Die diesjährige Gamescom fand vor dem Hintergrund existenzieller Unsicherheit statt. Trotz Wachstums, globaler Sichtbarkeit und einer unüberschaubaren Menge an Inhalten steht eine unbequeme Frage im Raum: Steuert Gaming in eine Sackgasse?
Zehn Jahre lang wurde die Branche durch Performance-Metriken, Monetarisierungsmodelle und Subscription-Plattformen geprägt. Doch die Mechanismen, die einst als Wachstumsmotoren galten, scheinen heute eher zu bremsen. Von Massenentlassungen und vorsichtigen Projektfreigaben bis hin zu überladenen „Mehr vom Gleichen“-Pipelines im Westen und befeuert von Services wie Game Pass – die Industrie jagt der Skalierung hinterher, oft zulasten der Kreativität.
Auf der Suche nach dem Momentum: Der Blick nach Osten
Der Blick richtet sich daher auf neue Impulse. In China floriert Gaming weiterhin – ökonomisch, kreativ, kulturell. Ein junges, risikofreudiges Publikum setzt dort verstärkt auf experimentelle Formate und Monetarisierungsmodelle, bei denen Fortschritt wichtiger ist als Perfektion. Pay-per-Play wirkt im Westen fremd, doch in Asien findet es Akzeptanz.
Im Westen wiederum beweisen Indie-Studios, dass Mut belohnt wird: Kleine Teams schaffen Titel, die aus der Masse herausstechen, während AAA-Spiele nach dem Launch oft schnell verpuffen. Doch das Problem bleibt: Weder China noch Indies liefern ein Modell, das sich branchenweit skalieren lässt.
Chinas Erfolg ist kulturell verwurzelt – kein globaler Blueprint. Indie-Hits inspirieren, bleiben aber Ausnahmen. Selbst Nintendo, Sinnbild für Innovation, tritt derzeit eher auf der Stelle. Die Switch 2 wirkt wie eine Evolution, nicht wie eine Revolution. Und wenn Blockbuster-Preise von 70 Dollar im Raum stehen, während vergleichbare Titel auf Plattformen wie Steam oder bei Resellern deutlich günstiger erhältlich sind, wird klar: Wir klammern uns an alte Modelle, statt neue zu entwickeln.
Der kurzfristige Shift: iPads, Handhelds – und der leise Tod der Konsole
Parallel verändert sich die Hardware-Landschaft. Konsolen – einst Kern der Gaming-Kultur – verlieren an Gewicht. An ihre Stelle treten andere Geräte: Steam Deck, ASUS ROG Ally, Handheld-Hybride, Cloud Gaming – und nicht zuletzt das iPad. Services wie Nvidia GeForce Now beseitigen letzte Hürden und machen High-End-PC-Spiele auf Handhelds oder Tablets spielbar. Gen Alpha wartet nicht mehr auf Konsolenzyklen, sie spielt plattformübergreifend – hier und jetzt.
Das erinnert an die Casino-Branche vor zehn Jahren: Als Langzeitspieler:innen wegbrachen, setzte man auf Mobile First – kürzere Sessions, breiterer Zugang, dynamischere Erlebnisse. Gaming steht heute an einem ähnlichen Wendepunkt. Wer weiter für Spielertypen entwickelt, die es kaum noch gibt, riskiert die eigene Relevanz. Selbst ehemals exklusive Hardware-Hersteller öffnen sich zunehmend. Denn entscheidend ist nicht, wo gespielt wird, sondern wie viele spielen.
Subscription-Modelle wie Game Pass beschleunigen diesen Trend: mehr Spiele, weniger Zeit, sinkende Margen. Inhalte verkommen zur Ware, die Auffindbarkeit sinkt, die Qualität leidet und der langfristige Wert ist schwerer zu rechtfertigen.
Der langfristige Sprung: Gaming neu erfinden
Die Zukunft entscheidet sich nicht über bessere Monetarisierung, sondern über kreative Neuerfindung. Dieser Moment ist kein Niedergang, sondern Teil des Zyklus, den jedes große Medium durchläuft, bevor es neu erblüht. Spatial Computing, Generative AI, immersive Systeme – all diese Technologien konvergieren und stellen die Fragen neu, wie wir spielen, was wir spielen und warum wir spielen.
Spiele sind längst mehr als Produkte. Sie werden zu einer Schicht – ökonomisch, kreativ, sozial – tief mit unserem Leben verwoben. Die nächsten großen Titel könnten aus unerwarteten Ecken kommen. Und vielleicht wird die nächste Gaming-Evolution gar nicht mehr wie klassisches Gaming aussehen.
Ja, VC-Funding hat sich zurückgezogen. Doch die Gamescom zeigt: Player Engagement wächst, Umsätze steigen, die Regierungen in Kanada, Spanien, der Türkei und den VAE investieren massiv. Die Nachfrage ist da, das Momentum auch. Jetzt braucht es Unterstützung für die Builder – und den Mut, besser zu werden.
Für die Advertising-Industrie rund ums Gaming gilt daher: Die Zukunft hängt davon ab, wie gut wir zuhören, lernen und uns anpassen – über Plattformen, Zielgruppen und Formate hinweg. Von Install bis In-Game Engagement, von Kontext bis Lifetime Value: Wir müssen messen, was wirklich zählt, und darauf aufbauen.
Denn echte Disruption passiert dann, wenn Spiele aufhören, Produkte zu sein – und anfangen, persistente Erlebnisse zu werden.
Die Frage lautet also nicht: „Wie reparieren wir Gaming?”, sondern: „Was wollen wir als Nächstes bauen?”.
Bild: Krea.AI
Text von Adam Smart, Director of Product bei AppsFlyer
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