Highspeed-Internet ist Interpretationssache

Ich bin E-Plus-Kunde. Das sagt eigentlich schon viel über mich aus: Ich habe damals den großen BASE-Flatrate-Boom mitgemacht und surfe seither langsam. In so manch geschlossenem Raum ist Telefonie fast ausgeschlossen und selbst der SMS-Versand stockt nicht selten bis zum Erliegen. 

Warum ich das mitmache? Weil ich die Frist zur Kündigung meines Vertrages verschlafen habe – und dadurch weiterhin an die Düsseldorfer gebunden bin. Wenigstens ein Handy gab es „für den treuen Kunden“ obendrauf – wahrscheinlich, weil ich so böse war, nachdem ich 23 Minuten in der Warteschleife „BASE – Ihre Redefreiheit“ mit schlechter Gesprächsqualität zwecks mangelndem Empfang gehört habe. Freilich tat mir die Kundensupport-Mitarbeiterin mehr als leid, wir haben uns anschließend vertragen, ich habe inzwischen ihre Durchwahl und kann mir seither die Warteschleife sparen.

So wie mir geht es wohl ziemlich vielen Nutzern: BASE, E-Plus und all die vielen Vertriebspartner und Marken der Gruppe kosten Nerven. Gestern aber war Aufatmen angesagt, denn: „E-Plus-Gruppe startet ‚Highspeed für Jedermann„. Das zumindest ist der Titel einer Pressemitteilung, auf die gleich eine ganze Menge Medien aufsprangen. 

Doch was soll das sein, dieses „Highspeed“? Als E-Plus-Nutzer kennt man dieses Wort nicht. Als E-Plus-Nutzer kennt man nur „Lieber Kunde, ihr Datenvolumen für diesen Monat ist fast aufgebraucht“ mit einer anschließenden Nachricht, dass es nun nicht mehr „fast aufgebraucht“ sei, sondern endgültig und dass man nun lansamer surfe. Die beiden SMS haben irgendwas realsatirisches an sich. Langsamer als gar nicht? Wie soll das gehen? Kurz im Lexikon nachgeschlagen, war ich doch überrascht. Dieses „Highspeed“ steht für „schnelle Geschwindigkeit“. Auch „schnell“ muss ich nachschlagen, denn in den SMS von BASE ist immer nur vom – das verrät mir der Duden – Gegenteil, nämlich „langsam“ die Rede. Bei E-Plus klingt die Erklärung so: „Als erster Netzbetreiber im deutschen Mobilfunk macht das Düsseldorfer Unternehmen Schluss mit der gängigen Praxis, höhere Datengeschwindigkeiten nur in den teureren Tarifen anzubieten.“

Das bedeutet also, dass endlich Schluss ist, mit der Drosselung? Keine „langsamer“-SMS mehr in der ersten Monatswoche? Keine drei Wochen Quasi-Nicht-Surfen? Ich hole den Sekt aus dem Kühlschrank, jetzt wird gefeiert. Aber, Moment mal. Vielleicht sollte ich erst weiterlesen, irgendeinen Haken wird die Aktion wohl haben. Oder? Natürlich. Aber zunächst soll erwähnt sein, dass die „Highspeed für Jedermann“-Initiative durchaus ein schicker Ansatz ist. Denn: Alle Kunden – egal ob Neu- oder Bestand-, Vertrags- oder Prepaidkunden – bekommen nun die schnellstmögliche Datengeschwindigkeit in ihrer Region. Die liegt bei maximal – und jetzt gut festhalten, liebe E-Plus-Leidensgenossen – 42,2 Mbit / Sekunde im Download und bei 5,7 Mbit / Sekunde im Upload. Das sind Dimensionen, an ich nie zu denken auch nur gewagt habe. 

Die Initiative startet ab Dezember 2013, also ab Sonntag und geht vorläufig bis Mitte 2014. Warum die Aktion bis dahin limitiert ist, ist unklar. Vielleicht ist es ein erstes Experiment, vielleicht hat man den Blick aber auch auf die Fusion mit O2 gerichtet, die bis Mitte 2014 abgeschlossen sein soll, insofern die Kartellbehörden zustimmen. Im Kleingedruckten des Pressemitteilung heißt das: „Ab dem 01.07.2014 gelten wieder die ursprünglich im Tarif vereinbarten Konditionen bzgl. der Surfgeschwindigkeit.“ Kosten entstehen dadurch natürlich keine. Aber es geht noch weiter: Ab März 2014 will E-Plus seinen Kunden, so steht es in der Mitteilung, zusätzliche Kapazitäten über LTE anbieten. Wahnsinn.

Nun aber zum großen Haken: Denn ganz so fortschrittlich, wie sich die E-Plus-Gruppe in ihrer Pressemitteilung gibt, ist sie dann doch nicht. Dazu möchte ich zwei Dinge gegenüberstellen:

  • Erstens das Statement von Kay Schwabedal, CCO der E-Plus-Gruppe: „Es entspricht nicht dem heutigen Kundenbedarf, Datengeschwindigkeiten an die Größe des Highspeed-Volumens und damit die Höhe des Tarifpreises zu koppeln.“
  • Und zweitens ein Satz aus dem Kleingedruckten: „Nachdem das ungedrosselte Datenvolumen der Internet-Flat in Ihrem Tarif ausgeschöpft ist, verringert sich die Surfgeschwindigkeit bis zum Ende des jeweiligen Monats auf bis zu 56 kbit/s.“

Paff, dahin ist sie, die Hoffnung, dass nun zumindest bis Sommer 2014 keine „langsam“-SMS mehr kommen. Und bemerkenswert ist die Formulierung von Schwabedal auch. Schließlich richte sich demnach die Datengeschwindigkeit zwecks Kundenbedarf doch nicht mehr nach dem Highspeed-Volumen und damit dem Preis. Habe ich aber einen günstigen Tarif respektive ein kleines Highspeed-Volumen, ist die Freude über die 42 Mbit / Sekunde auch nur von kurzer Dauer. 

Der Umkehrschluss: Will ich mit „Highspeed für Jedermann“ surfen, brauche ich einen Tarif, der das auch lang genug mitmacht. Und damit ist der die Datengeschwindigkeit sehr wohl an Größe und Höhe des Tarifs gekoppelt. Von vielen Tech-Medien wurde das übrigens fast nicht oder nur am Rande erwähnt – der PR-Coup für E-Plus scheint also gelungen.Dabei ist es so schade für E-Plus, dass die Gruppe nicht ausnutzt, endlich mal eine gute Idee gehabt zu haben. Gerade im Prepaid-Markt wäre mit einer solch fixen Datenübertragung ohne Drosselkom-Hintertürchen viel drin gewesen. Aber auch die Vertragskunden hätten sich umgeschaut. 

Das beweist ein Blick auf die Zahlen der Konkurrenz. Die Telekom etwa bietet den Kunden Datengeschwindigkeit von „bis zu 16 MBit/s“, im LTE-Netz sind „bis zu 50 MBit/s“ drin. O2, künftiger E-Plus-Partner, schafft es auf immerhin „bis zu 21,1 MBit/s“ und auch Vodafone liefert nur 21,6 MBit/s bei kleinem Tarif an. 

Bei BASE hat E-Plus die Datengeschwindigkeit zur Mitte des Jahres erst auf 21,6 MBit / Sekunde erhöht. Das Angebot läuft allerdings am 1. Januar 2014 aus und die Kunden müssten, käme jetzt nicht die „Highspeed“-Initiative dazwischen, wieder auf 7,2 Mbit/s runter.

Es bleibt abzuwarten, was E-Plus nach den sieben Monaten Testballon aus der „Highspeed für Jedermann“-Sache macht. Viel wichtiger als 42,2 MBit / Sekunde wäre aber, dass sich die Telekommunikationsunternehmen – und da sollten sich alle vier an die Nase fassen – mal über den Begriff „Flatrate“ Gedanken machen würden. Denn eine „Internet-Flat“ sollte auch eine Flat sein – und nicht nach 500 MB auf ein lächerliches Minimum gedrosselt werden. Aber die Diskussion haben wir mit der Drossel, äääh, Telekom ja gerade erst hinter uns gebracht.


 

war von 2012 bis 2015 Autor der Netzpiloten. Seither arbeitet er als Geschäftsführer von BASIC thinking, schreibt Bücher und pflanzt dadurch Bäume. Zudem hat er das Online-Magazin Finanzentdecker.de gegründet. Am besten ist er über Facebook, Twitter und Instagram zu erreichen.


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3 comments

  1. Richtig erkannt, Tobias: Das ist kein eplus-Problem, hier sollten sich alle vier Provider „an die Nase fassen“. Zum Beispiel ist das LTE-Netz auf einem sehr guten Ausbaustand – Deutschland ist hier europaweit sogar Vorreiter – dummerweise werden in den meisten Tarifen die traumhaften Bandbreiten gar nicht erst zugelassen. Die Provider lassen den Tiger einfach nicht aus dem Tank. Und wenn, dann nur zu frechen Aufpreisen. Wovor haben Telekom & Co. eigentlich Angst?

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