Mesbah Mohammady übers Bloggen im Iran

Der iranische Blogger Mesbah Mohammady sprach am Mittwoch in Chemnitz über die Unterdrückung der Medien im Iran und seine Flucht nach Deutschland. // von Ben Franke

Mesbah Mohammadi spricht in Chemnitz übers Bloggen im Iran

Auf einer von örtlichen Bloggern organisierten Abendveranstaltung sprach am Mittwoch der iranische Blogger Mesbah Mohammady in Chemnitz über die Anfänge der iranischen Blogosphäre, politische Verfolgung und Unterdrückung, sowie seine Flucht nach Deutschland ins sächsische Chemnitz, wo er ironischerweise mehr Repressalien erdulden muss als im Iran.

Mit der Blogging-Plattform Pitas fing alles an

Im Juli 1999 – mehr als 20 Jahre nach „Weiße Revolution“ – und der Errichtung einer iranischen Scheindemokratie, demonstrierten Studierende gegen die Schließung der iranischen Zeitung Salam. Dies war die erste offene Demonstration gegen die Regierung. Dabei kam es zu mehreren Toten und mindestens Tausend Demonstranten wurden verhaftet.

Im selben Jahr kam die erste freie Bloggerplattform Pitas auf den Markt. Nachdem im Jahr 2003 das persische Alphabet Teil des Internets wurde, startete Mesbah Mohammady ein Blog und fing an zu schreiben. Mohammady erzählte, in Begleitung seines Übersetzers Mostafa, dass er so bis 2004 seine Meinung zur politischen Situation im Iran frei und unzensiert äußern konnte. Aus Rücksicht auf seine religiöse Familie, bloggte er anonym.

2004 erlangte die iranische Blogosphäre durch einen Streit um die korrekte Bezeichnung des arabischen Golfs erstmals die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Die Iraner bestanden auf die Bezeichung „Arabischer Golf“, während National Geographic die Bezeichnung „Persischen Golf“ verwendete. Durch eine Google-Bombe setzte sich die iranische Blogosphäre zumindest mit technischen Mitteln eindrucksvoll durch.

Doch diese Aktion machte iranische Behörden auf die Blogger-Szene im eigenen Land aufmerksam. 30 von ihnen wurden verhaftet, zwei davon zum Tode verurteilt und einer beging im Gefängnis Selbstmord. Die Blogger wurden eingeschüchtert und gezwungen die USA als Provokateure zu denunzieren, wie Mohammady berichtete.

Jeder Twitterer ist ein Aufrührer

Nach Protesten gegen die gefälschte Präsidentschaftswahl 2009 wurden Blogs gesperrt, um so weitere kritsche Berichterstattung zu verhindern. Als Reaktion darauf entdeckten iranische Blogger Twitter für sich. Zwei Tage lang konnten sie sich frei äußern und austauschen. Das Regime reagierte mit der Sperre von Twitter. Mit Hilfe von ausländischen Aktivisten wurden VPN-Verbindungen hergestellt, damit der Zugang frei blieb.

Die Lage der Blogger verschlimmerte sich und Mohammady bekam Drohungen von iranischen Sicherheitsbehörden. Auch er wurde zum Verhör eingeladen, wo versucht wurde, ihn mit Gesprächsprotokollen einzuschüchtern. Die Sicherheitsbehörden wollten von Mohammady wissen, wie er Informationen an die BBC lieferte. Damals zitierte das englische Network ihn in Nachrichten und die Staatsdienste befürchteten, dass er direkten Kontakt hätte. Die BBC und er führten aber keine direkten Gespräche. Sie lasen nur seine Beiträge. „Damals sind BBC und andere westliche Medien auf meine Tweets und meine Artikel aufmerksam geworden und haben mich zitiert„, erzählt Mohammady dem Chemnitzer Stadtmagazin 371.

Kurze Zeit später rief ein vermeintlicher „Blogger“ zu einer Demo in einem Park auf. Mohammady bekam die Information, dass es sich um einen Vorwand handelte, um Blogbetreiber und ihre Leser/innen festzunehmen. Er warnte seine Community und wurde dafür festgenommen. Mohammady wurde geschlagen und zu einer Haftstrafe verurteilt. Er musste nur nicht ins Gefängnis, weil sein Vater intervenierte.

Wir leben nicht – wir atmen nur

2013 verließ Mohammady den Iran, drei Monate später folgte seine Frau Shaghayegh Sahandi. Sie kam ins sächsische Chemnitz und er nach Amberg in Bayern. Er konnte sie nur mit einem Urlaubsschein besuchen. Auf diese Art konnte Mohammady seine Frau höchstens sieben Tage im Monat sehen.

Im April 2014 floh Mohammady deshalb nach Chemnitz und erhielt letztendlich eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Ironie ist, dass er mehr im Iran machen konnte als hier im Asyl. Er hat in Deutschland keinen freien Zugang zum Internet und dadurch fehlt ihm die Verbindung zu seinen iranischen Landsleuten.

Weil er sich nicht mit der Situation abfinden möchte, gründete er die „Asylum Seekers Movement„. Mohammady möchte auf die Probleme der „Neuankömmlinge“ hinweisen und sie über ihre grundlegenden Rechte informieren. Wenn die Flüchtlinge in Deutschland ankommen, werden sie in Massenunterkünfte gesteckt und müssen mit unterschiedlichsten Menschen auf engstem Raum zusammen leben. Die gesundheitliche Grundversorgung ist nicht gesichert oder das Recht auf Reisefreiheit wird durch die Urlaubsscheine begrenzt. Verreist man ohne Urlaubsschein, muss man mit einer Gefängnisstrafe rechnen.

Mesbah Mohammadi will in Deutschland bleiben und nicht in den Iran zurückkehren, denn dort ist es laut Mohammadi seit dem neuen Präsidenten nur noch schlimmer geworden.

Ob im Iran oder hier in Deutschland, Mohammady versucht weiterhin die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wer ihn dabei unterstützen möchte, kann dies am 28. Februar auf dem Theaterplatz in Dresden machen, wenn es zu einer bundesweiten Demonstration für mehr Solidarität mit Geflüchteten kommt.


Teaser & Image by Paul Werner & Ben Franke


ist PR-Pirat im Kreisverband Chemnitz und studiert aktuell Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Nebenbei bloggt er auf Bloggopolis und arbeitet für medien-on-tour. Er fotografiert gern und ist immer für einen Kaffee zu haben. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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