte Bild an und fokussiert sich darauf. Man macht jetzt nicht noch parallel irgendwelche anderen Sachen, dadurch wird es intensiver. Aber ich würde auch sagen, dass es eigentlich ein bisschen leichter ist.

Vielleicht lag es auch an dem Fall. Der war natürlich trotzdem schlimm, es ging ja um Mord, aber vielleicht war er ein bisschen weniger heftig als andere, die im Podcast besprochen wurden. Ich glaube, der Fall wurde so gewählt, dass man ein richtig gutes Bühnenbild drumherum bauen konnte und eine richtig coole Story erzählen konnte. Ich glaube auch, dass die Special Effects den Inhalt irgendwie leichter gemacht haben. Es war ein bisschen so, wie bei einem Horrorfilm mit vielen Special Effects. Am Anfang erschreckt man sich noch und dann wird es irgendwann zu doll, als dass man sich noch wirklich erschrecken würde. Also, man kann den Fall auf jeden Fall gut gucken und auch mit dem Publikum ist es leichter, weil man das ja nicht mehr alleine hört.

Wenn du jetzt die Wahl hättest, die nächste Folge, die kommt, wieder Live zu hören oder doch lieber als ganz normale Folge, was würdest du wählen?

Also ich würde sagen, es kommt natürlich auch krass darauf an, was die für einen Fall erzählen. Ich würde generell auf jeden Fall nochmal zu einer Liveshow gehen, aber ich glaube, mir gefällt das Podcasthören doch ein bisschen mehr. Deswegen würde ich jetzt, wenn es wirklich um die nächste Folge gehen würde, nicht gehen. Aber ansonsten, so ganz generell, auf jeden Fall nochmal.

Fazit

Live-Podcasts bringen also das Altbekannte in einen neuen Kontext. Stimmen, die uns eigentlich so vertraut sind, sind plötzlich sichtbar und stehen greifbar auf der Bühne. Sie machen aus einem privaten Hörerlebnis ein gemeinsames Event, mal locker und spontan, mal inszeniert und besonders atmosphärisch. Publikum und Hosts treten in einen direkten Austausch, die Stimmung ist intensiv. Auch Überraschungen gehören dazu und manchmal sind Inhalte sogar ganz exklusiv nur für den einen Abend erlebbar. Live-Podcasts wirken wie eine besondere Ergänzung des Podcastrepertoires, deren Besuch auf jeden Fall eine Empfehlung wert ist.


Image by Bence Szemerey via pexels

Hat ihren Bachelor in Kulturwissenschaft mit Fokus auf digitale Medien abgeschlossen und verbindet nun ihre Leidenschaft fürs Schreiben mit der Begeisterung für alles, was digital ist. Dabei geht sie gerne den Fragen nach, die unsere vernetzte Welt bewegen und unseren Alltag prägen.


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