Journalisten sollten keine Rechte auf privaten Plattformen verlieren

Der Umschwung zu Distributed Content bedeutet auch, dass Konzepte wie Fair Use in den Händen der Privatunternehmen wie Soundcloud liegen. Das ist ein Weckruf an alle Urheber von Audio-Material weltweit: Soundcloud erkennt eure Nutzungsrechte unter US-Urheberrechtsgesetzgebung nicht an. Wenn euer Content irgendwelches Material enthält, bei dem ihr die Rechte nicht habt, selbst wenn ihr gültige Nutzungsrechte besitzt, kann es passieren, dass Soundcloud diese jederzeit entfernen kann.

Genau das ist einem meiner früheren Studenten passiert. Seine Erlebnisse sollen als eine Warnung an die wachsende Anzahl von Nachrichtenorganisationen (genau wie die, mit der ich zusammenarbeite) dienen, die Soundcloud nutzen, um Podcasts und andere Audiocontent zu hosten.

Journalismus, wie wir ihn kennen, könnte ohne angemessene Verwendung nicht existieren, also kann es durchaus sein, dass Soundcloud kein lebensfähiges Konzept in diesem Bereich ist. Man stelle sich einen Artikel über den „Blurred Lines“-Rechtsstreit vor, ohne dass man die urheberrechtlich geschützlen Clips der Songs abspielen darf, um die es geht.

Letztes Jahr um diese Zeit war Patrick Hobbs Teil eines Kurses über Audioproduktion, den ich an der Mercer University gebe. Als Abschlussarbeit bereitete er ein Radiostück über einen Teil der australischen Geschichte vor, der auch als Großer Emu-Krieg bekannt ist. Dabei handelte es sich um eine etwas absurde Mission, bei der australische Soldaten eine Herde Emus, die eine Weizenernte vernichten wollten, mit Maschinengewehren dezimierten.

Hobbs hat eine tolle Präsentation mit vielen verschiedenen Geräuschen vorbereitet, abgesehen davon ist die Geschichte, die er erzählte, bereits über 80 Jahre her. Er integrierte viele coole nicht-diegetische Soundeffekte im Radiolab-Stil, und er nutzte ein paar Musikstücke, um seine Übergänge runder zu gestalten. Hier waren auch 25 Sekunden von „Pumped Up Kicks“ von Foster The People enthalten. Der Song enthält die Zeile: „All the other kids with the pumped up kicks, you’d better run, better run, outrun my gun.

Ich denke, Hobbs‘ Nutzung dieses Songs kann als ‚umgestaltend‘ gelten, was als eines der vielen angemessenen Verwendungen des US-Urherberrechts gelten kann. (Wenn Sie nicht sicher sind, was als ‚angemessene Verwendung/Fair Use‘ gilt, erkläre ich es hier noch einmal genauer zusammen mit Patricia Aufderheide von der American University.) Es kann natürlich sein, dass ich falsch liege, aber dieses Argument sollte man zumindest in Betracht ziehen.

Statt den Song zu spielen, weil er einfach gut ist und die Leute ihn gerne hören, hat Hobbs die Bedeutung des Liedes verändert und ihn in einem neuen Kontext verortet. Es geht nicht mehr um ein Schulmassaker, sondern um eine Schiesserei auf Emus, und er hat auch nur ein paar Sekunden des Liedes benutzt – genug, um seine Perspektive zu vemitteln. Ich bat Hobbs, sein Projekt bei Soundcloud einzustellen. Die Datei war dort ein Jahr lang problemlos erreichbar. Vor ein paar Wochen war sie aber – puff – ganz plötzlich verschwunden. Soundcloud schickte Hobbs eine Nachricht, in der stand, dass sie den Song von Foster The People entdeckt hatten, und wenn er die Rechte besitzen würde, könne er gern eine Klage einreichen. Bis dahin wäre die Datei auf Soundcloud aber gesperrt.

Mir kommt das ziemlich rückständig vor, dass ich meine ‚Unschuld‘ beweisen muss, statt dass sie es andersrum angehen„, schrieb Hobbs in einer Facebooknachricht an mich und bat mich um Hilfe.

Und tatsächlich, währen der Digital Millennium Copyright Act festlegt, dass die Besitzer des Urheberrecht eine Entfernung veranlassen können, wenn sie glauben, es habe eine Verletzung stattgefunden (und die involvierten Parteien eine Möglichkeit hatten, darauf zu reagieren, bevor irgend etwas geschieht), kann ein Drittanbieter wie Soundcloud den Inhalt, den er für den Nutzer hostet, selbst entfernen.

Ich half Hobbs dabei, einen Antwort zu formulieren, die seine Nutzung begründen sollte, und er reichte Klage gegen Soundcloud ein. Ein paar Tage später ereichte ihn wieder eine Nachricht: die Klage wurde abgelehnt. „Es wurde nicht mal begründet, sondern sozusagen nur das textliche Äquivalent zu einem großen roten Stempel rausgeschickt„, schrieb er mir.

Dieser Fall mag zunächst trivial wirken. Die Freiheit der Medien, den Mächtigen mal die Meinung zu geigen, beruht nicht auf der Fähigkeit eines einzelnen College-Studenten, der einen Indiepopsong in seinem Radiostück nutzt. Oder vielleicht doch. Wenn wir nicht in Situationen wie dieser für unsere angemessenen Vewendungsrechte aufstehen, kann es gut sein, dass wir unsere Rechte auch nicht wahrnehmen können, wenn es um etwas Ernsteres geht.

Also wurde ich angriffslustig und intervenierte auf Bitte von Hobbs. Ich schickte eine Mitteilung an Soundcloud und verlangte eine Erklärung. Außerdem teile ich ihnen mit, dass ich über den Fall schreiben wollte.

Wir erhielten eine Antwort vom Soundcloud Copyrights Team, in der erklärt wurde, dass das alles angefangen hat, als Sony (die den Foster The People-Song in den USA vertreiben) die Musik in Hobbs Stück entdeckt und eine Beschwerde an Soundcloud geschickt hatte. Ich schätze, Sony hat dafür extra Bots programmiert, die das Internet nach ihren Inhalten duchkämmen.

Hier ist die Schlüsselaussage aus der Email von Soundcloud:

Wir verstehen, dass das US-Urheberrechtsgesetz eine Doktrin über Faire Use beinhaltet. Dennoch sind diese Regeln begrenzt, zudem ist die Anbringung außerhalb des Gerichts schwierig anzuwenden und gilt nicht notwendigerweise auch außerhalb der USA. Da Soundcloud eine weltweite Plattform ist, erwarten wir von allen unseren Mitgliedern und Urhebern von Audiomaterial, dass sie die Urheberrechte weltweit respektieren, außerdem die Rechte der Besitzer.

Dann bedeutet das also, nur weil die angemessene Verwendung nicht überall gilt, wird Soundcloud sie nirgendwo anerkennen. „Das bedeutet, dass quasi jedes Land das komplette System entfernen lassen kann,“ sagt Hobbs.

Ein paar Möglichkeiten gibt es jedoch für Unternehmen wie Soundcloud und Konsorten, um dieses Problem zu umgehen. Hobbs hat beispielsweise ein großartiges Mashup von „Thriller“ und „Uptown Funk“ auf YouTube gestellt. Als dort festgestellt wurde, dass Hobbs außer den Hinweis auf die angemessene Verwendung keine Hinweis auf das Quellenmaterial gegeben hatte, wurde das Video geblockt, allerdings nur in Deutschland, wie er sagt.

Und ja, YouTube ist Teil von Google, dem gigantischen Weltkonzern. Soundcloud ist dagegen nur eine kleine europäische Firma. Eventuell haben sie hier gar nicht die Kapazität, die Inhalte Land für Land zu blockieren.

Auch wenn man sich nur innerhalb der USA umschaut, ist die angemessene Verwendung eine komplizierte Angelegenheit. Im Grunde sagt Soundcloud selbst: „Wir haben keine Kapazität, um uns in den Grauzonen des Urheberrechts heumzutreiben. Es kann sein, dass Sie alles zu Recht tun, aber wir wissen es nicht genau, wir haben keine Zeit, das zu verifizieren, und wir können nichts riskieren, also muss der Content von der Seite verschwinden. Sie müssen nicht gehen, aber hierbleiben geht auch nicht.

Ich verstehe. Ich kann es wirklich nachvollziehen. Ich bin schon lange Fan und Nutzer von Soundcloud. Aber mir bereitet das trotzdem Sorge.

In den letzten Jahren wurde viel darüber geredet, wie das Internet, und hier besonders die Sozialen Medien, als neue öffentliche Plätze genutzt werden, mit Hilfe derer wir unser Recht auf Meinungsäußerung ausüben können. Und trotzdem sind diese Plätze nicht öffentlich. Wenn man Content bei Facebook, Instagram, YouTube oder Soundcloud postet, befindet man sich auf privatem Grund und Boden. Der Besitzer kann jederzeit herauskommen und einen wegschicken.

Wir übergeben unsere Rechte des ersten US-Verfassungszusatzes immer öfter in die Hände von Privatfirmen. Das erschreckt mich mehr als alles andere an dem neuen Angebotskatalog, den Facebook mit Nachrichtenorganisationen abgeschlossen hat, bei dem Artikel der New York Times und anderen Zeitungen innnerhalb von Facebook verwaltet werden, anstatt einfach vom Facebook Newsfeed auf NYTimes.com zu verlinken. Wir müssen uns ein paar grundlegende Fragen darüber stellen, wie wir unsere Rechte in dieser neuen Umgebung handhaben wollen.

Fürs erste glaube ich, es wird eine sehr plötzliche Einleitungsphase geben, bei der man achtsam sein muss. Das bedeutet, wenn man seine Podcasts bei Soundcloud hostet, dass man aufpassen muss, welche man dort hochlädt. Auch wenn man ein gültiges Nutzungsrecht hat, muss das nicht unbedingt gültig sein, und eines Tages – puff – die Show schlicht verschwunden sein.

Meine Nachricht an Soundcloud: Wenn ihr mit Journalisten zusammenarbeiten wollt, müsst ihr einen Weg finden, uns dabei zu helfen, unsere angemessenen Nutzungsrechte anzuwenden. Ansonsten ist eure Plattform für uns nicht mehr zu gebrauchen.

Zuerst erschienen auf niemanlab.org. Übersetzung von Anne Jerratsch.


Image (adapted) „TechCrunch Disrupt Europe: Berlin 2013 (Day 2)“ by TechCrunch (CC BY 2.0)


ist Journalist-in-Residence und Gastlektor an der Fakultät für Journalismus der Mercer Universität. Davor hat er im öffentlichen Radio gearbeitet.Er veröffentlicht den wöchentlichen Podcast "The Pub".


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4 comments

  1. Ich finde die Klage nicht wirklich originell. Es geht zunaechst schon um ein Geschenk von Soundcloud. Niemand kann die Firma daran hindern, irgendetwas rauszuschmeissen. Da sind sie vollkommen frei. Und dann ist sie nur ein „blame game“. Statt selber eine Platfform aufzumachen, die sich auf das Recht und die Frage seiner Durchsetzung nicht einlaesst, wird ein Dritter beschimpft.

    Was das amerikanische Recht und seine Durchsetzung angeht, haben wir es hier mit einer opt-in-Loesung fuer die Urheberrechtsinhaber zu tun, die wie das chache-Privileg Anbieter wie Youtube bevorzugt. Das ist zwar ungerecht, opt-out waere fuer die Urheberreechtsinhaber gerechter, fremde Songs duerfen ueberhaupt nicht hochgeladen werden und wer den Uploadern hilft, zahlt, aber machinenmachbar und fuer alle Beteiligten billiger. Der Betroffene kann ja etwas tun, was Youtube ihm nicht verbietet. Es geht Youtube aber nichts an.

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