Wir Netzpiloten lieben Podcasts – für uns sind sie ein Herzensprojekt. Sie verkörpern Freiheit in ganz ähnlichem Sinne wie unsere erste große Passion, das Internet. Und da wir wieder mittendrin in der Entstehungs- und Aufstiegsgeschichte eines neuen Mediums sind, freuen wir uns umso mehr, unser Wissen auszutauschen und zu erweitern. Deswegen war ich extrem happy, die zweite Ausgabe der So Many Voices Live vor Ort begleiten zu können. Denn der Need für Podcasts-Events ist groß. Der Markt ist ja bekanntermaßen riesig, doch spiegelt sich das nicht wirklich in den Veranstaltungen des Landes wieder. Was ich in München gelernt habe, erfahrt ihr in diesem kleinen Erfahrungsbericht.
24 Stunden Podcast-Liebe
Im Neue Balan – Campus der Ideen, Balanstraße 73, Haus 11 (Was für eine Adresse!) – ganz in der Nähe des Münchner Ostbahnhofs – arbeiten sonst die Mitarbeiter*innen des Mediennetzwerks Bayern. Da die aber Co-Gastgeber der So Many Voices waren, wurde das Großraumbüro kurzerhand zur Veranstaltungsfläche umfunktioniert. Das ist nicht unbedingt so glamorös wie eine Spotify All Ears oder die gar nicht so weit entfernte Location der Medientage München, aber es hat auf jeden Fall für eine kuschlige Atmosphäre gesorgt, in der man schnell ins Gespräch kam. Die Veranstaltung war nämlich restlos ausgebucht, rund 180 Menschen tummelten sich eng um die Kaffeeausgabe bei -3 Grad Außentemperatur. Begleitet vom ersten Schnee des Jahres, den man durch die beschlagenen Fensterscheiben beobachten konnte, ging es knapp 24 Stunden nur um Podcasts – Herrlich!
Die Produktionsfirma hauseins war Organisator und stellte gemeinsam mit Lukas Schöne vom Mediennetzwerk Bayern zu Beginn das Programm vor, bevor es dann mit der Eröffnungs-Key Note auf der großen Bühne losging. Die wurde von Jeanne Drach gehalten, Gründerin der Podcast Agentur OH WOW. Eine Key Note, wie man sie auf jeden Fall nicht alle Tage sieht. Das Thema „Zu crazy für diesen Podcast?! Warum wir mehr spinnen sollten“ wurde gekonnt in der Performance widergespiegelt. Es war ein Appell an die Branche, diese frühe Phase der Podcast-Professionalisierung doch mit etwas mehr Mut zur Unangepasstheit zu füllen, anstatt den x-ten Gesprächspodcast zwischen zwei Männern zu produzieren – knallig bunte Outfits, Hörbeispiele, Seifenblasen und spontane Bühnenflucht inklusive. Inhaltlich kann ich den Drang sicherlich verstehen, doch richten sich solche verspielten Hörerlebnisse wie der Podcast „Sound of Silence“, bei dem man Leuten beim Schweigen zuhört, meiner Meinung nach an ein Nischenpublikum. Damit wird man schwer in den Mainstream vordringen – was der Sache nichts abspricht. Vielleicht sind verspielte Podcasts ja der neue Auteur-Film.
Von Dumplings und Dönern
Weiter ging es für mich zu meinem ersten Workshop im Raum gegenüber. Dort erklärte uns André Dér-Hörmeyer, Host, Autor und Regisseur des BR-Podcasts Wild Wild Web, die innovative Technik des Geschichten-Erzählens ihrer Redaktion, mit dem recht niedlichen Namen „Dumpling“. Hinter der Bezeichnung „Dumpling“ steckt die Idee, unterschiedliche Moderationsstile innerhalb eines Recherchepodcasts einzuwickeln, wie in eine Teigtasche. Wichtig dafür sind vor allem ein Moderationsduo und die gekonnte Mischung aus Spontanität und Vorbereitung. Beim Schreiben dieser Zeilen fällt mir auf, wie schwierig es ist, die Technik zu verschriftlichen. Im Grunde ist es eine adaptierte Version einer Methodik der amerikanischen Podcast Urgesteine Radio Lab. Hier ein Hörbeispiel, dass das Prinzip hoffentlich besser hervorhebt.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.wnyc.org zu laden.
Das Ziel ist, weg von aufgesetzten Reaktionen zu kommen, die in das eigentliche Thema überleiten und die gewohnte Hörstruktur ungezwungener und „amerikanischer“ zu machen. Spannend bleibt, ob der „Dumpling“ BR-exklusiv bleibt oder bald quer über den Podcast Markt genutzt wird. Der BR hat wohl einen Faible für Fast Food, denn der hauseigene Doku Podcast Döner Papers war auch öfters im Gespräch auf den Bühnen und daneben als tolles Beispiel für die Verbindung von Recherche und Entertainment, die vor allem auch beim jungen Publikum punktet. Dazu gab es dann am Samstag ein Gespräch mit der Host Aylin Doğan.
Podcast so einfach wie noch nie – mit KI
Natürlich darf auf keinem Event der Welt mehr KI als Topic fehlen. Zu meiner Freude aber in diesem Fall wirklich in ihrer praktischen Anwendung – ohne Ethik Anklage oder Heilsversprechen. So gab es Workshops, die die kinderleichte Post-Produktion durch KI-Anwendungen wie Auphonic vorführten. Sehr charmant und umfangreich von Christoph Grasser vorgetragen. Oder wie man seinen Podcast von A bis Z mit KI begleitet. Das führt nicht automatisch zu guten Ergebnissen, aber kann vor allem kleinen Teams die Arbeit merkbar erleichtern. Speaker Casper von Allwörden nutzt auch aus Recherchegründen nahezu auf jedem Schritt der Podcast-Reise KI – auch um die Fehler zu dokumentieren und in seinem Podcast Silicon Weekly zum Thema zu machen. Ich persönlich nehme vor allem die generierten Bilder für die Kapitelmarken als Anreiz für Tech & Trara mit.
Ich könnte noch unzählige weitere tolle Vorträge aufzählen – etwa das hochinteressante Panel zu ostdeutschen Perspektiven, die in der Podcastlandschaft immer noch nicht genügend Anklang finden, obwohl die Relevanz und Bandbreite potenzieller Geschichten riesig ist. Oder dem Sonderprogramm, bei welchem ein eigens erstellter Code of Fairness für die Branche erstellt wurde, inklusive Honorar- und Arbeitsstandards. Als Podcast-Producer war die So Many Voices Weiterbildung in Dauerschleife und hat wirklich einen echten Mehrwert für Podcast-Arbeitende.
Crashkurs für Alle(s)
Eine Konferenz von Podcaster*innen für Podcaster*innen – so der Claim der So Many Voices. Und der trifft voll ins Schwarze. Denn das Publikum bestand wirklich zum größten Teil aus Menschen, die beruflich eher mehr mit Podcasts zu tun haben. Freie Journalist*innen, Mitarbeitende der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, Produktionsfirmen. Die damit einhergehende Kompetenz im Saal spürte man dann auch passenderweise im Programm. Wenig meta, sondern richtig viel konkrete Hands-on Tipps! Wer ständig auf „Festivals“ unterwegs ist, ist so viel Wissens-Input gar nicht mehr gewöhnt. Davon können sich viele Events gern eine Scheibe abschneiden. Wir kommen also nächstes Jahr gern wieder!
Wir haben natürlich auch noch unzählige Podcast-Empfehlungen aus München mitgebracht. Die werden wir euch dann in der nächsten Zeit gebührend vorstellen, sowohl im Magazin als auch auf unseren Social Media Accounts.
Bilder: Alexander von Spreti
Artikel per E-Mail verschicken







