Edward Snowden: Rückkehr in die USA?

NSA-Whistleblower Edward Snowden möchte angeblich in die USA zurückkehren – doch wird er dort bekommen, was er verdient? NSA-Whistleblower Edward Snowden verhandelt derzeit, unterstützt von US-amerikanischen und deutschen Anwälten, über eine Rückkehr in die USA. Er würde gerne zurückkehren, wenn er in seiner Heimat einen fairen Prozess erwarten könne, so der IT-Experte und Aktivist. Doch genau diese Fairness ist leider angesichts des aktuellen politischen Klimas kaum zu erwarten. Noch weniger steht zu hoffen, dass Snowden in den USA so behandelt wird, wie er es verdient – nämlich als mutiger Förderer demokratischer Werte.

Snowden verhandelt über Rückkehr in die Heimat

Seit über einem Jahr lebt Edward Snowden im Exil in Moskau. Zwar hat er dort kein schlechtes Leben – er wohnt mittlerweile mit seiner langjährigen Freundin Lindsay Mills zusammen und engagiert sich in großem Maße politisch. Von vielen Seiten erfährt er für seine Taten Respekt, werden ihm Preise und Ehrungen zu teil.

Dennoch zieht es den Whistleblower verständlicherweise in die Heimat. Wie Snowdens russischer Anwalt Anatoli Kutscherena am vergangenen Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz in Moskau mitteilte, verhandelt Snowden, unterstützt von einem Team US-amerikanischer und deutscher Anwälte, über eine Rückkehr in die USA. „Ich werde kein Geheimnis daraus machen, dass er [Snowden] […] nach Hause zurückkehren will. Und wir tun jetzt alles mögliche, um dieses Problem zu lösen,“ sagte Kutscherena.

Ein großes Risiko

Zwar wäre es Snowden natürlich zu gönnen, nicht länger fernab der Heimat leben zu müssen. Als Snowden-Unterstützer muss man jedoch auch das erhebliche Risiko konstatieren, das ein solcher Schritt mit sich bringen würde. Einen fairen Prozess zu fordern, ist zwar ein kluger Schritt Snowdens (der sowieso bislang – milde ausgedrückt – weder durch Dummheit noch Naivität aufgefallen ist). Es dürfte jedoch schwierig sein, dies wirklich sicher zu stellen. Selbst wenn die US-Regierung diesbezüglich wie auch immer geartete Garantien gibt – angesichts ihres bisherigen Verhaltens gegenüber Aktivisten und Whistleblowern ist ihr schlichtweg nicht zu trauen.

Die US-Regierung und ihr schändliches Verhalten gegenüber Whistleblowern

US-Präsident Barack Obama, angetreten mit dem Versprechen, die „transparenteste US-Regierung aller Zeiten“ ins Feld zu führen, könnte in Wirklichkeit kaum weiter von diesem Vorsatz entfernt sein. Keine US-Regierung in der Geschichte hat so oft den umstrittenen „Espionage Act„, der Spionage und die Schwächung der US-Streitkräfte sanktioniert, gegen Whistleblower angewendet – ja, Obama hat dies sogar öfter getan als alle Vorgängerregierungen zusammen.

Im Namen der Terrorismusbekämpfung und der nationalen Sicherheit wurden in den USA nicht nur bis dato unvorstellbare Überwachungsprogramme hinter dem Rücken der Bürger umgesetzt. Es wird auch versucht, an denjenigen, die versuchen, diese Programme öffentlich zu machen (und so den Bürgern eine Chance zu geben, zu erfahren und zu kommentieren, was in ihrem Namen geschieht) in brutaler Weise ein Exempel zu statuieren. Man denke nur an die ehemalige Geheimdienst-Analystin Chelsea Manning, die derzeit für die Weitergabe geheimer Dokumente an die Whistleblowing-Plattform WikiLeaks eine 35-jährige Haftstrafe im Militärgefängnis absitzt. Manning musste Folter, Diffamierung und einen langen, qualvollen Prozess über sich ergehen lassen und wird, wenn sie nicht doch noch begnadigt wird, über die Hälfte ihres Lebens im Gefängnis verbracht haben, wenn sie endlich frei kommt – und das alles, weil sie der Ansicht war, dass die Menschen die Wahrheit über die Aktivitäten von Militär und Geheimdiensten wissen sollten.

Ist einer Regierung, die derartige Dinge tut, die WikiLeaks so vehement verfolgt, dass beispielsweise dessen führender US-amerikanischer Aktivist Jacob Appelbaum mittlerweile in Berlin im Exil lebt, die die Presse einschüchtert und millionenfach unbescholtene Menschen überwacht, zu trauen? Die Antwort kann nur nein lauten. Deswegen bleibt zu hoffen, dass Snowden und seine Anwälte in dieser Frage sehr vorsichtig handeln. Von außen ist es schwierig, zu beurteilen, wie groß das Risiko wirklich ist, aber als Snowden-Unterstützer(in) kann man bei der Vorstellung einer Rückkehr in die USA nicht anders als besorgt reagieren.

Snowden verdient einen Orden – keine Strafe

Hinzu kommt, dass selbst ein – wie auch immer definierter – fairer Prozess nicht das ist, was Edward Snowden verdient. Snowden hat sich mutig für Werte eingesetzt, auf die sich auch die USA immer wieder gerne berufen: Transparenz, Meinungsfreiheit und demokratische Mitbestimmung. Dafür verdient er Lob und Anerkennung, keine Strafe, selbst wenn diese mild und „fair“ ausfallen sollte.

Wenn Snowden bereit ist, sich der US-Justiz zu unterwerfen, ist dies letztendlich natürlich seine eigene freie Entscheidung. Aber dem Gerechtigkeitssinn derjenigen, die an die selben Werte wie Snowden glauben, liefe ein solcher Schritt massiv zuwider. Es bleibt nur zu hoffen, dass es dazu nicht kommt. Snowden ist ein Held und sollte als solcher behandelt werden. Die einzigen Verbrecher sind diejenigen, deren undemokratische Machenschaften Snowden mit seinem Whistleblowing-Akt aufgedeckt hat.


Image (adapted) „Schwarz und Weiß“ by Unsplash (CC0 Public Domain)

schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt.


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5 comments

    1. Ich finde die begründeten Sorgen unserer Autorin Annika Kremer wirklich glaubwürdiger, als den Beitrag von Gleen Greenwald, der natürlich auch eine ganz eigene Agenda hat. Ohne diesen Menschen persönlich zu kennen, besteht auch immer die Gefahr, dass eine Rückkehr Snowdens, mit wirklich ungewissen Ausgang, ihn vielleicht mehr beruflich nützt als das UnterstützerInnen wahr haben wollen. Von hier aus kann ich Greenwalds Motivation nicht kalr erkennen. Ist es wirklich nur, um Snowden zu helfen oder nicht doch was anderes? Ich weiß nicht, ob Snowdens weiteres Schicksal noch mehr „gute“ Geschichten wert ist. Greenwalds Texte, die stets von einem starken Aktivismus geprägt sind, nehme ich deshalb immer vorsichtig wahr. Der Mann ist, im Gegensatz zu einer unbeteiligten Person, sehr mit dem Schicksal von Snowden verbunden.

  1. Es widerspricht sich auch nur teilweise, finde ich. Mag sein, dass Snowden das schon länger vorhat (ich erwähne ja auch im Artikel, dass er schon vor einer Weile gesagt hat, er würde zurückkehren, wenn er einen fairen Prozess bekommt). Ich finde aber das Thema dennoch diskussionswürdig und sehe Kutscherenas Äußerungen dafür einfach als aktuellen Aufhänger. Ebenso wie beispielsweise Noam Chomsky, den Greenwald übrigens auf Twitter selbst zitiert hat: https://twitter.com/ggreenwald/status/572851851164581888

    Und den Schuh der US-Propaganda ziehe ich mir mal ganz sicher nicht an. Ist auch in meinen Augen nicht wirklich fair von Herrn Greenwald (dessen Arbeit ich ansonsten sehr schätze), zu implizieren, dass sich alle über dieses Thema berichtenden Medien in dieser Frage über einen Kamm scheren ließen.

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