Die Podcasting-Szene wird explodieren

Einige Medienanalytiker sehen eine Blase, die kurz davor ist, zu platzen; andere sehen schrittweises Wachstum in Bezug auf Podcasting. Ich sehe etwas Radikaleres: Einen vollständigen Regimewechsel in der Audioszene. Na endlich! ­“Medienfirmen werden das Anpassen ihrer Franchise an Podcasts fortführen, Agenturen werden Handelsmarken zur Erschaffung neuer Shows befähigen, Podcasting-Netzwerke werden neue akustische Experimente entwickeln und immer mehr Unabhängige werden in den unterschiedlichsten Bereichen erscheinen.”

Im Augenblick dominiert das Radio. Dieses nimmt 52 Prozent des gesamten audiovisuellen Konsums der Erde ein; Satelliten weitere acht Prozent. Insgesamt umfassen diese beiden 74 Prozent aller Audio-Einnahmen (Musikstreaming und Downloads machen einen Großteil des Rests aus.)

Doch sie versagen. Sie versagen bei der User-Experience und sie versagen als Content-Quelle.

Das Satellitenradio versagt hierbei ganz besonders. Es besitzt ein beschämendes Interface, der Großteil der Inhalte ist grauenvoll und es kostet auch noch Geld. Es ist das schlimmste kostenpflichtige Format. (SiriusXM verdient unerklärlicherweise $4.2 Milliarden im Jahr.) Wenn es denn überhaupt jemals eine Branche bereit für den Zusammenbruch gab…

Aber bevor wir uns von in wildeste Prophezeiungen stürzen, honorieren wir das Offensichtliche: Das Vorhersagen des Wachstums von Podcasting ist eine Geschichte so alt wie Odin, oder zumindest wie Odeo. Und nach Jahren hoffnungsvoller Vermutungen, umfasst Podcasting gerade mal zwei Prozent des gesamten Audiokonsums. Aber drei Faktoren – alle relativ neu – werden das Podcasting massenkompatibel gestalten:

  • Besseres Erlebnis. Eine der guten Dinge am Radio ist die Tatsache, dass, wenn du ins Auto steigst, “es einfach funktioniert”. Aber jetzt, da sich mobile Geräte ganz unkompliziert mit Bluetooth-fähigen Autos verbinden können, ist der Nutzeffekt des Radios vermindert. Außerdem bieten eine Reihe von Podcasting Apps ihren Nutzern diverse Wiedergabeoptionen, welche wiederum weitere Innovationen und verbesserte Verfahren für den Nutzer vorantreibt.

  • Besserer Content. Als der Podcast ‘Serial’ zum Ende des letzten Jahres 3,5 Millionen Downloads pro Folge angesammelt hatte, wurde “Was ist dein Lieblingspodcast?” ein bekannter Gesprächseinstieg, welcher Netzwerke wie Gimlet und Panoply dazu angetrieben hat weitere hochwertige Shows zu produzieren. Beinahe über Nacht wurde die zu hohe Anzahl guter Shows zum Hauptproblem der Podcasts.

  • Besseres Einkommen. Selbst mittelgroße Podcasts können über 20 bis 50 US-Dollar pro CPM (Berechnungseinheit pro Tausend Hörer) für einen 60-Sekunden-Spot verfügen. (Radio greift weniger als 2 bis 10 US-Dollar pro CPM.) Einige der vielen Gründe hierfür sind: Qualität des Contents, Begehrtheit der Audienz, Vertrautheit der Werbungen.

Podcasting ist nun bereit, das alternde Radio endlich hinunterzuschlingen. Durch überragendes Programmieren wird ein besseres Erlebnis zu geringeren Kosten geboten, es gibt keinen Grund dafür, dass Podcasting das Satellitenradio nicht überholen sollte. Dies wird überraschend schnell geschehen.

Lehnt man sich ein wenig aus dem Fenster, lassen sich einige spezielle Prognosen definieren:

  • HBO wird Bill Simmons für den Aufbau eines neuen Mediennetzwerks nutzen. Der größte Teil des Einkommens von Grantland lässt sich von Podcast Netzwerken ableiten, welche langsam von HBO wiederhergestellt werden. Eines der größten medialen Mysterien ist die Frage, welche Form seine neue HBO-Website annehmen wird. Ich erwarte etwas, das weniger wie das textlastige Grantland und mehr wie eine medienfixierte Plattform aussehen wird.

  • Serial wird neue Rekorde brechen. Mit Hilfe von Echtzeit-Eilmeldungen wird das Publikum des neuen Serial noch größer als bei der ersten Staffel sein.

  • Gimlet Media werden eine Salve neuer Shows einführen. Einige werden scheitern, aber das gehört dazu. Zum Ende des Jahres wird das Netzwerk die iTunes Charts anführen. Innerhalb von zwei Jahren wird das Unternehmen eine Wertung von $100 haben.

  • Einkommensmöglichkeiten werden steigen. Derzeit sind Mailchimp und Squarespace wie die DraftKings und FanDuel des Podcastings – sie beherrschen die Szenerie auffallend. Doch hochqualitative Marken klopfenan die Tür, um hochqualitative Podcasts zu sponsern. Denn die Nachfrage ist immer noch groß, und die riesigen Downloadraten werden nicht sinken. Es wird aber eine vielfältigere Kultur an Werbungstreibenden entstehen.

  • Howard Stern wird der “Loser”-Revolution beitreten. Viele Experten sagten – fälschlicherweise voraus, dass Howard Stern seinen SiriusXM-Vertrag nicht erneuern wird, in der Hoffnung, er könnte stattdessen zu Spotify, Netflix oder Apple Music wechseln. (Ein weiteres Zeichen für die Antipathie gegenüber Sattelitenradios: Diese Prognose war mehr eine gewünschte Massenprojektion denn tatsächliche Wahrsagerei.) Aber dies ist nicht passiert – oder doch? Falls du es noch nicht bemerkt hast, die Howard Stern-Show wurde von Youtube und Soundcloud still und heimlich verbannt- nach Jahren von quasi illegalen Accounts. (Ich sage “quasi”, da es sich verdächtig nach eigens erstellten Usernamen anhört.) “Podcasts”, sagte Howard Stern in diesem Jahr, “erwecken seine alte Rolle des anstößigen Radiomoderatoren” und “sind für Loser”. Aber das sind klassische Stern-Ausreden – seine Show wurde bereits zum Podcast.

  • Podcasting wird sterben- aber es entwickelt sich weiter. Es ist wahr, Podcasting im Jahr 2015 ist wie Bloggen im Jahr 2004. Und Bloggen ist auch nicht gestorben, sondern wurde Zum Maß aller Dinge. Das Podcasting wird eine ähnliche Entwicklung durchleben. Allerdings wird das mit so viel Anpassung geschehen, dass “Podcasting” als Begriff nicht mehr eindeutig und als Form allgegenwärtig wird. Die traditionellen Silos der Medienindustrie nehmen bereits Form an, mit neuen Unternehmen welche die Analytik, den Vertrieb, die Produktion und die Werbung gut zu handhaben scheinen. Sei bereit für die Entstehung von mehr “Studios” und “Netzwerken”.

  • Content-Quellen werden sich vermehren und sie werden überraschen. In einem Jahr voller Highlights, zu welchen das Interview von Marc Maron mit Barack Obama in seiner Garage, dem sogenannten “GE Podcast Theater” mit dem Hit “The Message” und einer Beteiligungskapitalfirma, welche einen der besten Podcasts des Jahres produzierte, zählen, können wir noch einiges von unbekannten Themen und Orten erwarten. Medienfirmen werden das Anpassen ihrer Franchises an Podcasts fortführen, Agenturen werden Handelsmarken zur Erschaffung neuer Shows befähigen, Podcasting-Netzwerke werden neue akustische Experimente entwickeln und immer mehr Unabhängige werden in den unterschiedlichsten Bereichen erscheinen.

Das wird ein gutes Jahr zum Zuhören.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “Nieman Journalism Lab” unter CC BY-NC-SA 3.0 US. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) “Podcasting” by Nicolas Solop (CC BY 2.0)


 

ist Berater für Digitalstrategien und Gründer von Kinda Sorta Media.


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