Mehr Schein als Sein? Google versucht, legales Streaming zu pushen

Google versucht mit kleinen Anzeigen über Suchanfragen nach unautorisierten Streams, legales Streaming zu pushen. // von Tobias Gillen

Google Breaking Bad Torrent

Suchmaschinen stehen immer irgendwie dazwischen – oder konkreter: Google steht zwischen Rechteinhabern und Nutzern, die gerne geschütztes Material schauen möchten. Nun versucht man mit Werbung zu legalen Streams gegen unautorisierte Streams vorzugehen – mit fraglichem Optimismus.


Warum ist das wichtig? Suchmaschinen wie Google sind nach wie vor Dreh- und Angelpunkt im Internet. Es geht nicht ohne sie, aber teils nur schwer mit ihnen.

  • Suchmaschinen stehen immer zwischen den Stühlen, besonders bei unautorisierten Inhalten.
  • Googles Initiative befindet sich noch in der Experimentierphase, dürfte aber wenig erfolgsversprechend sein.
  • Mehr Schein als Sein? Google will aus der Schusslinie – bringt sich aber möglicherweise wieder genau dazwischen.

Suchmaschinen stehen in der Schusslinie

Suchmaschinen haben ein großes Problem: Sie stehen zwischen Nutzern und Unternehmen, Rechteinhabern und Politik. Dadurch geraten sie immer wieder in die Schusslinie. Die Unternehmen schießen, weil sie sich unfair gerankt fühlen, werfen den Suchmaschinen gerne Wettbewerbsverzerrung vor. Die Nutzer schießen, weil sie eine möglichst unabhängige Darstellung der Ergebnisse wollen, weil ihnen der Algorithmus nicht schmeckt, weil Werbung personalisiert ist oder weil sie Links zu Artikeln stören, die ihre Persönlichkeitsrechte gefährden. Die Rechteinhaber schießen, weil sie fürchten, dass durch Google unautorisierten Kopien ihrer Dateien und Inhalte auffindbar werden oder weil sie sich um Snippets sorgen. Und die Politik wird von allen Seiten lobbyiert und weiß gar nicht mehr, was sie den Suchmaschinen alles verbieten soll – oder eben nicht.

Besonders problematsich wird es, wenn Suchmaschinen unautorisierte Inhalte auffindbar machen. Etwa, wenn man per Suche eine unautorisierte Kopie von einer TV-Serie oder einem Kinofilm findet. Im Juni musste sich Google etwa satten 26 Millionen DMCA-Anfragen stellen. Also Anfragen von Inhalteerstellern und Rechteinhabern, die den Digital Millennium Copyright Act verletzt sehen – jenes umstrittenes Urheberrechtsgesetz, das 1998 von Bill Clinton abgesegnet wurde.

Werbebanner bei diversen Schlagworten

Google möchte nun gegen Suchanfragen nach unautorisierten Strems und Kopien vorgehen. Wie torrentfreak berichtet, sei bei Suchen nach einem Serien-, Musik oder Filmtitel inklusive „watch“, „download“, „online“, „view“, „dvdrip“, „torrent“, „avi“, „putlocker“ oder anderen Zusätzen aus dieser Richtung ein Banner mit Werbung für legale Streaming-Angebote eingeblendet worden.

Suchte man also – bislang nur mit US- und UK-IP-Adresse – nach „Breaking Bad torrent“ oder „Noah dvdrip“, bekam man vor den eigentlichen Suchergebnissen einen Banner mit Werbung für Google Play, Netflix oder Vudu eingeblendet. So könne man „Noah“ etwa ab 14,99 US-Dollar bei Google Play schauen, „Breaking Bad“ ab 7,99 US-Dollar pro Monat bei Netflix und für knappe 2 US-Dollar pro Episode bei Google Play.

(Stichwort Schusslinie: Interessant ist auch hier wieder die Frage, welche Dienste Google bei der Anzeige bevorzugt? Die eigenen? Die günstigsten? Die umfangreichsten? Die mit den besten Bewertungen? Aber da die Preise mit angegeben wurden, schließe ich mal auf eine Kooperation zwischen den Streaming-Anbietern und Google, worin diese Fragen geklärt wurden.)

Aus der Schusslinie gehen…

Warum ich in der Vergangenheitsform schreibe? Aktuell sind die Anzeigen nicht mehr zu rekonstruieren, selbst mit einer US-IP-Adresse. Torrentfreak vermutet, dass Google derzeit in einer Art Experimentierphase ist. Google gab nur bekannt: „Diese Werbungen werden bei diversen Suchen nach Film-, TV- und Musiktiteln erscheinen.“ Wann Google das Feature weltweit launcht ist nicht bekannt. Ebenso wenig, nach welchem Muster es genau funktionieren wird.

Man möchte also aus der Schusslinie gehen, sich vor Zensur-Vorwürfen schützen, indem man die illegalen oder zumindest fragwürdigen Seiten online lässt, die Rechteinhaber besänftigen, indem man auf legale Streaming-Angebote verweist und dem Nutzer die Wahl lassen. Ein paar Fragen wirft die, nennen wir es mal so, Initiative aber dann doch auf.

… und sich selbst in die Schusslinie bringen

Etwa, ob Google wirklich glaubt, dass sich ein Nutzer, der nach einer unautorisierten Kopie sucht, wirklich von einem kleinen Banner dazu überreden lässt, Geld für etwas auszugeben, von dem er genau weiß, wo er es gratis findet? Oder, welchen Vorteil Google selbst aus der Anzeige vom Play-Store-Streaming zieht? Oder, ob Leute, die sich für unautorisierte Streams interessieren, nicht schon längst wissen, dass es Netflix, Amazon, Play Store und Vudu gibt, sich aber einfach nicht mit Anmelde- und Bezahlvorgängen sowie AGBs und Abomodellen auseinandersetzen möchten?

Die Welt wird Google damit nicht retten. Nicht mal die der Rechteinhaber. Aber es sieht wenigstens so aus, als sei man engagiert – mehr sollte man von der Initiative wohl auch nicht erwarten zukünftig. Das ist schade – und bringt Google gleichzeitig wieder in die Schusslinie. Spätestens dann, wenn sich die Rechteinhaber darüber beschweren, dass trotzdem kein Erfolg im Kampf gegen unautorisiertes „Breaking Bad“-Schauen verbucht werden kann.


Teaser by Carlos Luna (CC BY 2.0)


war von 2012 bis 2015 Autor der Netzpiloten. Seither arbeitet er als Geschäftsführer von BASIC thinking, schreibt Bücher und pflanzt dadurch Bäume. Zudem hat er das Online-Magazin Finanzentdecker.de gegründet. Am besten ist er über Facebook, Twitter und Instagram zu erreichen.


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3 comments

  1. Hi Tobias,

    interessanter Gedankengang – allerdings: Sollte man die Werbeeinblendungen nicht als das sehen, was sie sind? Werbeeinblendungen halt. Der einzige Unterschied scheint zu sein, das Google nun versucht, der eigenen Haupteinnahmequelle einen moralischen Anstrich zu verleihen. Gute Marketing-Strategie – aber ansonsten: Werbeeinblendung.

  2. Wenn der Artikel jetzt auch noch zur Überschrift passte, wäre alles super. Denn im Text werden nur eingeblendete Werbebanner erwähnt, von Manipulation der Suchergebnisse oder deren Reihenfolge keine Rede. Von einem Journalisten hätte ich mehr Präzision erwartet.

    Sven von schreiberling.info

  3. @Sven: Die Überschrift ist zutreffend, deine Interpretation evtl. nicht…

    @topic: Ich finde die Aktion prinzipiell gut und denke, der Erfolg wird in erster Linie davon abhängen, wie gut das Preis-Leistungs-Verhältnis der Angebote ist.

    Beispielsweise kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand, der eine kostenlose Möglichkeit sich Noah (vermute mal, das ist ein Film) anzusehen, bereit ist, statt dessen 15$ zu bezahlen.
    Wobei ich der Meinung bin, dass das ein ziemlich überzogener Preis ist, der auch Leute, die von vornherein nach einer legalen Quelle suchen, abschrecken dürfte.

    Wenn hingegen der Preis bei nur 1,50$ liegen würde, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass einige Leute sich entscheiden würden, lieber diesen kleinen Betrag zu zahlen und damit sogar im legalen Bereich zu bleiben, anstatt weiter nach einer illegalen Alternative zu suchen.

    tl;tr:
    Google bietet legalen Angeboten die Möglichkeit, denjenigen, die nach „Raubkopien“ suchen, ein Gegenangebot zu unterbreiten.
    Ob das funktioniert, wird davon abhängen, wie gut dieses Angebot ist.

    PS: Wer bei Google nach Downloads sucht, hat mmn. entweder wenig Ahnung von den illegalen Angeboten oder hat die üblichen Quellen bereits erfolglos durchsucht und nutzt Google als letzte verzweifelte Alternative. In beiden Fällen dürften diese Suchenden sehr empfänglich für ein faires, legales Angebot sein.

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