LSR-Showdown zwischen Christoph Keese und Kay Oberbeck

Gestern trafen sich die Parteien Springer und Google zum „UDLdigital-Talk LSR“. Ob es zum großen Showdown kam oder nicht, erfahrt Ihr vom Isarmatrosen Tobias Schwarz.

UDLdigital-Talk zum LSR (Bild Isarmatrose, CC BY-SA 3.0)

Am gestrigen Donnerstag Abend trafen sich im Berliner BASE_camp Springer-Außenminister Christoph Keese und Kay Oberbeck, Leiter Unternehmenskommunikation bei Google Deutschland, um über das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage zu reden. Vor den Augen von Moderator Cherno Jobatay und allerlei deutscher Internet-Prominenz, entspann sich eine auffallend unemotionale Debatte um den viel kritisierten Gesetzesentwurf.

Die Boxkampf-Metaphern klangen schon in Jobatays Einleitung merkwürdig unpassend, sie sollten sich überhaupt für den ganzen Abend als ungeeignet erweisen. Christoph Keese, der noch am Vortag mit einem nach eigener Aussagen missverstandenen Vergleich von Google mit der Taliban für viel Unmut gesorgt hatte, scherzte und redete ruhig mit seinem Gegenüber Kay Oberbeck, der derartige Entgleisungen auf den Erfolg der Aufklärungskampagne von Google über das Leistungsschutzrecht zurückführte. Beide tauschten ihre Positionen aus, die schon aus Doppelinterviews der beiden bekannt waren, eine wirkliche Diskussion entstand kaum.

Das Leistungsschutzrecht soll nach Keese das gewerbliche Kopieren von Inhalten der Presseverlage unterbinden und die Lizenzierung dieser Presseinhalte ermöglichen. Die Nachfrage von Kay Oberbeck, was denn das alles mit Google News zu tun hat, beantworte Keese damit, dass es nicht um Google geht. Eine merkwürdige Antwort zu einem Gesetzesvorhaben, das besonders durch die erste und dritte Entwurfsfassung als Lex Google Bekanntheit erlangt hat und nach Oberbeck wohl auch weiterhin immer nur auf das Internet-Unternehmen aus dem kalifornischen Mountain View gerichtet sein wird. Dass das Gesetz durch das Justizministerium in der dritten Fassung auf Suchmaschinen und Aggregatoren eingeschränkt ist, findet Keese bedauerlich. Er hatte sich einen breiteren Anwendungsrahmen gewünscht.

Kay Oberbeck betonte die positive Wirkung von Suchmaschinen für Presseverlage, durch die die Inhalte erst von den Lesern gefunden werden. Die Argumentation von Keese greift laut Oberbeck viel zu kurz. Es ist unklar, auf wen das Gesetz noch Auswirkungen hat und inwiefern die Entstehung von Innovation durch das Leistungsschutzrecht für Presseverlage gefährdet ist. Oberbeck stellte klar, dass Google News keine Inhalte kopiert und ohne Werbung auskommt, weshalb sogar Keese Googles Nachrichten-Angebot als einen Spezial- und Unterfall bezeichnete. Die Studie der Online-Marketing-Beratung The Reach Group GmbH (TRG) belegt laut Oberbeck, dass Google in Deutschland nur 1,1 Prozent seiner Einnahmen durch Adwords-Werbung auf Seiten der Presseverlage verdient. Lediglich 8,3 Prozent der Ergebnisse auf der wichtigen Google-Ergebnisseite 1 würden überhaupt unter das Leistungsschutzrecht für Presseverlage fallen.

?Aggregation ist gut, ist wichtig im Netz, muss aber bezahlt werden. Wir können das nicht kostenlos anbieten.?, ging Keese auf den Traffic-Zuwachs im zweistelligen Prozentbereich durch Google ein. Nach Verhandlungen über Lizenzvereinbarungen sind für ihn auch längere Texte als Snippets möglich, solange eben Geld fließt. Da stört Keese sich auch nicht an der zahlreichen Kritik an dem von ihm initiierten Gesetzesvorhaben. Den Jugendorganisationen aller Parteien empfahl er, den Text des Gesetzesentwurfes noch einmal zu lesen, bevor sie ihn geschlossen kritisieren würden, die Kritik der Rechtsexperten des Max-Planck-Instituts tat er als verlagsökonomische Sichtweise ab, von der er mehr verstehen würde als die Juristen. Eine Stellungsnahme zu der MPI-Studie würde von ihm noch folgen.

Inzwischen kam die Diskussion bei der technisch einfachsten Lösung an, die Textdatei Robot Exklusion Standard (Robots.txt), mit der bestimmte Seiten oder Bereiche vor der Indexierung geschützt werden können. Eine Methode, die Oberbeck und Teile des Publikums als ausreichend empfinden, Keese allerdings als technisch zu undifferenziert ablehnt. Weder technisch noch von der Argumentation konnten sich beide Podiumsteilnehmer näher kommen. Oberbeck bedauerte die verlorene Zeit auf Grund der Diskussion und verwies auf Kooperationen zwischen Google und Verlagen. Keese kündigte innovative Geschäftsmodelle seines Arbeitgebers an, was beim Publikum für Staunen sorgte. Bisher fiel der Axel-Springer-Verlag nur mit der Kopie der Paywall der New York Times auf. Vor den Schlussaussagen der beiden Gäste konnte das Publikum das Wort an die beiden richten. Neben technischen Erklärungen von Robots.txt berichtete eine freie Journalistin Christoph Keese von der Realität ihrer Arbeitssituation, in der Total-Buy-Out-Verträge die Regel sind, etwas das Keese anders darstellte.

Christoph Keeses Wunsch nach durch Google bezahlte Aufmerksamkeit für die Inhalte der Presseverlage wirkte weiterhin wie unrealistisches Wunschdenken und konnte das Publikum nicht überzeugen. Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist für Keese kein Ruf nach staatlichen Subventionen, sondern der Rechtsrahmen, in dem marktwirtschaftliche Lösungen zwischen Google und Presseverlage gefunden werden muss. Googles Ablehnung des Gesetzesvorhaben wiederum ist die einzig wirkliche marktwirtschaftliche Lösung in der Diskussion um das Leistungsschutzrecht. Auch wenn die Diskussion das Thema nicht weiter voran brachte, wurde das zumindest klar.


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Bild: Isarmatrose, CC BY-SA 3.0


ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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10 comments

  1. ?Agitation ist gut, ist wichtig im Netz, muss aber bezahlt werden. Wir können das nicht kostenlos anbieten.?

    Leute, Ihr müsst besser zuhören! „Aggregation“ habe ich gesagt, nicht „Agitation“.

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