Mobile Government: Die Behörde von morgen

Schon heute nutzen viele Arbeitnehmer Tablets und Smartphones geschäftlich. Ein Trend, der auch der öffentlichen Verwaltung Vorteile bringen kann – den die Regierung aber zu verschlafen droht. Für einen attraktiven Arbeitgeber gehört es inzwischen dazu, dass die Angestellten ihre Smartphones und Tablets auch für dienstliche Zwecke nutzen können. Flexible Arbeitszeiten, größere Zufriedenheit und höhere Produktivität lautet der Dreisatz in den Unternehmen. Die Große Koalition plant Ähnliches für die Verwaltung derzeit jedoch nicht, trotz der groß angekündigten digitalen Agenda. Mit dieser Entscheidung könnten Behörden im Kampf um junge qualifizierte Fachkräfte bald ins Hintertreffen geraten.

Als Dr. Martin Lawrence Cooper am 3. April 1973 auf der Sixth Avenue in New York mit einem Prototypen seines Arbeitgebers Motorola das erste Gespräch über ein mobiles Telefon führte, konnte er wohl kaum ahnen, was aus dem 1,2 Kilogramm schweren „Knochen“ einmal werden würde.

Seither hat sich nicht nur das Gewicht der Mobiltelefone dramatisch verändert: die Vielfalt mobiler Endgeräte und deren Funktionsumfang sind in die Höhe geschossen, genauso wie die Übertragungsgeschwindigkeit und die Zahl der Nutzer. Nach einer Umfrage der Initiative D21 aus dem Jahr 2013 nutzen 53 Prozent der Befragten das Internet mobil – Tendenz stark steigend. Der Zugang zum World Wide Web ist jederzeit und von jedem Ort aus möglich – der Nutzer ist nicht mehr an den privaten oder dienstlichen PC gebunden.

Die Gründe dafür sind so vielfältig wie die Möglichkeiten, die das Internet bietet: Menschen vernetzen sich mit „Freunden“, Ideen und Inhalten; sie kommunizieren, informieren und engagieren sich; sie kaufen ein, diskutieren, bringen Know-how zusammen; sie planen Reisen, streamen Videos und Musik und teilen Fotos. Aber sie setzen das WWW auch ein, um Arbeitsprozesse zu verbessern, sich fortzubilden, Termine zu verwalten und Behördengänge zu ersetzen.

Gechattet, gegoogelt, gepostet, gebloggt, getaggt, gesimst, getwittert wird von überall – egal ob im Büro, in der Ratssitzung des Stadt- oder Kreisparlaments, beim Bürgerstammtisch, im Fitnessstudio oder in der Bahn. Das Smartphone ist für viele im Alltag unverzichtbar.

Tablets auf verschiedenste Weise einsetzbar

Je alltäglicher die Nutzung der Smartphones im privaten Bereich wird, desto häufiger wird auch die Frage nach einer Verwendung im beruflichen Umfeld gestellt. Während Unternehmen der Privatwirtschaft hier häufig schon Regelungen getroffen haben, tut sich die öffentliche Verwaltung noch schwer damit. „Mobile Government“ ist daher zur Zeit noch eher ein Schlagwort. Dabei könnten mobile Endgeräte in der Verwaltung auf verschiedenste Weise verwendet werden.

Zunächst liegt der Schwerpunkt des mobile Governments im Außendiensteinsatz. Beispiele dafür sind das Ordnungs-, Umwelt- und Bauamt. Aber auch der mobile Bürgerservice ist möglich – den es im Übrigen in Pilotprojekten schon seit 2003 in Berlin gibt. Der Gedanke war damals wie heute recht simpel: Der Bürger sollte nicht mehr zum Amt kommen, sondern das Amt kommt mit einem Koffer zum Bürger. Im Koffer waren seinerzeit Notebook, Drucker, Chipkartenleser, Bezahlterminal und Formulare, um etwa einen Wohnsitz umzumelden. Den Koffer gibt es in verschiedenen Ausprägungen noch heute (aktuell u.a. in Sachsen), doch seit 2003 hat sich die Technik weiter entwickelt.

Das, was damals in einem Koffer Platz finden musste, lässt sich heute mit einem Tablet-Computer erledigen. Für die Verwaltung bieten diese Geräte eine große Chance auf dem Weg zur Verwaltung 2.0. Denn sie ermöglichen dem Bürger einen größeren Service, da seine Akten künftig jederzeit und von jedem Ort aus bearbeitet werden können.

In Kombination mit standortbezogenen Diensten sind darüber hinaus auch andere Einsatzgebiete denkbar, etwa die Koordination von Rettungsdiensten im Katastrophenfall. Wenn die mobile Verwaltung bei den Einsatzkräften Einzug hält, könnten diese alles Notwendige vor Ort digital koordinieren. Jeder hat dann sofort und permanent Zugriff auf die jeweils relevanten Daten.

Ein weiteres großes Feld, in dem Mobile Government neue Maßstäbe setzen kann, ist die Aus- und Weiterbildung. Die Angestellten könnten sich mit Tablets das notwendige Wissen spielerisch aneignen. Angereichert mit Videos und Filmen, werden die Tutorials insgesamt spannender und charmanter, aber auch individueller. Denn der Einzelne braucht nicht mehr auf die Gruppe zu warten – wenn er weiter machen möchte, kann er das jederzeit tun. Im günstigsten Fall ersetzt ein Programm auf dem Tablet gar ein ganzes Seminar mit obligatorischem Frontalunterricht. Und das wohlgemerkt ebenfalls nach allgemein verbindlichen Standards, die integrierte Lernkontrollen setzen können. Das Ganze gibt es bereits in den verschiedensten Bereichen unter dem Stichwort „Gamification“, ob bei Schülern mit Lernschwäche oder unmotivierten Mitarbeitern in der Industrie.

Viele Vorteile, aber auch Herausforderungen

Natürlich bringen private Endgeräte im Beruf auch einen höheren Administrations- und Sicherheitsaufwand mit sich. Dazu gehört ein Mobile Device Management (MDM), das private und Unternehmensbereiche sinnvoll trennt. Einige Anbieter haben speziell dafür verschlüsselte Containersysteme entwickelt, bei denen alle betrieblichen Informationen separat auf dem Privatgerät gespeichert sind, z.B. ein eigenes Telefonbuch, einen eigenen E-Mail-Client für geschäftliche E-Mails sowie einen eigenen Browser.

Im Mittelpunkt steht dabei, die Sicherheit der Daten zu gewährleisten. Wenn z. B. Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz oder Polizisten per WhatsApp oder ähnlichen Diensten chatten, können diese Daten auf fremden Servern landen. Zudem können sich berufliche mit privaten Kontaktdaten mischen. Schulung und Aufklärung der Mitarbeiter über die Verwendung von privaten Geräten in der Verwaltungsarbeit sind daher unerlässlich.

Wenn dies gelingt, kann in den Behörden ein neues Arbeitsgefühl entstehen. Ein Arbeitsgefühl, bei dem der Mitarbeiter das gleiche Gerät zu Hause wie im Beruf nutzen kann. Ein Arbeitsgefühl, das den Mitarbeiter sensibilisiert für das mobile und umsichtige Handeln. Ein Arbeitsgefühl, das das Digitale zum Selbstverständlichen macht.

 

Mit den neuen Geräten kann sich auch das Verhältnis zwischen Verwaltung und Wirtschaft oder Bürgern grundlegend ändern. Transparente Daten und effiziente Abläufe, am Nutzen von Bürgern und Unternehmen orientiert, stärken die gesellschaftliche Teilhabe. Gerade finanziell unter Druck stehende Kommunen werden künftig darauf angewiesen sein, dass Bürger öffentliche Dienstleistungen erbringen.

Politik darf mobilen Trend nicht verschlafen

Fakt ist: mobile Geräte sind in der Gesellschaft angekommen. Junge Generationen kennen kein Leben ohne Smartphone. Der Trend ist unverkennbar und wird sich fortsetzen. Nun kommt es auch in der Verwaltung darauf an, ihn aktiv mitzugestalten.

Bei der Lektüre des neuen Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD wird zwar deutlich: Der Vertrag bietet unter dem Stichwort „Digitale Agenda“ eine Menge richtiger Ansätze – auch zu dem Thema eGovernment.

Dennoch fehlt es dem Entwurf an Weitsicht, wenn es um die Zukunft des Internet geht. Eine Zukunft, die vor allem eine mobile ist. Diesen Trends zum Trotz und obwohl Deutschland schon heute zu den Ländern mit dem geringsten Angebot an Mobile-Government-Angeboten (mGovernment) zählt, findet sich dazu im Entwurf der Digitalen Agenda keine Strategie.

Blick nach vorne

Allein die oben genannten Beispiele und Ideen zeigen bereits, dass es sich lohnt, über andere/neue Prozesse nachzudenken, die durch den Einsatz von mobilen Endgeräten entstehen. Andere Staaten haben es mit dem Ansatz „mobile first“ vorgemacht oder denken über Ansätze wie „mobile by default“ nach. Bei ihnen ist Mobile Government nicht die letzte Stufe einer Entwicklung, die beim Papierdokument beginnt, sondern der Ausgangspunkt aller Überlegungen. Prozesse werden aus Sicht mobiler Möglichkeiten neu gedacht – der Nutzer steht mit seinem Anliegen im Vordergrund.

Mobile Government wird daher der Antrieb für das klassische E-Government werden. Anerkennen wir die Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz mobiler Geräte ergeben und nutzen wir sie für die Modernisierung unserer Verwaltung. Denken wir über neue Prozesse nach. Überlegen wir uns doch, wo mobiler Einsatz sinnvoll und zweckreich ist.

Mobile Government bietet den öffentlichen Einrichtungen zahlreiche Chancen auf dem Weg zur digital vernetzen Verwaltung, um für Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und vor allem für die Verwaltung selbst einfache und dadurch nutzerfreundliche, sichere sowie effiziente Prozesse zu gestalten. Dies scheint mit Blick auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen mehr als notwendig. Nun muss es daran gehen, die Potenziale zu heben und mit viel Kreativität neue und bessere Prozesse zu gestalten.


Image (adapted) „Apple iPad Event“ by Matt Buchanan (CC BY 2.0)


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1 comment

  1. BYOD ist denke ich auch in den Behörden ein Thema.

    Vor dem Thema mobile Government steht aus meiner Sicht aber bei vielen Behörden erstmal die sinnvolle Umsetzung von E-Government.

    Sind die Prozesser erst mal elektronisch umgesetzt und alltagstauglich ist es denke ich deutlich leichter diese auch für mobile Geräte abzubilden.

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