Change.gov – Barack Obamas Online-Strategie

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Bereits zwei Tage nach der Wahl Barack Obamas zum 44. US-Präsidenten ging die Website Change.gov online. Ziel ist es, einen offenen Übergang zum Beginn der Amtszeit am 20. Januar 2009 zu bieten. Das Transition Team, das diesen Übergang organisiert, verspricht: „The transition process will offer you opportunities to participate in redefining our government.“ Auf Deutsch: Der Übergangsprozess soll allen Bürgern die Gelegenheit geben, an der Neugestaltung der Regierung mitzuwirken. Die Blogpiloten werfen einen Blick auf Obamas Online-Strategie.

Mit seinem offensiven Einsatz von Online-Medien während des Wahlkampfes hat Obama neue Maßstäbe gesetzt. Die Summe der Spenden, die sein Team gesammelt hat, hat dabei alle Rekorde gebrochen, wie die Washington Post am Freitag, 21.11., berichtete: In den 21 Monaten des Wahlkampfs wurde eine halbe Milliarde US-Dollar an Online-Spenden gesammelt. Bisheriger Rekordhalter war der demokratische Kandidat Howard Dean, der mit seinem Online-Wahlkampf im Jahr 2004 in einem Quartal 7,4 Millionen US-Dollar an Spenden sammelte.

Beachtlich ist auch die Anzahl an E-Mail-Adressen, die während des Wahlkampfs gesammelt werden konnten: Die Liste besteht aus mehr als 13 Millionen Adressen. Auf dem Obama-eigenen Social Network My.BarackObama legten etwa zwei Millionen User Profile an. Das sind zwar weniger als ein Prozent der etwa 220 Millionen amerikanischen Internetnutzer, zudem wurden einige Profile auch außerhalb der USA angelegt – doch erreichten Obamas Webauftritte wesentlich mehr Internetuser als die seines Konkurrenten John McCain.

Der 44. Präsident der USA schuf so seine eigene Graswurzelbewegung: Über MyBO, so der Name des Social Networks in Kurzform, planten seine Unterstützer 200.000 Offline-Events wie Wahlkampf- und Spendenpartys und schlossen sich zu 35.000 Gruppen von freiwilligen Helfern zusammen. In anderen Social Networks, wie z. B. Facebook, erreichte Obama insgesamt mehr als 5 Millionen Unterstützer.

Nun ist die große Frage, wie Obama und sein Team dieses Momentum auf die Zeit seiner Präsidentschaft übertragen können. Wie können sie das Engagement der Unterstützer während der Wochen bis zur Vereidigung am 20. Januar 2009 und darüber hinaus am Leben erhalten? Was können sie mit den 13 Millionen E-Mail-Adressen anfangen, wie die zwei Millionen registrierten User von MyBO einbeziehen?

Anhaltspunkte für die letzte Frage sollen die MyBO-Nutzer selbst liefern: Auf der Website findet sich zurzeit ein vierseitiger Fragebogen, mit dem die Nutzer ihre Ideen für eine Fortsetzung der Kampagne äußern können. So werden sie zum Beispiel gefragt, ob sie weiterhin Interesse an einer aktiven Unterstützung haben und in welche Richtung sich die Kampagne entwickeln soll.

Obama möchte das Internet auch während seiner Präsidentschaftszeit offensiv nutzen, um Transparenz zu garantieren. So soll es etwa Webcasts von Regierungssitzungen geben, in Online Town Hall Meetings (Bürgerversammlungen) sollen die Bürger selbst zu Wort kommen. Weiterhin soll der Lobbyeinfluss von Unternehmen offen gelegt werden und eine öffentlich zugängliche Datenbank soll zeigen, wofür die Regierung Steuergelder ausgibt. Wie die Federal Times berichtet, sollen Bürger zudem neue Gesetzesentwürfe im Netz kommentieren können.

Erstmal verlegte Obama auch die wöchentliche Ansprache des Präsidenten ins Internet – wie es vor ihm bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel und, in unregelmäßigeren Abständen, auch der russische Präsident Medwedew getan haben. Anders als bei Merkel, kann man Obamas Ansprachen aber nicht nur auf den offiziellen Regierungswebsites ansehen, sondern auch bei YouTube. In der ersten dieser Ansprachen vom 14. November spricht Obama die Finanzkrise an.

Bis zum 1. Dezember hatten fast 900.000 User diesen Clip aufgerufen.

Eingeführt hatte die „Kamingespräche“ (firesite chats) Franklin D. Roosevelt; seitdem richten sich die Präsidenten jede Woche im Radio an die amerikanischen Bürger. Ein wirkliches „Gespräch“ mit den Zuhörern entwickelte sich daraus im Radio natürlich nicht – doch auch bei YouTube sind momentan noch Bewertungsfunktion, Kommentare und die Möglichkeit, per Video zu antworten, abgeschaltet.

Die Zentrale von Obamas Kampagne für transparentes Regieren ist Change.gov. Die Transparenz wird auf der Internetseite selbst dadurch geschaffen, dass sich das Team in Blogeinträgen und Videobeiträgen vorstellt, dass Meetings des Transition Teams gefilmt und veröffentlicht werden. Ebenso werden hier Personalentscheidungen verkündet. Unter „Share your story“ und „Share your vision“ können User zudem ihre Ideen, Anregungen und Wünsche für die Präsidentschaftszeit Obamas einsenden. Auch die Agenda des designierten Präsidenten wird vorgestellt – und zu jedem Punkt können die User wiederum über ein Webformular Stellung nehmen.

Über Change.gov können sich User weiterhin für einen Job in der Obama-Administration bewerben. Nach Informationen der New York Times haben bereits mehr als 200.000 Menschen diese Chance genutzt.

In den ersten Tagen wirkte die Change.gov, besonders im direkten Vergleich mit MyBO, überraschend statisch und wenig auf Interaktion ausgerichtet. Eine Diskussion der Nutzer untereinander ist nicht möglich, weder Blogeinträge noch Videos können kommentiert werden. Und auch die eingereichten „Gedanken“ und „Visionen“ erscheinen zunächst nicht auf der Plattform.

Doch dann hat das Transition Team begonnen, Zusammenfassungen der Nutzerzuschriften zu veröffentlichen und so ein Bild davon wiederzugeben, welche Gedanken sich die Wähler machen. Zudem fragt das Team die User nun nach Ideen zu ganz konkreten Problemen – zum Beispiel zur Energie- und Klimapolitik. Innerhalb nur eines Tages gingen daraufhin zehntausende Kommentare ein, heißt es in einem Weblogbeitrag. Eine Auswahl von Fragen beantwortet Heather Zichel, Mitarbeiterin des Policy Teams, per Video.

Diese redaktionelle Auswahl der Fragen und Kommentare ist zwar weniger transparent als es eine direkte Veröffentlichung aller Eingänge wäre. Doch zeigen Obama und sein Team mehr Offenheit als es bei anderen Regierungsbildungen je zu beobachten war. E-Democracy-Experten wie John Wonderlich, Programmdirektor der amerikanischen Sunlight Foundation, erhoffen sich, dass durch den innovativen Einsatz von Netz-Technologien und die direkte Kommunikation eine engere Verbindung zwischen US-Regierung und Bürgern entsteht.

Der technik- und internetaffinen Präsident müsse jedoch darauf achten, dass seine Pläne für mehr Transparenz nicht mit der Bürokratie Washingtons zusammenstoßen, warnt Jonathan Breul von IBM in der Federal Times. Besonders Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre gelte es zu beachten. Das betrifft auch den Präsidenten selbst: In den USA dürfen Kongress und Gerichte auf die Mails des Präsidenten zugreifen und veröffentlichen. Wenn Obama dies nicht will, solle er auf E-Mails besser verzichten, rät etwa Reed Dickens, ehemaliger Pressesprecher der Regierung von George W. Bush.

ist freie Journalistin. Von April 2007 bis September 2008 absolvierte sie ein Volontariat bei politik-digital.de und arbeitet heute under anderem für Zebralog. Privat bloggt sie unter More Sexappeal In Politics.


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4 comments

  1. Sehr informativ und interessant der Beitrag. Danke auch für den Hinweis auf einen weiteren Artikel hier auf Blogpiloten. Mal sehen wie und was Barack Obama „changen“ kann und wird.

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