Facebook durchsucht die Chat-Protokolle – Kennen wir uns?

Facebook durchsucht die Chat-Protokolle - Kennen wir uns?
Facebook durchsucht die Chat-Protokolle. Ach, da werden die Leser müde. Facebook, schon wieder. Klar tun die das. Die durchsuchen alles, was man denen in den Rachen schmeißt. Besonders beliebt sind natürlich allerlei Produktnamen, Marken und Anbieter. Da geht es um Werbung. Wusste der/die geschätzte Netzpiloten-Leser/in, dass es aber auch darum geht, festzustellen, wie sicher Facebook sein kann, ob die beiden Chat-Partner sich auch tatsächlich aus dem realen Leben kennen?

Tja, so kann es einem gehen, wenn man das Soziale im Sozialen Netzwerk leicht überbetont. Denn mit der Begründung, Kinder vor bösen Chatpartnern zu schützen, durchsucht und analysiert Facebook die Chatprotokolle. Laut Sicherheitsdirektor Joe Sullivan gegenüber Reuters handelt es sich um eine Technologie, die nicht nach Meldungen anspringt, dass ein Nutzer das Netzwerk zu üblen Zwecken mißbraucht. Basis ist eine Mustersammlung an Chatprotokollen, die sexuellen Übergriffen vorausgegangen sein sollen. Die Technologie solle nun eigenständig anhand dieser Samples erkennen können, welche Leute voraussichtlich Böses im Schilde führen. Klingt löblich. Klingt sogar verantwortungsvoll.

Aber wer schon einmal die Recommendation Engine bei Amazon erlebt hat, die einem exakt das Produkt empfiehlt, das man gerade erstanden hat – und zwar auf der Basis dieser Interessensbekundung – der wird skeptisch, wie brauchbar solche Mustererkennungsprozesse heutzutage die Verhaltensweisen von Menschen erkennen und zuordnen könne. Noch schlimmer ist natürlich die Auffassung von Services im Web. Wir wissen alle, dass unser Verhalten die Ware ist, die im Web gehandelt wird. Manche meinen ja, naiv die wahre Dimension unterschätzend, dass es Daten seien, die gesammelt würden. Dabei ist es viel eher das Matchen von Daten auf Profile bzw. das Erstellen von Mustern auf der Basis von Lernmengen. Also Software, die sich selbst optimiert. Was genau dabei herauskommt, haben wir bei zwei schwarzen Tagen an den internationalen Börsen gesehen, als sich Algorithmen im Hochfrequenzhandel gegenseitig ins Abseits bugsierten.

Zum Glück gibt es in diesem Fall noch eine TaskForce bei Facebook, die das System verständigt, und die dann verdächtige Protokolle an die lokale Poilzei leitet und so ein Meeting vereiteln kann zwischen einer 13jährigen und einem Mann, der offenbar nicht aus dem Freundeskreis kommt, weil er bspw. mit keinem ihrer Freunde und Freundinnen oder Verwandten befreundet ist. Aber was, wenn es der lang verschollene Stiefbruder aus Übersee ist?

An diesem Beispiel wird jedoch eines klar: Unser Verhalten ist der Punkt, an dem alle Bestrebungen der Dienste zusammenlaufen. Es ist unser Handeln und die Reaktionen der Freunde darauf, die Interesse wecken. Das Problem beginnt erst beim Kategorisieren des Handelns in Muster und der algorithmusbasierten Vorhersage auf der Basis vieler Daten vieler Nutzer. Denn dann wird die Freiheit des menschlichen Willens nicht durch Neurowissenschaftler ad acta gelegt sondern durch statistische Erhebungen und die softwarebasierte Analyse.

Wer dann im Jahr 2017 bei Facebook seinen Beziehungsstatus von Single zu in Beziehung mit XY ändert, bekommt auf er Basis der Analysen der beiden Profile und der Daten der engsten Freunde und von Menschen mit ähnlichen Interessen die Nachricht: „Diese Beziehung wird ungefähr 752 Tage dauern und der Mann wird in dieser Zeit zu zwei Ex-Freundinen per Facebook Kontakt aufnehmen und zwar in der Mitte des zweiten Jahres. Die Frau wird dies schon nach rund 55 Tagen tun und nach 185 Tagen mit einer Wahrscheinlichkeit von 85% via FB-Authentifizierung ein Seitensprung-Portal nutzen.“

Hurra. Jemand in Kalifornien kennt uns. Jetzt fehlt nur der Lebensberater aus Bits und Bytes. Oder wird es bald den algorithmisierten Paartherapeuten geben? Die Gründe für einen Ehestreit sind doch sicher auch schon in einer Mustererkennung gelandet. Jetzt müssen die klugen Leute bei Facebook und Google nur noch eine Mustererkennung für Lösungen der Streitereien entwickeln. Kinderspiel, gibt ja bald Quantenrechner.

Photo: Matthew Hull

  ist seit 1999 als Freier Autor und Freier Journalist tätig für nationale und internationale Zeitungen und Magazine, Online-Publikationen sowie Radio- und TV-Sender. (Redaktionsleiter Netzpiloten.de von 2009 bis 2012)


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3 comments

  1. So sieht die Realität leider aus. Dies ist aber nicht nur bei Facebook zu erkennen. Bei Google wird das Surfverhalten der Menschen erfasst und auf Grundlage dessen, werden einem genau die Angebote (Adwords) präsentiert, die einen genau zu diesem Zeitpunkt interessieren könnten. Die heutigen Datenskandale häufen sich und anscheinend kann man immer weniger dagegen unternehmen. Weil es doch bald jeder macht oder?

    1. Was macht jeder? Die Daten seiner Nutzer verhökern? Nein. Das ist ein lahmes Pferd. Noch glauben alle an die Datenflut. Das wird sich in einer Hinsicht legen: Es ist präziser als die Gießkanne bei den Zeitungen. Aber dort sitzt die Glaubwürdigkeit. Und die läßt sich nicht per targeting ersetzen.

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