In den letzten Jahren haben Lufttaxis immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Unternehmen wie Volocopter, Lilium, Joby Aviation und Archer versprechen nichts Geringeres als eine Revolution des städtischen Verkehrs. Doch nachdem die Bundesregierung 2019 deren Entwicklung noch förderte, ist es doch sehr still um die Projekte geworden. Wann genau kommen diese futuristischen Fluggeräte wirklich zum Einsatz? Und wie realistisch ist es, dass wir schon bald in ein Flugtaxi steigen können, um dem Stau am Boden zu entkommen? Dieser Artikel beleuchtet den aktuellen Stand der Technik, die regulatorischen Hürden, wirtschaftliche Herausforderungen und die Frage, wann Lufttaxis tatsächlich abheben werden – im wahrsten Sinne des Wortes.
Was sind Lufttaxis überhaupt?
Lufttaxis, oder auch eVTOLs (electric Vertical Take-Off and Landing), sind elektrisch betriebene Fluggeräte, die senkrecht starten und landen können. Sie ähneln in ihrer Funktion kleinen Hubschraubern, sind jedoch oft leiser, umweltfreundlicher und auf kurze bis mittlere Strecken ausgelegt. Ziel ist es, den urbanen Luftverkehr zu revolutionieren, Staus zu umgehen und die Reisezeit innerhalb von Städten und Ballungsräumen drastisch zu verkürzen.
Diese Fahrzeuge sind meist autonom oder teilautonom geplant, sollen also langfristig ohne Piloten auskommen. Die Designs reichen von Drohnen mit mehreren Rotoren bis hin zu kleinen Jets mit schwenkbaren Flügeln.
Technischer Stand: Wie weit ist die Entwicklung?
Die Entwicklung von Lufttaxis hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Unternehmen wie Volocopter(Deutschland), Lilium (ebenfalls Deutschland), Joby Aviation (USA) und Archer Aviation (USA) haben bereits Testflüge erfolgreich absolviert. Einige Modelle, wie der Volocopter 2X oder VoloCity, wurden sogar schon auf Messen wie der IAA Mobility oder auf Flughäfen wie Singapur Changi der Öffentlichkeit präsentiert.
Trotzdem: Ein serienreifer Betrieb ist technisch komplex. Die Herausforderungen betreffen unter anderem:
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Reichweite und Batterieleistung: Aktuelle Modelle schaffen meist nur 20–40 Kilometer pro Ladung. Das reicht für viele innerstädtische Strecken, ist aber noch ausbaufähig.
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Lärm: Zwar sind eVTOLs leiser als Hubschrauber, aber für dicht besiedelte Gebiete muss der Geräuschpegel weiter gesenkt werden.
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Autonomie: Vollautonomes Fliegen ist derzeit noch Zukunftsmusik. In naher Zukunft werden Lufttaxis von ausgebildeten Piloten gesteuert werden müssen.
Regulatorische Herausforderungen
Der vielleicht größte Bremsklotz für die Einführung von Lufttaxis liegt in der Gesetzgebung. Luftverkehr ist stark reguliert – zu Recht, denn Sicherheit hat höchste Priorität. In Europa ist die EASA (European Union Aviation Safety Agency) zuständig, in den USA die FAA (Federal Aviation Administration). Beide Behörden arbeiten bereits an Zertifizierungsrichtlinien für eVTOLs, allerdings ist dieser Prozess langwierig.
Einige der Herausforderungen:
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Zertifizierung der Fahrzeuge: Die Fluggeräte müssen als sicher eingestuft werden, was umfangreiche Tests erfordert.
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Pilotenausbildung: Für bemannte Flüge braucht es gut ausgebildete Piloten – zumindest in der Anfangsphase.
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Luftraumregelungen: Der urbane Luftraum ist bisher kaum für niedrige Flugbewegungen strukturiert. Neue Flugkorridore und Steuerungssysteme sind notwendig.
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Start- und Landeplätze (Vertiports): Diese müssen genehmigt, gebaut und in die Infrastruktur integriert werden.
Wirtschaftliche Aspekte
Die Einführung von Lufttaxis ist nicht nur eine technische, sondern vor allem eine regulatorische Herausforderung. Denn während ein Flugzeug heute relativ klaren Regeln folgt – z. B. auf Flughöhen über 3000 Metern mit klaren Flugkorridoren und Fluglotsen – bewegen sich Lufttaxis im niedrigen städtischen Luftraum: also dort, wo es bisher keine systematische Verkehrsführung für eine Vielzahl von Flugobjekten gibt.
Damit ein Lufttaxi nicht nur fliegen darf, sondern auch sicher, zuverlässig und wirtschaftlich betrieben werden kann, sind verschiedene rechtliche und organisatorische Aspekte zu klären. Diese betreffen:
Zertifizierung von Fluggeräten: Lufttüchtigkeit als Voraussetzung
Der wichtigste erste Schritt ist die Zulassung der eVTOLs selbst. Wie bei jedem anderen Luftfahrzeug muss ein Lufttaxi seine „Lufttüchtigkeit“ nachweisen – also belegen, dass es sicher ist und im regulären Betrieb keine Gefahr für Passagiere, Anwohner oder andere Verkehrsteilnehmer darstellt.
In der EU ist dafür die EASA (European Union Aviation Safety Agency) zuständig. Sie hat bereits 2019 einen speziellen Zertifizierungsrahmen für eVTOLs entwickelt – die sogenannte Special Condition for VTOL. Sie bildet die Grundlage für die Zulassung neuer Fluggeräteklassen, die weder klassische Flugzeuge noch Helikopter sind.
Für die USA ist die FAA (Federal Aviation Administration) verantwortlich. Sie arbeitet mit einem „Type Certification“-Verfahren, das bisherige Hersteller wie Joby Aviation, Archer und Beta Technologies durchlaufen müssen.
In China hat EHang 2023 als erster Hersteller weltweit eine Zulassung für einen unbemannten Passagierflug (EHang 216) erhalten – allerdings unter weniger strengen Kriterien als in der EU oder den USA.
Generell ist die Zertifizierung ist ein langwieriger Prozess: Sie umfasst Tausende von Teststunden, unter realen und simulierten Bedingungen, sowie genaue Prüfungen der Software, Stromversorgung, Flugmechanik und Sicherheitsmechanismen.
Pilotenvorschriften und Personal
In der Übergangszeit – also bevor vollständig autonome Lufttaxis erlaubt werden – müssen die Geräte von Piloten gesteuert werden. Damit stellt sich die Frage: Welche Ausbildung brauchen eVTOL-Piloten?
Aktuell müssen eVTOL-Piloten eine Helikopterlizenz oder eine speziell entwickelte Lizenz erwerben, die eine Kombination aus klassischem Luftfahrtschein und Drohnensteuerung darstellt. In Europa wird derzeit an einem neuen, einheitlichen Lizenzstandard gearbeitet, der speziell auf eVTOLs zugeschnitten ist, da deren Steuerung eher einem Computersystem als einem konventionellen Cockpit entspricht. Langfristig soll der Fokus auf Remote Operators und Autonomie-Manager liegen – also Personal, das mehrere Fluggeräte gleichzeitig überwacht und nur im Notfall eingreift.
Die Ausbildung und Zertifizierung dieses Personals soll genauso streng sein wie bei der kommerziellen Luftfahrt, aber gleichzeitig wirtschaftlich und skalierbar für die Unternehmen.
Weitere Herausforderungen
Der heutige Luftraum ist in verschiedene Höhen, Zonen und Nutzungsarten unterteilt – Verkehrsflugzeuge, Helikopter, Drohnen, Militärflugzeuge. Für Lufttaxis braucht es jedoch ein neues Luftraummanagement unterhalb von ca. 500 Metern, wo bisher wenig bis keine Flugkoordination existiert. Besonders herausfordernd ist, dass diese Systeme in Echtzeit mit anderen Verkehrsteilnehmern – etwa Rettungshubschraubern – kompatibel sein müssen. Auch der Übergang in den kontrollierten Luftraum über Flughäfen muss nahtlos funktionieren.
Für Herausforderungen sorgen auch Start- und Landeplätze. Ein Lufttaxi braucht keine langen Startbahnen – wohl aber speziell designte Vertiports oder Landeplattformen, die technischen, sicherheits- und flugbetrieblichen Anforderungen genügen müssen. Der Bau solcher Infrastrukturen ist ebenfalls reguliert. In Deutschland etwa muss für jede solche Anlage eine luftrechtliche Genehmigung eingeholt werden – vergleichbar mit einem Hubschrauberlandeplatz. Zufahrtsstraßen, Ladeinfrastruktur, Sicherheitsvorkehrungen (z. B. Notausgänge) und Lärmschutzmaßnahmen eingeplant werden. Während der olympischen Spiele in Paris wurden für das Lufttaxi-Projekt fünf Vertiports geplant – auf Flughäfen, am Messegelände und in der Innenstadt (z. B. auf der Seine-Insel Issy-les-Moulineaux).
Die Komplexität besteht darin, diese Landeplätze in den dichten Stadtraum zu integrieren – idealerweise auf Dächern von Parkhäusern, Bahnhöfen oder großen Gebäuden – ohne neue Belastungen für Anwohner zu erzeugen.
Pilotprojekte und Zeitpläne
Während Hersteller und Start-ups bereits mit funktionierenden Prototypen werben, wird die Umsetzung im öffentlichen Raum bislang fast ausschließlich in Form von Testläufen, Demonstrationsflügen und lokalen Studien erprobt. Diese Pilotprojekte sind entscheidend, weil sie nicht nur die Technik testen, sondern auch regulatorische Prozesse, Infrastrukturintegration, Sicherheitskonzepte und die Akzeptanz in der Bevölkerung.
Besonders sichtbar sind die Fortschritte in Europa, Asien und den USA. In Deutschland etwa wurde Ingolstadt zur Modellstadt für urbane Luftmobilität erklärt. Hier kooperieren Hersteller wie Volocopter mit Forschungsinstituten und der Stadtverwaltung, um erste realitätsnahe Szenarien durchzuspielen – inklusive Flugkorridoren, Vertiports und Notfallplänen. Auch in Hamburg und München werden ähnliche Szenarien simuliert, bislang jedoch ohne regelmäßige Testflüge mit Passagieren.
International ist vor allem Paris in den Fokus gerückt. Zu den olympischen Spielen 2024 gab es dort das erste Netz von Lufttaxi-Verbindungen – mit Flügen etwa vom Flughafen Charles de Gaulle zur Seine oder zu Messegeländen. Volocopter erhielt hierfür große mediale Aufmerksamkeit und arbeitet eng mit der französischen Zivilluftfahrtbehörde zusammen. Der Flugbetrieb konnte trotz ambitionierter Planungen bis auf einzelne Demonstrationsflüge allerdings nicht realisiert werden. Der tatsächliche kommerzielle Dienst läuft wohl frühestens im Laufe 2025 an – wenn überhaupt.
Entwicklung außerhalb Europas
In den USA verfolgt Joby Aviation mit Unterstützung von Uber Elevate ähnliche Pläne, konzentriert sich dabei aber stärker auf den regionalen Luftverkehr zwischen Vororten und Großstädten, etwa in Kalifornien. Auch hier wurden Zeitpläne mehrfach nach hinten korrigiert. Die ursprüngliche Ankündigung eines Markteintritts 2024 ist mittlerweile in das Jahr 2025 oder später gerutscht, abhängig vom Zertifizierungsfortschritt bei der FAA.
Einige Fortschritte gibt es dagegen in Asien – insbesondere in China, wo die regulatorischen Rahmenbedingungen deutlich schneller angepasst werden. Der Hersteller EHang hat bereits Genehmigungen für kommerzielle, bemannte Flüge erhalten und testet seit 2023 Touristenflüge in mehreren Provinzen. Allerdings bleibt die Skalierung auch hier begrenzt: Es handelt sich meist um vorab genehmigte Strecken unter spezifischen Bedingungen – ein freier Markt mit Dutzenden Lufttaxis im Stadtgebiet ist das noch nicht.
Diese Beispiele zeigen: Die Zeitpläne für Lufttaxis sind ambitioniert, aber regelmäßig überholt von der Realität. Technisch sind viele Anbieter weiter, als man denkt – doch bis aus einem Prototyp ein marktfähiges Verkehrsmittel wird, vergeht deutlich mehr Zeit. Die Genehmigungsverfahren sind lang, Sicherheitsanforderungen hoch, und auch die notwendige Bodeninfrastruktur ist nicht im Eilverfahren umzusetzen.
Rein marktwirtschaftlich rechnen Analysten mittlerweile mit einem echten Durchbruch nicht vor 2027 bis 2030, zumindest im städtischen Kurzstreckenverkehr mit festen Routen. Ein flächendeckender Einsatz in offenen urbanen Netzen wird voraussichtlich noch ein weiteres Jahrzehnt benötigen. Für jetzt bleibt der Blick auf die Pilotprojekte ein realistisches Fenster in die nahe Zukunft – mit konkreten Fortschritten, aber auch mit vielen offenen Fragen.
Nachhaltigkeit: Grünes Versprechen oder energieintensiver Luxus?
Lufttaxis werden häufig als Teil einer klimafreundlichen Zukunftsmobilität präsentiert. Ihr elektrischer Antrieb, lokale Emissionsfreiheit und die potenzielle Entlastung des bodengebundenen Verkehrs sind Argumente, die vor allem in urbanen Wachstumsregionen Anklang finden. Doch wie nachhaltig sind Lufttaxis wirklich – ökologisch, energetisch und systemisch betrachtet?
Zunächst ist klar: Im Vergleich zu herkömmlichen Hubschraubern sind eVTOLs ein großer Fortschritt. Sie benötigen deutlich weniger Energie pro Kilometer, sind leiser, verursachen keine direkten CO₂-Emissionen im Betrieb und haben eine wesentlich einfachere Wartungsstruktur. Zudem können sie perspektivisch mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden. Gerade im innerstädtischen Pendelverkehr könnten sie – etwa als Zubringer zum ÖPNV oder Flughafen – eine sinnvolle Ergänzung darstellen, wenn sie andere, emissionsintensive Transportmittel ersetzen.
Allerdings darf man dabei nicht übersehen, dass Lufttaxis grundsätzlich energieintensiver als der Bodenverkehr sind. Der senkrechte Start, das Schweben und die Luftwiderstände erfordern deutlich mehr Energie pro Personenkilometer als etwa eine U-Bahn, ein E-Bus oder ein Fahrrad. Ihre Nachhaltigkeit hängt deshalb stark vom Einsatzzweck ab: Als exklusives Shuttle für wohlhabende Geschäftsreisende ist der ökologische Nutzen gering. Als Teil eines effizient getakteten Verkehrsnetzes mit hoher Auslastung könnte er steigen – vorausgesetzt, der Strommix ist grün, und die Fahrzeuge werden langlebig und ressourcenschonend produziert.
Ein weiterer Aspekt ist die Materialbilanz. Die Herstellung von eVTOLs erfordert Leichtbauweise mit Hightech-Komponenten wie Karbonfasern, leistungsfähige Akkus und seltene Metalle – allesamt Rohstoffe mit teils problematischer Ökobilanz. Auch hier gilt: Je länger die Lebensdauer eines Lufttaxis und je höher die Auslastung, desto besser fällt die Umweltbilanz aus.
Schließlich muss Nachhaltigkeit immer auch systemisch gedacht werden. Lufttaxis dürfen nicht den Fehler machen, als technologische „Insellösung“ zu agieren. Nur wenn sie in ein intelligentes, emissionsarmes Gesamtsystem eingebettet werden – vernetzt mit Bahn, Bus, Fahrrad und Fußverkehr –, können sie Teil einer nachhaltigen Mobilitätswende sein. Andernfalls drohen sie, bestehende soziale und ökologische Ungleichgewichte zu verstärken: durch Flächenkonkurrenz, zusätzlichen Energieverbrauch und sozial selektiven Zugang.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Lufttaxis sind nicht per se nachhaltig, aber sie können es werden – wenn ihr Einsatz sorgfältig geplant, ökologisch bilanziert und sozial eingebettet wird. Ohne solche Leitplanken bleibt die Vision vom grünen Flugtaxi ein technologisches Narrativ, das mehr verspricht, als es aktuell halten kann.
Gesellschaftliche Akzeptanz
Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist die Akzeptanz in der Bevölkerung. Viele Menschen stehen der Idee, dass regelmäßig Fluggeräte über Wohnhäuser hinwegfliegen, skeptisch gegenüber. Sorgen um Lärm, Sicherheit und Privatsphäre sind weit verbreitet.
Zudem stellen sich ethische Fragen: Werden Lufttaxis zunächst nur einer kleinen Elite zugänglich sein? Wie können diese neuen Verkehrsformen in ein gerechtes Mobilitätssystem eingebunden werden?
Erste Studien und Bürgerbeteiligungsverfahren zeigen gemischte Reaktionen. Die Transparenz der Unternehmen und die Einbindung der Öffentlichkeit werden entscheidend sein, um Vertrauen aufzubauen.
Wann kommen Lufttaxis wirklich?
Die kurze Antwort: Nicht morgen, aber bald.
Realistisch betrachtet dürften erste kommerzielle Lufttaxidienste zwischen 2025 und 2027 in ausgewählten Städten starten – meist in Form von Pilotenprojekten, mit begrenztem Einsatz und festgelegten Routen. Der breite Rollout – etwa als alltägliches Verkehrsmittel für eine große Bevölkerung – dürfte hingegen erst in den 2030er-Jahren realistisch werden.
Lufttaxis sind technisch machbar, die Investitionen sind vorhanden, und die ersten Zulassungen könnten in naher Zukunft erfolgen. Doch der Weg zur flächendeckenden Nutzung ist lang und erfordert neben technischer Reife auch politische, rechtliche und gesellschaftliche Entwicklungen.
Die Zukunft des Fliegens in der Stadt ist also nicht mehr nur Science-Fiction – aber sie braucht noch etwas Geduld.
Image via ChatGPT (KI-generiert)
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