Paywall für Kommentare als Mittel gegen Trolle und leere Kassen?

Das Tablet Magazin hat vielleicht einen Weg gefunden, gleichzeitig Trolle aus Diskussionen zu verbannen und Geld zu verdienen: Mit einer Paywall für Kommentare. Die Diskussionskultur im Internet ist… wie drücke ich es möglichst positiv aus… katastrophal. Nicht ohne Grund gab es bis vor kurzem einen Twitter-Account, der einen täglich daran erinnert hat, ja einen großen Bogen um die Kommentarsektionen unter Artikeln zu machen. Doch das Magazin Tablet hat eine Idee, wie man die Diskussionskultur verbessern und gleichzeitig noch die Kasse etwas aufbessern kann: Kommentare zu verfassen kostet ab sofort Geld.

Wer kommentieren will, muss zahlen

Wenn man sich mal so richtig schön die Laune verderben will, muss man nur mal die Kommentare unter einem x-beliebigen Artikel auf faz.de, spiegel.de, taz.de, the Guardian, The Verge oder so ziemlich jeder anderen Webseite lesen. Dort wird provoziert, polemisiert und nicht selten auch persönlich beleidigt. Eine konstruktive oder oftmals gar zivilisierte Diskussion findet sich darunter so häufig, wie die besagte Nadel im Heuhaufen. Lösungsansätze, wie man die Trolle zum virtuellen Schweigen bringen kann, sind leider ebenso selten. Einige Webseiten wie Recode, Popular Science oder Reuters haben kein anderes Mittel gegen die Kommentare gefunden, als die Sektion am Ende des Artikels kurzerhand abzuschalten. Das New Yorker Tablet Magazine versucht sich nun an einem neuen Ansatz.

Die Artikel auf der Webseite sind weiterhin für Jedermann kostenlos lesbar, aber wenn man einen Kommentar schreiben möchte, wird man zur Kasse gebeten. Die Kosten staffeln sich folgendermaßen:

  • Tagesbeitrag: 2 US-Dollar
  • Monatsbeitrag: 18 US-Dollar
  • Jahresbeitrag: 180 US-Dollar

Das Ziel ist einfach: die Kosten für den Zugang zur Beitragssektion sollen eine Hürde darstellen, die Trolle davon abhält, ihr Unwesen zu treiben. Sollte das Experiment glücken, hätte es zudem einen weiteren Nebeneffekt, nämlich dass durch Kommentare Geld in die Kassen der Verlage gespült wird. Somit könnte man quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Auf den ersten Blick wirkt das Konzept deutlich überzeugender als zum Beispiel eine Paywall, die den Content vom nicht zahlenden Leser abschirmt. The Tablet errichtet quasi eine Paywall um die Kommentarsektion, wobei die Chefredakteurin Alana Newhouse es in ihrer Erklärung weniger als solche bezeichnen, sondern eher „als Engagement für eine großartige Konversation.“

Zweiklassengesellschaft

Doch es gibt auch Kritik, denn wenn nur noch kommentieren kann, wer bereit ist dafür Geld auszugeben, dann haben bald nur noch die Leser einer Seite eine Stimme, die es sich leisten können. Natürlich sind es „nur“ zwei Dollar, mit denen man einen ganzen Tag lang Kommentare schreiben kann, doch auf Dauer wird somit eine Zweiklassengesellschaft unter den Lesern geschaffen, von denen sich nur ein gewisser Teil das kleine Privileg leisten kann, die eigene Meinung kundzutun. Hier wird es also unheimlich wichtig, dass die finanzielle Hürde so klein wie möglich gehalten wird, damit möglichst wenig Leser aus der Diskussion ausgeschlossen werden. 

Die Bezahlschranke für Kommentare findet sich übrigens nur auf der Website des Magazins, auf den Social-Media-Kanälen steht es weiterhin jedem Leser frei, kostenlos zu kommentieren. Auch hier wird es spannend zu beobachten, wie sich die Kommentare qualitativ und quantitativ unterscheiden. Ein großer Nachteil der Social-Network-Kommentare ist allerdings, dass sie kurze Zeit nach Erscheinen des Artikels in den Unweiten des Internet verschwinden. Kommentare und vor allem längere Diskussionen sind weder auf Twitter noch auf Facebook ein großer Genuss, vor allem nicht, wenn der eigentliche Artikel und wer macht sich schon die Mühe, nachzusehen, wie ein Thema einst auf anderen Plattformen diskutiert wurde? Aber trotz der Kritik, interessanter ist der Ansatz einer Quasi-Paywall für Kommentare schon, findet ihr nicht? Eure Meinung könnt ihr bei uns natürlich kostenlos unter dem Artikel kundtun.


Image (adapted) „The Times paywall“ by The Sociable (CC BY-SA 2.0)


ist Wahl-Berliner mit Leib und Seele und arbeitet von dort aus seit 2010 als Tech-Redakteur. Anfangs noch vollkommen Googles Android OS verfallen, geht der Quereinsteiger und notorische Autodidakt immer stärker den Fragen nach, was wir mit den schicken Mobile-Geräten warum anstellen und wie sicher unsere Daten eigentlich sind. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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6 comments

  1. Interessanter Ansatz. Das setzt allerdings voraus, dass Trolle oder solche, die sich negativen Kommentaren erfreuen, bereit sind, weniger zu investieren als konstruktive Kritiker. Das würde ich zunächst erstmal bezweifeln!

    P.S.: Danke fürs kostenlose Kommentieren ;)

    1. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, seine Meinung als Kommentar unter einem Artikel veröffentlichen zu dürfen, sondern viel mehr selber auf einem Blog seine Meinung dazu veröffentlichen zu können.

  2. Ich fürchte, damit wird die Qualität eher noch sinken. Die Leute, die beim Lesen des Artikels irgend etwas ergänzen wollen, werden dadurch wohl konsequent verschreckt werden, wogegen die Berufsdiskutierer und Missionare munter weiter schrei(b)en.

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