Was sind E-Fuels?

Erst kürzlich entbrannte wieder eine Diskussion um die synthetischen Kraftstoffe. Die EU-Umweltminister und die EU-Kommission diskutierten Ende Juni einen Entwurf, der eine Neuzulassung von Verbrennern nach 2035 ermöglicht, solange diese im Rahmen der EU-Richtlinien und unter dem Aspekt der Klimaneutralität mit E-Fuels betrieben werden können, speziell im PKW-Bereich.  Beobachter*innen bezeichneten diesen Vorschlag als „Hintertür“ gegen ein komplettes Verbrenner-Aus. Befürworter*innen hingegen sehen darin eine Chance, die Dekarbonisierung der bestehenden Autoflotten zu fördern, die anderweitig niemals klimaneutral fahren würden. Das EU-Parlament muss diesem Entwurf im Laufe des Jahres aber erst noch zustimmen.

Doch was trifft eher zu? Sind E-Fuels nun klimaschonend und zukunftsweisend oder doch nur eine Nebelkerze der Autoindustrie? Wir wollen euch in diesem Artikel die wichtigsten Fragen zu E-Fuels beantworten: Wie sie hergestellt werden, was Vor- und Nachteile der Technologie sind, wer von ihnen profitiert und wie die Zukunft der E-Fuels aussehen könnte.

Was sind E-Fuels?

Doch erstmal zur Begriffsdefinition. E-Fuels steht für electrofuels / Elektro-Kraftstoff , manchmal auch synthetic fuels genannt. Der Name leitet sich aus der Herstellung ab, denn Energie und Strom spielen eine wichtige Rolle zur Erzeugung von E-Fuels. Die unterschiedlichen Herstellungsmethoden werden Power-to-X, Power-to-Y, Power-to-fuel oder Power-to-liquid, je nach Aggregatszustand des Endprodukts, bezeichnet. Durch die unterschiedlichen Details in der Herstellung synthetischer Kraftstoffe existieren weitere Bezeichnungen, beispielsweise E-Gas, E-Benzin oder E-Diesel. Zur besseren Verständlichkeit sprechen wir aber zumeist von E-Fuels als künstlich hergestellte Treibstoffe, die keine fossilen Ressourcen benötigen.

Wie funktioniert die Herstellung?

Zur Herstellung von E-Fuels bedient man sich der Elektrolyse. Bei diesem chemischen Prozess wird mittels Energie Wasser in Wasserstoff H² und Sauerstoff O² aufgespalten. Im Anschluss wird mit Kohlenstoffdioxid CO² angereichert, um eine ähnliche Molekülstruktur wie fossile Treibstoffe zu erzeugen. Das Besondere: E-Fuels können ihre Herstellungsenergie aus regenerativen Quellen gewinnen; sei es Solar, Windüberschuss oder aus Wasserkraft. Gleichzeitig kann das anzureichernde CO² aus Abfallprodukten der Industrie stammen oder mittels direct air capture aus der Luft absorbiert werden. Die Herstellung ist bis heute aufwendig und teuer, aber werden die genannten Aspekte bei der Herstellung berücksichtigt, sind E-Fuels tatsächlich klimaneutral. Bisher gibt es aber kaum eine industrielle Infrastruktur, die E-Fuels in großen Mengen herstellen kann. Doch es existieren deutschland- und weltweit diverse Projekte, die auf eine bezahlbare Massenproduktion von E-Fuels abzielen.

Entstehungsgrafik E-Fuels
Diese Grafik zeigt, wie erneuerbare Energien aus Wasser und Kohlenstoffdioxid E-Fuel erzeugen. via 123RF.com @

Vorteile

Die Vorteile sind auf dem Papier schnell zu erkennen. Zwar verbrennt der Kraftstoff wie Benzin oder Diesel und setzt dabei die gleichen Abfallprodukte frei. Indem aber bei der Herstellung keine zusätzliche Belastung der Umwelt, weil erneuerbare Energien und sogar schädliche Moleküle wie CO² gezielt aus bereits vorhandenen Quellen wie Industrieabfällen bezogen wird, gleicht sich die Umweltbilanz aus und E-Fuels sind klimaneutral.

Ein Vorteil gegenüber Strom für Elektroautos oder reinem Wasserstoffbetrieb ist die bereits vorhandene Tank-Infrastruktur. Gewisse Kraftstoffe an unseren Tankstellen wie Total Excellsium oder Shell V Power sind bereits heute gleich beschaffen wie E-Fuels und bieten daher die Möglichkeit, direkt von dort E-Fuels zu tanken. Gleichzeitig sind viele Autos in der Neuproduktion schon in der Lage, E-Fuels zu verarbeiten. Sie benötigen keine neuen Verbrennungsantriebe. E-Fuels besitzen die gleiche Dichte und Masse wie Benzin und Diesel und eignen sich daher optimal, um bereits produzierte Fahrzeuge mittels kleinerer Umrüstungen Klimaneutral fahren zu lassen.

Ebenso ist die Menge an potenziellem E-Fuels nicht begrenzt. Wasserstoff und CO² kommen auf unserem Planeten und darüber hinaus genügend vor, um eine nahezu unbegrenzte Menge von E-Fuels herstellen zu können.

Nachteile

Es gibt auch diverse Nachteile. Und das beginnt schon bei der Herstellung. Denn eines der Hauptargumente gegen die Kraftstoffe sind ihre hohen Energieumwandlungsverluste. Von der gesamten Energie, die zur Herstellung benötigt wird – vom ersten Wasserspeichern bis zum „Ausschank“ an der Tankstelle – verlieren E-Fuels 85-90% der aufgewandten Energie. Zum Vergleich: E-Autos übertragen 80-90% der investierten Energie schlussendlich auf die Räder. Es gibt Pilotprojekte, bspw. des Karlsruher Instituts für Technologie, die durch spezielle Reaktoren den Wirkungsverlust auf 40% begrenzen sollen. Bisher sind das aber alles nur Versuche.

In einer Studie von Transport and Environment (T&E), einer Dachorganisation von 53 nichtstaatlichen, europäischen Organisationen, wurden diverse Mängel und Nachteile der E-Fuels wissenschaftlich überprüft und sie kommen zu dem Ergebnis, dass E-Fuels keineswegs Vorteile bieten gegenüber strombetriebenen KFZs & Wasserstoffantrieben. In dieser Untersuchung wurden auch Herstellungsfaktoren wie benötigte Rohstoffe und Transportwege mit eingerechnet, die ebenfalls negativ für die E-Fuels ausfallen. Elektroautos würden in ihrer gesamten Lebensspanne 53% weniger CO2 ausstoßen als mit E-Fuels betriebene Verbrenner. Und hier ist schon die umweltschädliche Rohstoffgewinnung von seltenen Erden einbezogen.

Weitere Faktoren, die gegen die Kraftstoffe sprechen, sind die Kosten eines Liters E-Fuels. Da die Stoffe so viel Energie benötigen, die im Optimalfall 100% regenerativ ist, von der aber ein Großteil bei der Herstellung verloren geht, sind die Kosten entsprechend hoch. Laut ADAC kostet ein Liter aktuell um die 4,50€ in der Herstellung. Es gibt Prognosen, die bis 2030 eine Reduzierung auf 2,29€ sehen, teilweise sogar zwischen 1,40-1,70€. Doch diese Zahlen setzen enorme Produktionskapazitäten und eine deutliche Verringerung des Energieverlusts voraus, sowie eine Unterstützung durch den Staat mittels Subventionen. Steuerzahler*innen müssten also indirekt klimaineffiziente Kraftstoffe unterstützen. E-Fuels würden wohl trotzdem eine lange Zeit noch ein Kraftstoff für Besserverdiener*innen bleiben, und diese könnten sich rein finanziell gesehen ebenso für die erwiesenermaßen effizienteren Elektroautos entscheiden.

Elektro besser als E-Fuels?

All diese Faktoren sind in den nächsten Jahren kaum zu ändern und würden eine deutliche Unterstützung durch den Staat und der EU bedürfen, um wirtschaftliche Ansprüche zu erfüllen. Da die Klimakrise aber nicht wartet, Maßnahmen so schnell wie möglich ergriffen werden müssen und Elektroantriebe erwießenermaßen besser für das Klima sind, stellt sich die Frage, warum E-Fuels dann so im Gespräch sind und möglicherweise den Verbrennermotor noch Jahre am Leben erhalten werden.

„E-Fuels sind eine Scheinlösung, sie sind ineffizient, nicht automatisch klimaneutral und werden auf absehbare Zeit teuer sowie begrenzt verfügbar bleiben“, meint Antje von Brook, Geschäftsführerin des BUND.

Wer profitiert von E-Fuels?

Wer profitiert also von diesen Kraftstoffen? Die größten Advokaten für E-Fuels findet man in der Autoindustrie. Hier wird das Thema immer wieder als „Hoffnungsträger“ gehandelt, um die bereits im Umlauf befindlichen Autos klimaneutral fahren zu lassen. Die werden weiterhin genutzt und gefahren und daher wären E-Fuels die einzige Möglichkeit, diesen Bereich effektiv zu dekabonisieren. Auch sind es die großen Hersteller wie Porsche, VW & Audi, die am meisten in die Erforschung und Massenfertigung von E-Fuels stecken. Zum Beispiel errichten Audi & VW in Wertle Deutschlands größte E-Gas Anlage, was bisher nicht einmal eine Verkehrszulassung hat. Porsche waren sogar die ersten, die in synthetische Kraftstofferforschung investiert haben.

Mittlerweile haben sie in Zusammenarbeit mit Siemens Energy und einer 10 Millionen-Beteiligung der Bundesregierung im Süden Chiles eine riesige Wasserstoff-Produktionsstätte errichtet, Haru Oni. Hier sollen 2022 rund 130.000 Liter E-Fuels erzeugt werden. In zwei Stufen soll die Kapazität dann erhöht werden. Bis 2024 auf rund 55 Millionen Liter und bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter E-Fuels. Hauptabnehmer für diese Mengen wird vorerst Porsche selbst sein, um sie im Rennsport, bei Fahrzeugtests und mittelfristig bei Sportwagen einzusetzen.

Ansicht Haru Oni Wasserstoffkraftwerk Chile
Die Anlage soll bis zu 550 Millionen Liter E-Fuels pro Jahr herstellen. @siemens.energy

 

Allein diese Nutzungsperspektive lässt die Effizienz der E-Fuels fraglich erscheinen. Prognosen eines von der Ölindustrie finanzierten Forschungsinstituts sagen, dass E-Fuels 2030 nur 0,4 % des Kraftstoffbedarfs im Straßenverkehr deckt. Im Jahr 2040 sind es dann 16 % und im Jahr 2050 50%.

Stef Cornelis, Direktor von T&E dazu: „Batterieelektrische Fahrzeuge sind schon jetzt bereit, weniger teuer, effizienter und bieten deutlich größere CO2-Einsparungen, selbst wenn man den gesamten Lebenszyklus der Produktion betrachtet.“

Einflussnahme in die Politik?

Ende Juli wurde sogar eine Meldung bekannt, nach der Porsche enge Kontakte zu FDP-Chef & Finanzminister Christian Lindner hatte, als dieser mit seiner Partei den Koalitionsvertrag verhandelte. Darin wurde zwar ein Verbrenner-Aus ab 2035 festgelegt, aber die Option für E-Fuel betriebene PKW offen gehalten. Diese Lücke wurde dann Ende Juni in der EU-Kommission realer und ist nun eine echte Option. Die FDP ist treibende Kraft beim Festhalten an E-Fuels und somit sind diese Vorwürfe ernst zu nehmen. Zwar dementieren seine Sprecher die Meldung und Porsche entschuldigte sich für die „überspitzten Formulierungen“, doch das Lobbyismus eine Tatsache in der Politik ist, sollte jedem geläufig sein.

Zukunft der E-Fuels

Die Zukunft der Krafstoffe ist noch ungewiss. Es gibt viele Versuche, den Wirkungsverlust zu verringern – laut KIT sind bis zu 60% Energieertrag möglich. Ein großes Hindernis für den Ausbau der Technologie hierzulande sind die hohen Energiepreise generell und die begrenzte Verfügbarkeit erneuerbarer Energien. Die Produktion wird also ausgelagert werden müssen in Länder mit hohem Anteil an Erneuerbaren und gleichzeitig geringen Energiepreisen wie Norwegen oder Chile.

Dennoch gibt es Bereiche, in denen E-Fuels effizient sein können. Im Schwertransport per Containerschiff oder Flugzeug ist der Einbau von Wasserstofftanks und Batterien eher hinderlich aufgrund zu geringer Reichweiten & Größe sowie Gewicht der Motoren. Hier wären E-Fuels ein gutes Mittel, um schnell die Klimabilanz dieser Industrie zu verbessern. Im besten Fall ergänzen sich Elektromobilität im großen Stil und E-Fuels in der gezielten Anwendung, wo es Sinn ergibt.

Containerschiffe im Hafen
Containerschiffe können noch nicht elektrisch betrieben werden, da die Reichweite für Überfahrten zu kurz ist. E-Fuels können hier schnell effektiv Belastung verringern. Via 123RF.com @ mirawonderland

Fazit

E-Fuels sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sind sie ein Mittel der Automobilindustrie, sich Subventionen des Staates zu sichern, um Produktionsvorgänge zu verbessern & eine Infrastruktur zu erzeugen, die größtenteils Profite erhalten oder zukünftig garantieren sollen. Bestes Beispiel dafür ist Porsches Haru Oni in Chile mit Millionenbeteiligung der Bundesregierung, aus der vor allem Porsche einen Nutzen zieht. Auch die Beteiligung von Lobbyisten aus der Automobilbranche am Gesetzesentwurf in der EU gegen das komplette Verbrenner-Aus und die Verstrickung des Finanzministers zu Porsche sind ein deutliches Warnsignal für Einflussnahme und stellen die Argumente der Befürworter in ein schlechtes Licht.

Andererseits ist die „Entweder – Oder“-Debatte nicht hilfreich, da es gezielte Anwendungen gibt, in denen E-Fuels einen positiven Einfluss haben können. Besonders da, wo Batterietechnologie und Wasserstofftanks keine Option sind, wie in schwerer Schiff- und Luftfahrt. Aber diese Bereiche waren auch vorher schon ausgenommen im geplanten Gesetz zum Verbrenner-Aus, daher ist der Vorstoß, die E-Fuels auch nach 2035 für PKWs zuzulassen, mehr eine „Scheinlösung“, wie die Geschäftsführerin des BUND sagt. Elektroantriebe sind heute schon billiger, effizienter und klimafreundlicher als E-Fuels, die noch nicht einmal Marktreife besitzen und viele Nachteile mit sich bringen.


Beitragsbild via 123RF.com, @ koonsiri


Artikel per E-Mail verschicken