The Huffington Post startet am 10. Oktober

Im Mai 2005 startete das Online-Portal The Huffington Post und der Zweifel am Konzept erlebt gerade mit dem Start einer deutschen Ausgabe eine Renaissance in Deutschland. // von Lars Sobiraj

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Das US-Muttermagazin vereinigt auf der Website Hinweise zu den verschiedensten Nachrichtenquellen mit Blogeinträgen und den Artikeln der eigenen Redaktion. Die Blogger arbeiten dabei ohne jede Bezahlung und bauen darauf, dass sich aufgrund der enormen Aufmerksamkeit neue Arbeitgeber für sie interessieren könnten. In den USA funktioniert das System recht gut. So gut, dass der AOL-Tochter im Jahr 2012 der Pulitzer-Preis verliehen wurde.

Kostenlosmentalität versus Qualitätsjournalismus?

Am 10. Oktober startet das Online-Portal mit dem gleichen Konzept in Deutschland. Ähnlich wie in Großbritannien, Frankreich, Kanada, Spanien und Italien sollen auch hierzulande zahlreiche Blogger ohne Bezahlung schreiben, um die Inhalte des Portals zu füllen. Das Mitmachportal soll innerhalb der nächsten 5 Jahre zu den erfolgreichsten deutschen Nachrichtenseiten gehören. 10 bis 15 Millionen Euro Nettoumsatz, eine zweistellige Umsatzrendite und monatlich rund 9 Millionen Unique User werden anvisiert.

Chefredakteur Sebastian Matthes und sein rund 15-köpfiges Team werden alle Hände voll zu tun haben. So müssen schon bald die Beiträge von etwa 50 Autoren redigiert werden. Als gelernter Journalist weiß Matthes sicherlich um den Unterschied zwischen einer professionell erstellten Nachricht und einem Beitrag, der sonst auf einem kleinen Weblog veröffentlicht wird. Bis er zur Betreibergesellschaft Tomorrow Focus AG wechselte, arbeitete er als Ressortleiter bei der Wirtschaftswoche. Der tatsächliche Eigentümer des Vorhabens, die Münchner Hubert Burda Media, trieb den Aufbau massiv voran. Der technische wie personelle Aufbau des Portals nahm nur ein halbes Jahr in Anspruch.

Mobile first!

Für die Tomorrow Focus AG ist das Internet kein #Neuland. Sie betreiben populäre Internet-Portale wie Holidaycheck, Elitepartner, Focus Online und viele mehr. Daneben zählt eine der Tochtergesellschaften zu den führenden deutschen Vermarktern für Online-Werbung. Paid Content wird vorerst kein Thema sein, das Portal soll sich ausschließlich durch Werbung finanzieren. Die Cellular GmbH, ebenfalls der Unternehmensgruppe angehörig, ist hierzulande ein Schwergewicht für die Erstellung von Webauftritten für mobile Plattformen. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die HuPo auf mobile Leser zählt und das Angebot speziell auf die Besitzer von Smartphones und Tablet-PCs ausrichtet.

Responsive Webdesign heißt das Zauberwort. Dabei richtet sich die Anzeige der Inhalte jeweils nach dem Ausgabegerät. So wird das gleiche Portal abhängig von der Größe des Displays komplett anders aufgebaut, damit die mobilen Nutzer nicht vergrault werden. Die deutschen Betreiber gehen davon aus, dass sich der zusätzliche Aufwand loht. Spätestens dann, wenn genügend Leser von unterwegs auf die Website zugreifen, wird man die zusätzlichen Kosten herausholen. So lautet zumindest die Kalkulation der Geschäffsführung.

Gearbeitet wird übrigens im gleichen Bürokomplex wie die Kollegen von Focus Online. Wenn das Konzept aufgeht, will man sich im Vergleich mit dem großen Bruder schon im Jahr 2018 auf Augenhöhe bewegen. Bis dahin wird klar sein, ob man aus den rund 50 Hobbyautoren Fachjournalisten und aus Linksammlungen mit Anreißern wertvollen Content machen kann. In New York durchforsten gleich 300 Redakteure das Web und stechen dabei jedes Thema nur kurz an, um dann auf die eigentliche Quelle zu verlinken. Leser sollen dabei zu Experten werden. Die Redakteure werden wohl vor allem prüfen, sichten, populäre Themen anheizen und Diskussionen lenken. Wenn der Austausch zwischen Publikum und Sprachrohr läuft, wurde das hauseigene Ziel erreicht. Zum Konzept gehört auch, dass man von einer frontalen „Beschallung“ weg will, wo ausschließlich Journalisten ihr Wort an das Publikum richten. Was ein wenig nach digitaler Demokratisierung klingt, soll schon Ende nächsten Jahres in 14 Nationen präsent sein.

Kommt TechCrunch nach Deutschland?

Die Kehrseite der Medaille wird leider auch schnell sichtbar. Nachdem AOL in den USA die beiden führenden Technologie-Newsseiten TechCrunch und Engadget aufkaufte, mussten in der Folge mehrere Hundert Mitarbeiter das Haus verlassen. Auch beim neuen deutschen Web-Projekt wird größtenteils teurer durch kostenlosen Content ersetzt. Nachdem der deutsche Ableger von Engadget bereits im April 2010 angelaufen ist, schließt AOL eine Umsetzung von TechCrunch für den deutschsprachigen Markt nicht aus. TechCrunch auf Deutsch klingt verlockend. Freilich bleibt abzuwarten, ob sich das Unternehmen hierzulande gleich zwei Technologie-Blogs mit einer vergleichbaren Zielgruppe leisten will oder kann.

schrieb von 2000 bis zum Jahr 2002 für mehrere Computerzeitschriften rund 100 Artikel. Von April 2008 bis Oktober 2012 leitete er beim IT-Portal gulli.com die Redaktion als Chefredakteur. Thematische Schwerpunkte der über 1.000 Beiträge sind Datenschutz, Urheberrecht, Netzpolitik, Internet und Technik. Seit Frühjahr 2012 läuft die Video-Interviewreihe DigitalKultur.TV, die er mit dem Kölner Buchautor und Journalisten Moritz Sauer betreut. Seit mehreren Monaten arbeitet Lars Sobiraj auf freiberuflicher Basis bei heute.de, ZDF Hyperland, iRights.info, torial, Dr. Web und vielen weiteren Internet-Portalen und Blogs. Zudem gibt er Datenschutzunterricht für Eltern, Lehrer und Schüler. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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