EDRi: Die Europäische Kommission fragt, ob Surfen im Web illegal sein soll

Bis zum 5. Februar veranstaltet die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation, um die Bürger zur Modernisierung des Urheberrechts zu befragen. Die Europäische Kommission hat eine Umfrage zur Zukunft der europäischen Urheberrechtspolitik gestartet. Die Antworten zu dem Fragebogen müssen bis zum 5. Februar 2014 eingereicht werden und sollen als Begründung für zukünftige Anträge der Kommission dienen – haben Bürger kein Stimmrecht, führt das dazu, dass unser Recht kulturelles Erbe zu schaffen, zu teilen und zugänglich zu machen, geschwächt wird.

Um Bürger bei der Teilnahme zu unterstützen, hat sich EDRi mit verschiedenen Organisationen zusammen getan, die für den gesellschaftlichen Zugang zu Kultur kämpfen. Wir haben eine Webseite erstellt, die Bürgern hilft, ihre Meinung abzugeben – youcan.fixcopyright.eu. Diese Seite gibt Hintergrundinformationen und Ratschläge dazu, wie verschiedene Stakeholdern auf die gestellten Fragen antworten könnten.

Manche Fragen in der Umfrage sind sehr grundlegend und zeigen, was alles zur Debatte steht. Zum Beispiel will Frage 11 wissen, ob die Veröffentlichung eines Hyperlinks einen „Akt der Kommunikation“ oder eine „Verfügbarmachung“ des verlinkten Inhalts darstellt. Falls letzteres der Fall ist, fragt die Kommission, ob der/die Rechteinhaber des verlinkten Inhalts vor Veröffentlichung nach einer Berechtigung gefragt werden müssen. Das ist – wie die britische Regierung belegen kann – offensichtlich absurd. Vor ein paar Jahren wurde eine Web-Domain, zu welcher die Regierung verlinkt war, nicht erneuert, sondern anschließend von einem Anbieter japanischer Pornographie benutzt. Hat die britische Regierung also japanische Pornos an die Öffentlichkeit kommuniziert, und somit das Urheberrecht verletzt?

Ähnlich absurd, fragt sich die Kommission, ob es legal sein soll auf einer Webseite zu surfen, ohne vorher die Zustimmung des Rechteinhabers des Inhalts zu erhalten. Der Grund dieser Frage ist die kurzzeitige Kopie einer Webseite, die auf dem Computer und dem Cache der Festplatte des Benutzers gemacht wird. Dieser Kopiervorgang verläuft ohne Autorisation des Rechteinhabers und der Ansatz „Verboten bis auf explizite Erlaubnis“ des europäischem Urheberrechts könnte so interpretiert werden, dass es einen Verstoß darstellt, sich auf einer Webseite aufzuhalten, die das Surfen nicht explizit erlaubt. Mit dieser Frage bezieht sich der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs auf den Europäischen Gerichtshof. Es bleibt unklar, ob eine andere Entscheidung zu der Vorschrift führt, dass man zusätzlich die Erlaubnis braucht, eine Zeitung im Wartezimmer zu lesen.

Der Kern des aktuellen Gesetzesrahmen ist die Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) aus dem Jahr 2001. Gerichtliche Verfügungen bei Urheberrechtsverletzungen sind Verletzungen des Schutz der Rechte an geistigem Eigentum (2004/48/EG) ähnlich, aber unterscheiden sich auch davon (das erzeugt Verwirrung und rechtliche Unsicherheiten). Darüber hinaus gibt es Bürgern die Freiheit (für pädagogische, behindertengerechte, persönliche Zwecke etc.) Urheberrechts-Material ohne vorherige Berechtigung zu nutzen. Wie auch immer, die aktuelle Richtlinie ist chaotisch und bestehende Lobbyarbeiten verschlimmern diese missliche Lage.

Bürger haben nur in Spezialfällen die Freiheit, geschützte Werke ohne vorherige Autorisation zu nutzen, also: „Fälle, die nicht mit regulärer Ausbeutung von Werken oder anderen Gegenständen in Konflikt stehen, und Fälle, in der nicht unverhältnismäßig die legalen Interessen des Rechteinhabers beeinflusst werden“. Trotz alldem, ist keine der Ausnahmen (für Satire, pädagogische Zwecke, für die Nutzung von behinderten Bürger etc.) zwingend. Das lässt ein Chaos entstehen, in dem Mitgliedstaaten Millionen an Optionen haben, das Recht zu interpretieren und in Kraft zu setzen. Die Urheberrechtslobby ist dagegen, dass solche Freiheiten in jedem Mitgliedstaat verpflichtend sind – obwohl deren berechtigte Interesse, aktuell und in Zukunft, durch die Erlaubnis von solchen Freiheiten für Bürger beeinträchtigt werden. Stattdessen sollen all diese Freiheiten durch Lizensierungsmaßnahmen ersetzt werden – welche nur dazu führen können, dass die Redefreiheit in Europa ihrem Niedergang näher kommt. Es wäre schwer eine solche Extremsituation zu parodieren – aber es wird noch viel schwieriger sein, falls die eingeschränkten Rechte zur Parodie durch diese Kritik unterdrückt würden.


Dieser Beitrag von Bogdan Manolea (unter Mitwirkung von Joe McNamee und Marie Humeau) ist zuerst im EDRi-Newsletter vom 15.01.2014 erschienen und steht unter der Creative Commons Namensnennung 3.0 (CC BY 3.0). Der Artikel wurde übersetzt von Janina Gera.


Image (adapted) „European Commission“ by Sébastien Bertrand (CC BY 2.0)


studiert Publizistik und Kommunikationswissenschaften: Momentan als Masterstudentin an der Freien Universität Berlin, davor an den Universitäten Wien, Aarhus (DK) und Lund (SE). In ihren Arbeiten beschäftigte sie sich mit interkultureller Kommunikation und dem Problemfeld "Journalismus in der Online-Welt". Neben der Universität arbeitete sie in Print-, Online-, und TV-Redaktionen. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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1 comment

  1. Ähnlich absurd, fragt sich die Kommission, ob es legal sein soll auf einer Webseite zu surfen, ohne vorher die Zustimmung des Rechteinhabers des Inhalts zu erhalten.

    nicht wirklich oder? umso öfter ich es lese, umso lustiger wird es.

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