Zwischen Apps und QR-Codes – Bekenntnisse der Generation Online

“Passen Sie doch uff!” Oha. Ich habe neulich eine Autofahrerin verärgert. WhatsApp war wichtiger und so bin ich fast vor ein Auto gelaufen. Bin also nicht multitaskingfähig. Wohl eher smartphoneabhängig. Aber sind wir das nicht alle? Wieso machen wir es dann eigentlich nicht wie die Chinesen und bauen extra Fußwege für Menschen mit Smartphones? Wäre doch mal sinnvoll. Jetzt mal Spaß beiseite. Wir reden hier von einem ernsten Problem. Ja, ich gebe es zu: Ohne mein Handy fühle ich mich leer und einsam. Gäbe es eine Gruppentherapie für Smartphoneabhängige, ich glaube, ich würde dort mal vorbeischauen. Lasst es uns mal kurz visualisieren. Also. Ein karger, grauer Raum, in der Mitte ein Stuhlkreis. Am Eingang muss ich sämtliche technische Geräte abgeben. Dann muss ich mich vorstellen. “Ich heiße Ann-Kathrin und…ich bin smartphonesüchtig”. Kurz Stille. Dann: “Hi Ann-Kathrin”, murmeln die anderen Mitglieder. Neugierige Blicke treffen mich.

Unter der Leitung irgendeines Hippiepädagogen tanzen wir dann unsere Namen, spielen Brettspiele, gehen wandern und finden so Stück für Stück zu unserem normalen Leben zurück. Einem Leben ohne Smartphoneabhängigkeit. Solche Kurse soll es in den USA bereits geben. Beschäftigungstherapie quasi. Grusel. Dennoch: In Zeiten, in denen das Internet zum wichtigsten Informationsmedium geworden ist, WhatsApp die SMS fast vollständig ersetzt hat und uns von jeder Plakatwand QR-Codes angrinsen, erscheint uns das Leben von vor fünf Jahren irgendwie paradiesisch. Oder? Aber auch ruhig und friedlich. Da wird man glatt wehmütig. Nicht ständig erreichbar sein müssen. Nicht immer das Ding mit sich herumschleppen müssen. Ach, herrlich!

Wenn ich hier etwas definieren müsste, würde ich sagen, wir sind die Generation Online. Wir, das sind die 90er-Babies. Mit dem Internet aufgewachsen und dementsprechend verblödet. Keine Bücher mehr im Regal, dafür 100 Apps auf dem Handy.

Wobei ich noch Glück gehabt habe. Mitte der 90er geboren, hatte ich trotzdem das Privileg (okay, damals kam es mir wie eine Strafe vor), meine Kindheit ohne Handy und ohne Internetzugang verbringen zu dürfen. Meine Mama war der Meinung, das mache dumm. Und so langsam glaube ich, sie hatte Recht. Denn ohne mein Smartphone und meinen Laptop geht bei mir inzwischen so gut wie gar nichts mehr. Ich bin gefühlt 24 Stunden am Tag online und ich liebe es.

Ich liebe es, wie mein Handy viele Gegenstände überflüssig macht. Einen Fotoapparat zum Beispiel. Oder den Duden. Denn für beides habe ich ja eine App. Apropos App – ich habe gerade mal nachgezählt. Ich habe 73 Apps auf meinem Handy, etwa die Hälfte davon nutze ich regelmäßig. Allen voran der Facebook Messenger und Whatsapp. Ständig poppt irgendwas auf, blinkt oder vibriert. Irgendwie aufregend.

Schlimm ist es, wenn die Statusleiste ganz leer ist. Dann fühle ich mich auch leer. Leer und sehr, sehr einsam. Noch schlimmer: Es zeigt irgendwas Deprimierendes an. “Akku schwach”. Oder “10 Aufgaben überfällig” zum Beispiel.

 

Schon irgendwie komisch, dass ein relativ kleines Gerät so viel leisten und unsere Gewohnheiten so sehr verändern kann. Heutzutage tippen wir lieber auf unserem Handy herum, als uns mit unseren Freunden zu unterhalten. Immer häufiger sehe ich auch Pärchen zusammensitzen, jeder einzeln mit seinem Smartphone beschäftigt. DAS muss wahre Liebe sein.


Image (adapted) “Smartphones” by Esther Vargas (CC BY-SA 2.0)

 


 

 

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1 comment

  1. Erneut befällt mich das Problem, bei dem eigentlich spannenden Artikelthema hier schon wieder kurz nach dem vorletzten Absatz damit konfrontiert zu werden, dass der Artikel schon so gut wie zu Ende ist. Komme aus dem Gefühl nicht heraus, dass da noch viele Fleisch kommen müsste – Schade, aber eine Folgeseite zum Anklicken gibt’s wohl doch nicht :-(

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